Quantencomputing entwickelt sich in raschen Schritten. Mit dabei: Europäische Startups, welche die Technologie auf die Straße bringen. Dazu kommen universitäre Einrichtungen, unter denen Innsbruck eine führende Rolle einnimmt. [...]
Ende Juli hat T-Systems mit dem finnischen Unternehmen IQM Quantum Computers eine Absichtserklärung unterzeichnet. Man will gemeinsam einen Cloud-Zugang zu den IQM-Quantensystemen zur Verfügung stellen. »Kunden der T-Systems können darüber ihr Wissen ausbauen und Anwendungsfälle auf der Quanteninfrastruktur von IQM entwickeln«, so die Ankündigung der beiden Partner. »Die Verbindung zu IQM wird in die Cloud-Landschaft der Telekom-Tochter integriert. T-Systems wird seinen Kunden außerdem spezielles Quanten-Knowhow und -Schulungen anbieten. Diese sind auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Sie können in verschiedenen Paketen zusammengestellt werden. Diese reichen von eintägigen Einführungen bis hin zu Business Case Proofs-of-Concept über mehrere Monate.«
Im März dieses Jahres hat T-Systems sein Quantum-as-a-Service (QaaS) Angebot vorgestellt. Jetzt wird das Angebot auf eine Multicloud-Quantenlandschaft ausgeweitet. »Ich freue mich, dass wir unser Quantum-Angebot ausbauen. Diese Technologie wird eine zentrale Rolle für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Europas spielen«, betont Adel Al-Saleh, Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom und Geschäftsführer von T-Systems. »Die heutige Ankündigung mit IQM bedeutet, dass unsere Kunden auf eine wirklich souveräne Quantenumgebung zugreifen können, die von Europa aus aufgebaut und verwaltet wird.«
IQM ist eigenen Angaben zufolge der europäische Marktführer im Bau von Quantencomputern. Das Unternehmen mit 250 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie Büros in Paris, Madrid, München, Singapur und Espoo bietet Quantencomputer für Supercomputing-Zentren und Forschungslabore vor Ort an. Zu den kommerziellen Quantencomputern von IQM gehören Finnlands erster kommerzieller 54-Qubit-Quantencomputer mit VTT, der HPC-Quantenbeschleuniger (Q-Exa) des von IQM geleiteten Konsortiums in Deutschland. IQM-Prozessoren werden auch im ersten Quantenbeschleuniger in Spanien eingesetzt.
Europäische Startups
In Finnland existieren neben IQM Quantum Computers weitere Startups, die sich auf diese Technologie spezialisiert haben. Dazu gehört etwa Algorithmiq, das fortschrittliche Algorithmen entwickelt, um komplexe Probleme in den Biowissenschaften mit Hilfe von Quantencomputern zu lösen, so Tamara Djurickovic von Tech.eu. Quanscient wiederum ist ein finnischer Anbieter von Cloud- und Quantencomputer-gestützter Multiphysik-Simulationstechnologie. Das 2021 gegründete Unternehmen bietet vollständig digitale F&E-Prozesse durch eine Kombination aus nativen Multiphysik-Algorithmen, fortschrittlichem Cloud-Computing und der Aussicht auf eine zukünftige Quantenintegration.
Weitere interessante europäische Startups in diesem Bereich sind laut Tech.eu Sparrow Quantum (Dänemark), PASQAL und Alice & Bob (beide Frankreich), QuantWare (Niederlande), ORCA Computing und Quantum Motion (beide Großbritannien) sowie Terra Quantum (Schweiz).
Technologiezentrum Innsbruck
Ein bekanntes österreichisches Startup-Unternehmen in Sachen Quantencomputing ist ParityQC, das 2020 in Innsbruck gegründet wurde. Es vermarktet eine Technologie, die auf einer inzwischen patentierten Idee beruht, die Quantenphysiker Wolfgang Lechner in den 2010-er Jahren gemeinsam mit Peter Zoller und Philipp Hauke an der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entwickelt hat.
Vor kurzem hat der japanische IT-Konzern NEC einen 8-Bit-Quanten-Annealer gebaut, der auf der Architektur von ParityQC basiert. Der erste Parity-Quantenchip besteht aus supraleitenden Parametron-Qubits und wird von NEC nun über die Cloud der Wissenschaft zugänglich gemacht.
Die Ausgründung des Startups erfolgte über die Transferstelle Wissenschaft – Wirtschaft – Gesellschaft der Universität Innsbruck. »Die Basiserfindung hat das Potenzial, zum Standard in der Quantencomputer-Technologie zu werden«, sagt Transferstellen-Leiterin Sara Matt. »Die Verwertung der Forschungsergebnisse über die Gründung eines Spin-offs ermöglicht es, die Technologie in Europa weiterzuentwickeln und somit maximalen Einfluss auf die Entwicklung dieser Branche zu nehmen und dabei gleichzeitig die Wertschöpfung in Europa zu halten.«
Die Universität Innsbruck nimmt schon seit längerem eine führende Rolle in der Entwicklung dieser Technologie ein. So zählt etwa der Quantenphysiker Hans Briegel, der vor kurzem den Wittgenstein-Preis erhalten hat, »zu den Pionieren im Bereich Quanteninformatik und -technologie«, so die internationale Jury. »Seine Arbeiten erlauben Berechnungen, die klassische Computer nicht leisten können. Seine Erkenntnisse spielen eine Schlüsselrolle in drei zentralen Bereichen der Quanteninformatik: die Entdeckung der messungsbasierten Quanteninformatik als Herzstück der optisch basierten Quanteninformationsverarbeitung; die Erfindung des Quantenrepeaters macht das Quanteninternet möglich; und seine Entwicklung des Quantenverstärkungslernens prägt das schnell wachsende Gebiet der künstlichen Quantenintelligenz. Mit dem FWF-Wittgenstein-Preis an Hans J. Briegel ehrt Österreich einen seiner aktivsten und kreativsten Forschenden in einem Bereich, in dem Österreich eine führende Rolle einnimmt.«
Briegel ist Professor und Leiter der Forschungsgruppe »Quantum Information and Computation« am Institut für Theoretische Physik an der Universität Innsbruck. Seine Arbeitsgruppe erforscht grundlegende Konzepte der Quantenmechanik und der statistischen Physik sowie deren Anwendungen für die Informationsverarbeitung. Von ihm stammen wegweisende Arbeiten in den Bereichen Quantencomputer und Quantenkommunikation, so die Informationen der Universität Innsbruck. Briegel ist einer der Erfinder des Einweg-Quantencomputers, an dessen Realisierung heute mehrere Unternehmen weltweit arbeiten. Mit der Idee für Quantenrepeater hat er gemeinsam mit Kollegen der Universität Innsbruck die Basis für ein zukünftiges Quanten-Internet gelegt. Seine aktuelle Forschungsinteressen konzentrieren sich auf das Problem des Lernens und der künstlichen Intelligenz in der Quantenphysik und auf quantenmaschinelles Lernen.
