Quantencomputer in der Materialentwicklung

Es ist eine interessante Kooperation: Die DLR Quantencomputing-Initiative (DLR QCI) hat die Unternehmensberatung d-fine und den Quantencomputerhersteller planqc im Rahmen des DLR QCI-Projekts QuantiCoM beauftragt, die Entwicklung neuer Materialien voranzutreiben. Durch verbesserte Simulationen hochkomplexer Materialien sollen industrierelevante Lösungen gefunden werden. [...]

Die Co-Gründer von planqc (v.l.n.r.): Johannes Zeiher, Principal Scientist, Sebastian Blatt, CTO und Alexander Glätzle, CEO. (c) Fritz Beck / planqc
Die Co-Gründer von planqc (v.l.n.r.): Johannes Zeiher, Principal Scientist, Sebastian Blatt, CTO und Alexander Glätzle, CEO. (c) Fritz Beck / planqc

Dass die Entwicklung neuer Materialien ein entscheidender Faktor für Innovationen in Industrie und Wissenschaft ist, ist ja nichts Neues. Aber mittlerweile stoßen herkömmliche Methoden zur Simulation hochkomplexer Materialeigenschaften zunehmend an ihre Grenzen. Hier setzt das DLR QCI-Projekt QuantiCoM unter der Leitung des DLR-Instituts für Werkstoff-Forschung und des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum an. Es nutzt Quantencomputer, um Entwicklungszeiten drastisch zu reduzieren und so die Identifikation neuer Materialien zu beschleunigen. Von diesen neuen Methoden sollen Materialwissenschaft, Werkstofftechnik und Industrien, wie die Luft- und Raumfahrt sowie die Automobilindustrie, profitieren.

In den Ausschreibungen für „Quanti-CoM | QALPHAD“ und „QuantiCoM | AMQS“ suchte die DLR QCI nach Auftragnehmern, um die Weiterentwicklung der Quantencomputer-gestützten Materialsimulation zu unterstützen. Den Zuschlag erhielten in beiden Fällen die international tätige, hessische Unternehmensberatung d-fine und der bayrische Quantencomputerhersteller planqc, die mit ihren Konzepten überzeugen konnten. Zur Umsetzung der Projekte holten sie sich die zusätzliche Expertise des Simulationsspezialisten ExoMatter und die fachliche Beratung durch den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus.

Gemeinsam arbeitet man an praxistauglichen Lösungen für industrielle Anwendungen, darunter die Entwicklung von leichteren Materialien für die Luft- und Raumfahrt, wodurch der Treibstoffverbrauch reduziert werden soll, aber auch von besonders widerstandsfähigen Materialien, die die Langlebigkeit von Flugzeugbauteilen erhöhen.
Sabine Matysik, Expertin für Quantum Computing und Modellierung bei d-fine, beschreibt den Nutzen: „Die Nutzung von Quantencomputern im Projekt QuantiCoM bietet uns die einzigartige Gelegenheit, komplexe Materialsimulationen durchzuführen, die nicht nur die Wissenschaft weiterbringen, sondern auch echte, praxisnahe Lösungen für die Industrie bieten.“

Auch Alexander Glätzle, CEO und Co-Founder von planqc, freut sich über die Kooperation mit d-fine und an der Arbeit am Projekt QuantiCOM. „Ob für Energiespeicher, Luft- und Raumfahrt oder Hochleistungswerkstoffe: Die beschleunigte Entwicklung neuer Materialien mithilfe von Quantencomputern wird eine Vielzahl von Innovationen auslösen, die zu Nachhaltigkeit und Wachstum beitragen“, ist Glätzle überzeugt.

QuantiCoM | QALPHAD: Materialeigenschaften präzise vorhersagen

Im Rahmen von QuantiCoM | QALPHAD wird erforscht, wie sich Materialeigenschaften durch Quantensimulationen präziser vorhersagen lassen. Ein konkreter industrierelevanter Anwendungsfall dafür ist die Optimierung von Leichtbaulegierungen für Strukturbauteile. Wie erwähnt ist in der Luft- und Raumfahrt das Gewicht der Bauteile von entscheidender Bedeutung. Leichtbaulegierungen, die hohe Festigkeit bei geringem Gewicht bieten, spielen hier eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung des Treibstoffverbrauchs. Deshalb ist die Verbesserung solcher Materialen von großer Bedeutung für die Zukunft der Luftfahrtindustrie.

