Prozessoptimierung steigert Resilienz

Eine erfolgreiche Digitalisierung funktioniert nicht mit verschiedenen, abgekapselten Systemen, sondern braucht durchgängig 
ablaufende Prozesse. Welche Rolle dabei ERP spielt und wie dadurch die Widerstandsfähigkeit gesteigert wird, darüber sprach die COMPUTERWELT mit Michael Wüstemeier, seit Mitte letzten Jahres Managing Director von proALPHA Österreich. [...]

Michael Wüstemeier ist 
Managing Director von 
proALPHA Österreich. (c) Erich Reismann

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends 2021?

Eines der Top Themen für fast jedes zweite Unternehmen im Mittelstand ist die Prozessoptimierung. Das zeigt die Studie aus 2020 von teknowlogy | PAC im Auftrag von proALPHA. Immer mehr Mittelständler befassen sich nun mit dem Thema Process Mining, in dem laut Studie 41 Prozent ein großes Potenzial sehen. Daher haben wir unser Portfolio entsprechend erweitert. Auch neue Geschäftsmodelle und Plattformen zählen zu wichtigen Trends für 2021. Eine Studie des Bitkom vom Mai 2020 zeigt, dass 73 Prozent im Zuge von Industrie 4.0 ganze Geschäftsmodelle anpassen und verändern.

Das drittwichtigste Thema für 2021 ist laut Trovarit die Usability, denn diese werden viele ERP-Anwender auf den Prüfstand stellen. Daher liegt der strategische Fokus unserer neuen proALPHA Version 7.2 auf den Themen Mobility und User Experience.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für KMU – auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise?

Der Corona-Lockdown hat sehr deutlich gezeigt, dass es digitalisierten Unternehmen besser gelang und weiterhin gelingt, Krisen zu überwinden. Das bestätigt auch eine Studie der Bundesvereinigung für Logistik (BVL). Viele Unternehmen haben so vor Augen geführt bekommen, welche Bedeutung nahtlose digitale Prozesse haben. Für eine erfolgreiche Digitalisierung sind oftmals nicht modernste Technologien ausschlaggebend, sondern vielmehr die Unternehmensprozesse. Hier muss jedes Unternehmen die eigenen Prozesse unter die Lupe nehmen, um Brüche und Schwachstellen zu finden.

Hat der Cloud-Boom der letzten Monate dazu geführt, dass Sie Ihr Angebot entsprechend ausrichten – z.B. durch Verstärkung Ihrer Cloud-Initiativen?

Wir bieten unseren Kunden schon sehr lange die Möglichkeit, unsere ERP-Lösung aus der Cloud zu beziehen. Es ist aber auch weiterhin eine Kann-Option und kein Muss. Wir stellen fest, dass der Einsatz von ERP-Lösungen aus der Cloud im Mittelstand nicht sehr stark verbreitet ist. Denn viele Unternehmen halten weiterhin daran fest, das System im Haus zu behalten. Das gibt einem das Gefühl der Kontrolle, da es keine Abhängigkeit von Internetprovidern gibt. Allerdings ist die Sicherheit dabei nicht immer so hoch wie viele Unternehmen annehmen. Denn große Cloud-Provider verfügen über weitaus mehr Ressourcen und Knowhow als der durchschnittliche Mittelstand und sind somit besser gegen Cyberattacken gerüstet.

Wie ist das letzte Kalenderjahr für Sie verlaufen und welche Prognosen haben Sie für das laufende Jahr?

Wir konnten rückblickend ein recht erfolgreiches Geschäftsjahr verzeichnen. Unsere Umsätze sind nicht gesunken, sondern sogar ein wenig gestiegen. Natürlich muss klar gesagt werden, dass in der Regel derzeit keine großen Investitionen getätigt werden. Im Neukundenbereich haben wir sehr wohl einen Rückgang gespürt, dafür ist der Bestandskundenbereich stärker geworden. Viele unserer Kunden haben das ruhigere Tagesgeschäft genutzt, um die sonst oft aufgeschobenen ERP-Projekte umzusetzen. Wir gehen davon aus, dass sich das laufende Jahr ähnlich entwickelt.