Quantenrepeater
Den ersten Vorschlag dafür, wie Quanteninformation mit Hilfe von Quantenrepeatern über große Distanzen übertragen werden kann, machten Innsbrucker Physiker bereits vor einem Vierteljahrhundert.
Hintergrund: Quantennetzwerke verbinden Quantenprozessoren oder Quantensensoren miteinander. Dies ermöglicht absolut abhörsichere Kommunikation und leistungsstarke verteilte Sensornetzwerke. Dabei wird die Quanteninformation mittels Photonen über Glasfaserleitungen zwischen den Knotenpunkten des Netzwerkes ausgetauscht. Über große Distanzen steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass Photonen verloren gehen. Weil Quanteninformation nicht einfach kopiert und verstärkt werden kann, haben Hans-Jürgen Briegel, Wolfgang Dür, Juan Ignacio Cirac und Peter Zoller vor 25 Jahren an der Universität Innsbruck dafür Quantenrepeater (Quanten-Umsetzer) vorgeschlagen. Diese verfügen über Licht-Materie-Verschränkungsquellen und Speicher zur Erzeugung von Verschränkung auf unabhängigen Netzwerkverbindungen. Diese werden durch einen sogenannten Verschränkungstausch miteinander verbunden. Auf diese Weise wird die Verschränkung über große Entfernungen verteilt.
Nun ist es Quantenphysikern am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck gelungen, den grundlegenden Baustein von Quantenrepeatern zu bauen: ein voll funktionsfähiger Netzknoten, der die Verschränkungserzeugung mit einem Photon der Standardfrequenz des Telekommunikationsnetzes und Operationen für den Verschränkungstausch ermöglicht, so die Informationen der Uni Innsbruck. Die Repeater-Knoten bestehen aus zwei in einer Ionenfalle gefangenen Kalzium-Ionen in einem optischen Resonator sowie einem Umwandler für einzelne Photonen in die Telekomfrequenz. Die Wissenschaftler demonstrierten damit die Übertragung von Quanteninformation über eine 50 Kilometer lange Glasfaser, wobei der Quantenrepeater genau in der Mitte zwischen Anfangs- und Endpunkt angebracht war. Mit Berechnungen konnten die Forscher auch zeigen, welche Systemverbesserungen noch notwendig sind, um mit dem gleichen Konzept eine Übertragung über 800 Kilometer möglich zu machen, was es erlauben würde, Innsbruck mit Wien zu verbinden.
Quantum Austria
Unter der Bezeichnung »Quantum Austria« soll Österreich in den Genuss der Vorreiterrolle in der europäischen Quantumforschung kommen. Finanziert wird die Initiative aus Mitteln des europäischen Wiederaufbau- und Resilienzfonds unter dem Label »NextGenerationEU«. Seit Beginn der Förderinitiative hat das FWF im Bereich der universitären Grundlagenforschung 23 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 7,8 Millionen Euro bewilligt (Stand Mai 2023). Die aktuellen fünf Förderzusagen, im Umfang von 2,1 Millionen Euro gehen an die Technische Universität Wien, die Johannes Kepler Universität Linz und an die Universität Wien. So erforscht das Projekt »SiCC! Quantum light« an der Johannes Kepler Universität Linz neue Möglichkeiten, Lichtquellen exakter als bisher zu positionieren, um dadurch die für die Quantentechnologie relevanten optischen Bauelemente effizienter mit anderen Komponenten verknüpfen zu können.
Beim Forschungsprojekt »Strongly correlated Quantum Fields out of equilibrium« an der Technischen Universität Wien geht es um die Nichtgleichgewichtsdynamik von stark korrelierten Quantensystemen und Quantensimulatoren.
Die Forscher des Projekts »Large-Scale Coupled Cluster Calculations for Real Materials« entwickeln an der Technischen Universität Wien effizientere und kostengünstigere Algorithmen zur Modellierung von Quantenphänomen in Materialien, mit dem Ziel die Grenzen des Machbaren auf Supercomputern deutlich zu verschieben. Ein weiterer Meilenstein ist das F&E-Infrastrukturprojekt QACI der Universität Innsbruck, das unter anderem die Beschaffung des Quantencomputers und die Schnittstelle zu dem ebenfalls in der Initiative Quantum Austria geförderten High-Performance Computer MUSICA beinhaltet. Es soll eine vollintegrierte, hybride Infrastruktur für Quanten- und High-Performance-Computing entstehen, die z.B. die Ausführung von hybriden Quantenalgorithmen ermöglicht.
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