Qualifikationsdefizite in der IT?

Laut einer aktuellen Studie ist der gern angeführte "Skills Gap" im IT-Bereich de facto nicht existent. Dass der Fachkräftemangel dennoch das Wachstum bremst, ist nicht zuletzt auf Fehler beim Recruiting zurückzuführen. [...]

Die Klage über fehlende Qualifikationen resultiert nicht selten aus mangelndem Employer Branding. (c) loufre –Pixabay
Die Klage über fehlende Qualifikationen resultiert nicht selten aus mangelndem Employer Branding. (c) loufre –Pixabay

Es gibt kaum ein Unternehmen, das nicht über den IT-Fachkräftemangel klagen würde. Oft werden Qualifikationsdefizite („Skills Gap“) ins Feld geführt, was zu der allgemeinen Ansicht führt, dass Bewerber nicht die nötigen Qualifikationen mitbringen, um die Herausforderungen der heutigen Zeit – allen voran die digitale Transformation – bewältigen zu können, was unter anderem der nicht zeitgemäßen Bildungspolitik zur Last gelegt wird.

Um diese Sicht auf den Prüfstand zu stellen, hat sich das US-amerikanische Startup-Unternehmen Enhancv 114.000 Bewerbungen angesehen und aktuellen Jobangeboten gegenübergestellt. Die Ergebnisse, die vor kurzem veröffentlicht wurden, zeigen Branchen, die tatsächlich Qualifikationsdefizite aufweisen, wie etwa im STEM-Bereich (Science, Technology, Engineering, Math) mit seinen Ingenieuren.

+Im IT-Sektor sieht es laut Enhancv jedoch ganz anders aus. Zwar gibt es deutliche Ausreißer wie etwa im Bereich Bitcoin, wo die mangelnde Qualifikation der Bewerber den Erfolgslauf bremst. Andererseits weisen die Bereiche Java- und .Net-Entwicklung eine signifikante Überqualifikation der Bewerber auf. Im Durchschnitt jedoch könne von einem Skills Gap in der IT keine Rede sein, so die zentrale Aussage der Enhancv-Studie.

Was ist dann der Grund für den aktuellen Fachkräftemangel? Laut den Markenexperten von Get the Point ist eine der Ursachen im mangelnden Arbeitgebermarketing zu suchen. „Wer meint, eine Arbeitgebermarke ließe sich auf Knopfdruck aufpolieren, ist auf dem Holzweg“, sagt Clemens Meiß, Geschäftsführer von Get the Point. Doch genau dieses Missverständnis sei bei Unternehmen verbreitet: „In vielen Fällen beobachten wir blinden Aktionismus. Unternehmen versprechen sich mit der Zauberformel Employer Branding vergeblich eine schnelle Rettung aus dem Talente-Dilemma.“ Ein weiteres Missverständnis liege darin, alles in die Kommunikation zu werfen, was in der Zielgruppe vermeintlich gewünscht werde. Wenn sich konservative Großkonzerne mit einem fröhlichen „Du“ und lustigen Happenings bei der Zielgruppe beliebt machen wollen, erzeuge dies eher Verwirrung als Zuspruch, warnen die Kölner Kommunikationsexperten.

Der 11. Unternehmertag, der gegen Ende des letzten Jahres in Wien über die Bühne gegangen ist, hat sich ebenfalls dieses Themas angenommen. Die Vorträge handelten etwa von der Bedeutung der Unternehmenskultur und der Frage, wie das sogenannte Recruitainment beim Recruiting unterstützen kann.

Die Keynote hielt der Transformationsexperte Nahed Hatahet, Vorstandsmitglied vom VÖSI, der die Schirmherrschaft des Events übernommen hatte. „Während wir früher erfolglos einen JavaScript-Entwickler ausgeschrieben haben, suchen wir heute erfolgreich Leute, die ihren Traumberuf ausüben wollen. Das ist eine ganz andere Art der Kommunikation. Der Traumberuf besteht etwa in der Entwicklung spannender Bots und zukunftsweisender KI-Lösungen. JavaScript-Fähigkeiten laufen hier nur mehr als Mittel zum Zweck, was bei den potenziellen Mitarbeitern sehr gut ankommt.“

Als weitere Maßnahme hat Nahed Hatahet, Gründer und Geschäftsführer von HATAHET productivity solutions, das Marketingkonzept von Grund auf geändert: „In der Vergangenheit haben wir uns ausschließlich auf die klassischen Karriere-Plattformen verlassen. Heute sprechen wir erfahrenes Personal vorwiegend über Facebook an, mit Instagram adressieren wir die Gen Z. Das heißt, das Marketing muss zielorientiert bereitgestellt werden. Dazu braucht es das Wissen, was sich die jeweilige Zielgruppe vom künftigen Arbeitgeber überhaupt erwartet.“ Auf diese Weise lässt sich die Klage über mögliche Qualifikationsdefizite schnell beenden.


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