Was sind die derzeit beliebtesten Projekte?

Die Corona-Krise hat die Digitalisierung zweifellos deutlich beschleunigt. Daher ist es wenig verwunderlich, dass laut einer Studie von Haufe 70 Prozent der befragten Unternehmen ihr Kerngeschäft weiter digitalisieren wollen. Für viele Mittelständler stellt sich daher die Frage, ob die aktuelle ERP-Lösung noch ausreicht: Ist ein Update sinnvoll oder hilft möglicherweise nur noch der Austausch? In der derzeitigen Situation schrecken viele Unternehmen verständlicherweise vor großen Investitionen zurück. Doch wenn das eigene ERP-System an seine Grenzen stößt, ist der Mittelstand gut beraten, sich nach moderneren Alternativen umzusehen.

Welche Bedeutung hat ERP in der Gesamtdigitalisierungsstrategie von Unternehmen?

Das ERP-System gilt als Herzstück bzw. als Rückgrat des Unternehmens und das nicht ohne Grund: Es ist die zentrale Datendrehscheibe im Unternehmen, in der sämtliche Prozesse zusammenlaufen. Gerade im Mittelstand ist in der Regel eine Lösung gewünscht, die alle Prozesse abdeckt – und zwar end-to-end. Daher spielt die Integration hier eine wesentliche Rolle. Eine erfolgreiche Digitalisierung funktioniert nicht mit verschiedenen, abgekapselten Systemen, sondern braucht durchgängig ablaufende Prozesse. Dafür ist entweder eine Komplettlösung notwendig, die alles abdeckt, oder ein System, das über Schnittstellen andere Zusatzsysteme stark integriert, sodass keine Brüche entstehen.

Sie haben zu Beginn Process Mining als einen der aktuellen Trends genannt. Von welchem Angebot in diesem Bereich können Kunden profitieren?

Wir sehen in Process Mining ein sehr großes Potenzial, denn damit können Unternehmen ihre Prozesse überwachen, Durchlaufzeiten messen, Engpässe ermitteln und mehr, sodass eine Basis für weitere Prozessoptimierungen entsteht. Um unsere Kunden hier optimal zu unterstützen, arbeiten wir mit GBTEC, einem der führenden europäischen BPM Player in den Bereichen Process Mining und Business Intelligence, zusammen. So wird die ERP-Einführung für unsere Kunden schneller, effizienter und vor allem auch kostengünstiger.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit und wie beeinflusst die Digitalisierung diesen Trend?

Die Corona-Krise hatte mit der Beschleunigung der Digitalisierung auch positive Auswirkungen auf die Umwelt. So wurden laut dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung im ersten Halbjahr 2020 rund 1,6 Milliarden Tonnen weniger CO2 in die Atmosphäre gestoßen als im Vorjahr. Diese positiven Effekte sind aber leider nur kurzfristig. Im Vergleich dazu ist es mithilfe digitaler Technologien möglich, die Umwelt auch nachhaltig zu schonen. Die Möglichkeiten reichen hier von der automatisierten Verarbeitung von Eingangsrechnungen und dem papierlosen Büro bis hin zum Einsatz von KI, um gezielt die Energieeffizienz zu steigern.

Wie groß schätzen Sie das Problem des Fachkräftemangels für Ihr Unternehmen ein und welche Gegenmaßnahmen setzen Sie?

Der Fachkräftemangel bleibt trotz Corona in der IT-Branche bestehen bzw. wird sich weiter verschärfen, da die Unternehmen erkannt haben, dass ein hoher Grad an digitalisierten Prozessen die Resilienz gegen Krisen deutlich verbessert. Wir setzen schon seit einiger Zeit auf eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen. Durch gemeinsame Forschungsprojekte und der Teilnahme an Jobmessen gelingt es uns, junge und sehr gut ausgebildete Mitarbeiter für proALPHA zu begeistern.


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