Für QuantiCoM | QALPHAD wollen die an dem Projekt beteiligten Unternehmen einen Quantencomputer-gestützten Ansatz entwickeln, der auf der bewährten CALPHAD-Methode (Computer Coupling of Phase Diagrams and Thermochemistry) basiert. CALPHAD wird in der Materialwissenschaft eingesetzt, um die thermodynamischen Eigenschaften und das Phasenverhalten von Materialsystemen aus mehreren Komponenten vorherzusagen.
Bei stark korrelierten Materialien – also solchen, bei denen Elektronen stark miteinander interagieren – stößt die klassische Berechnung der Eingabedaten für die CALPHAD-Methode allerdings an ihre Grenzen. Hier kommen Quantencomputer ins Spiel: Sie haben im Prinzip einen exponentiellen Vorteil bei der Simulation solch stark korrelierter Materialen im Vergleich zu klassischen Methoden.

Zwar sind verfügbare Quantencomputer noch nicht leistungsfähig genug, um realistische Materialien vollständig zu simulieren. Doch die Kooperationspartner des Projekts setzen auf sogenannte Quantum-Embedding-Methoden, um die Stärken von Quantencomputern gezielt nutzen zu können. Dabei wird das zu simulierende Materialsystem in zwei Bereiche unterteilt: In aktiven Bereichen (active spaces) befinden sich die stark korrelierten Elektronen, deren Verhalten auf einem Quantencomputer berechnet wird, der hier sein volles Potenzial entfalten kann. Der Rest des Systems, also die Umgebung, wird weiterhin mit klassischen Computern mit ausreichender Genauigkeit berechnet.

QuantiCoM | AMQS – Wechselwirkungen von Wasser und Wasserstoff mit Metallen

Im Rahmen des zweiten Projekts, QuantiCoM | AMQS, wird untersucht, wie Quantencomputer die Wechselwirkung von Wasser und Wasserstoff mit metallischen Oberflächen besser simulieren können, um ein besseres Verständnis hierfür aufzubauen und zur Entwicklung neuer metallischer Materialien beizutragen.

Zwei zentrale Anwendungen stehen dabei im Fokus: die Verbesserung der Wasserstoffspeicherung für neue Flugzeugantriebskonzepte sowie der Korrosionsschutz für Luft- und Raumfahrtbauteile.

Wasser dient als vielseitiges Lösungsmittel, kann aber die Haltbarkeit von Materialien beeinträchtigen. Wasserstoff ist ein zentraler Energieträger und wird in vielen chemischen Prozessen eingesetzt, kann jedoch Materialien durch Wasserstoffversprödung schwächen. Mit diesem Projekt will man herausfinden, wie Schutzbeschichtungen oder Oberflächenmodifikationen die Beständigkeit von Bauteilen verbessern können, die in der Luft- und Raumfahrt extremen Umwelteinflüssen und chemischen Prozessen standhalten müssen.

Um die Eigenschaften von Metallen und die Interaktion von kleinen Molekülen an und in ihrer Oberfläche zu simulieren, müssen periodische Systeme untersucht werden. Diese können unterschiedlich groß und rechnerisch anspruchsvoll sein. Auch hier stößt die klassische Simulation von stark korrelierten Systemen an Grenzen, die mithilfe von Quantencomputern überwunden werden können.

In der Luftfahrt sind Materialien, die extremen Umwelteinflüssen und chemischen Prozessen standhalten, essenziell. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, widerstandsfähigere Materialien zu entwickeln und die Langlebigkeit von Flugzeugbauteilen entscheidend zu erhöhen.

planqc als globaler Quantencomputing-Leader vom Weltwirtschaftsforum ausgezeichnet

planqc hat sein Standing in der Quantencomputerbranche festigen können und wurde beim Quantum for Society Challenge der UpLink-Initiative des Weltwirtschaftsforums im Rahmen des World Quantum Day im saudi-arabischen Riyadh als globaler Quantencomputing-Leader ausgezeichnet. Das bayerische Unternehmen hat sich damit gegenüber 100 Unternehmen weltweit durchgesetzt.

Die Jury würdigte das Unternehmen für seine Quantencomputing-Lösungen zur Förderung einer zukunftsgerichteten und nachhaltigen Wirtschaft. Insbesonderen wurde planqc für seine Arbeit an skalierbaren Quantencomputing-Lösungen auf Basis neutraler Atome ausgezeichnet. Mit dieser Technologie können Unternehmen unter anderem ihre Lieferketten optimieren, effizientere Materialien erforschen oder neue Medikamente entwickeln.

Weitere Auszeichnungen gingen an die Startups Algorithmiq, Nomad Atomics, PlanetAI Space, Qnity, Quantasphere, Quantum Dice, Quantum Mads, Quminex und Xairos.


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