Rechenzentrums-Infrastruktur-Titan

Was passiert, wenn Dell EMC übernimmt? Ein Rechenzentrums-Infrastruktur-Titan entsteht. Die Analysten von Forrester erklären, wo die Überlappungen in den Produktpaletten liegen und worauf sich Kunden der beiden Unternehmen einstellen sollten. [...]

Für den Hightech-Sektor ist es ein Rekord: 67 Milliarden Dollar oder 33,15 Dollar je Anteil wollen Dell, sein Großinvestor Silver Lake, die Private-Equity-Firma MSD Capital und Temasek, eine staatlich geführte Beteiligungsgesellschaft aus Singapur, für 70 Prozent der EMC-Anteile zahlen. Silver Lake hatte Dell anfang 2013 beim Buyout und der Sanierung unterstützt. EMC ist nicht nur Marktführer im Storage-Business, das Unternehmen hat eine Reihe von Firmen im Portfolio, die heute die sogenannte EMC Federation ausmachen. Allein der Virtualisierungsspezialist VMware, an dem EMC 81 Prozent der Anteile hält, wird an der Börse mit knapp 30 Milliarden Dollar Marktwert gehandelt. Medienberichten zufolge werden Dell und Silver Lake rund 40 Milliarden Dollar von Banken brauchen, um die Transaktion zu schultern. CEO soll Michael Dell werden, während sich der inzwischen 68-jährige EMC-Chef Joe Tucci in den Ruhestand zurückzieht.

INFRATSRUKTUR-TITAN

Forrester Research hat sich in den vergangenen Tagen mit den Chancen und Risiken eines Zusammengehens von Dell und EMC beschäftigt. Die Analysten glauben, es entstehe „ein Rechenzentrums-Infrastruktur-Titan“, bei dem Dell seine x86-Server, EMC seine Stärke im Storage-Segment und VMware sein Virtualisierungs- und Software-Defined-Networking-Portfolio (SDN) einbringe. Dieser Legacy-Markt, der weniger die Cloud-Provider als Privatunternehmen adressiere, bleibe von Bedeutung. Dell konkurriert hier vor allem mit Cisco, HP, Huawei und Lenovo. Sorgen machen sich die Analysten eher um Dells Position im Public-Cloud-Markt. Zwar gebe es mit VMwares vCloud Air und EMCs Zukauf Virtustream ein Angebot, aber Dell habe noch nicht erklärt, ob und wie diese Welten integriert werden können. Deshalb werde Dell wohl eher einen geringen Einfluss auf den Zukunftsmarkt Public Cloud haben.

Beide Parteien bringen große IT-Security-Assets mit, geben sich aber eine Blöße im Segment Cloud-Sicherheit. Dell hatte mit Quest Software und SecureWorks zwei einschlägige Anbieter zugekauft, EMC sich mit RSA verstärkt. Größere Überlappungen gibt es vor allem im Bereich Identity und Access Management (IAM). Ansonsten passen die Portfolien gut zusammen, meint Forrester. Beide Unternehmen seien allerdings in der Vergangenheit dadurch aufgefallen, ihre Assets via „Cloud Washing“ aufwerten zu wollen. In Wirklichkeit hätten sie keine nativen Public-Cloud-Sicherheitslösungen zu bieten. Tatsächlich komme das beste Cloud-Sicherheitsangebot von VMware: Die SDN-Technologie NSX implementiere die von Forrester im Security-Modell Zero Trust definierten Vorgaben in Sachen Verschlüsselung und Segmentierung am besten. Ob und wie Dell diese Assets auch für Public-Cloud-Umgebungen bereitstellen werde, sei allerdings unklar.

Eine der wichtigsten Fragen wird sein, ob EMC seinen Federation-Ansatz unter Michael Dells Führung aufgeben wird. Forrester sagt, EMCs Bündelung verschiedener Unternehmen unter einem Dach sei gescheitert, sie habe Kunden und Investoren irritiert. Vor allem die Cloud-Kunden beanspruchten eine tiefere Integration des Produktangebots, um Entwickler und Endkunden schnell bedienen zu können. Die Analysten glauben, Dell werde sich jedes Unternehmen im Verbund genau ansehen und es entweder integrieren oder im Rahmen eines Spinoffs relativ bald verselbständigen.

ENDE FÜR VCE

Keine Chance gibt Forrester dem auf Converged Infrastructure konzentrierten Joint Venture VCE. EMC hatte das Unternehmen im Jahr 2009 gemeinsam mit Cisco und VMware gegründet. Cisco brachte seine Server-Netzwerk-Plattform Unified Computing System ein, EMC seine Speicher- und VMware seine Virtualisierungstechnik, um unter dem Namen vBlock konvergente Systeme zu vermarkten. Ein sehr erfolgreicher Ansatz – zeitweilig wurde ein Umsatzvolumen von einer Milliarde Dollar jährlich erreicht. Forrester hält die Lösung für gelungen, sie mache Anwendern das Data Center Management deutlich leichter. Allerdings sei der Preis zu hoch. Außerdem waren sich EMC und Cisco im Storage- und im Networking-Geschäft durch Übernahmen gegenseitig in die Quere gekommen. So hatte VMware den SDN-Spezialisten Nicira geschluckt, auf den es auch Cisco abgesehen hatte. Die Interessenskonflikte führten schließlich zum Bruch in der VCE-Allianz und zu einem weitgehenden Ausstieg von Cisco. Forrester erwartet nun, dass Dell das VCE-Abenteuer schnell beenden wird, zumal Dell selbst Converged-Infrastructure-Lösungen anbietet.

WAS WIRD AUS VMWARE

Die Marktkapitalisierung von VMware liegt bei knapp 30 Milliarden Dollar. Dell finanziert die Übernahme von EMC zum Teil damit, VMware-Anteile zu verkaufen, um so die Schuldenlast ein wenig einzuschränken. VMware ist aber laut Forrester die Wachstumsmaschine im EMC-Konglomerat. Ohne VMware müsste sich Dell weitgehend aus dem Cloud Business verabschieden und sich auf den Verkauf von Premium-Hardware konzentrieren. In einem zunehmend standardisierten und schrumpfenden Markt für Enterprise Equipment wäre das eine gewagte Strategie. Deshalb ist zu erwarten, dass Dell zumindest die Kontrollmehrheit an VMware halten wird.

Was sollten Kunden jetzt tun? Wer auch in Zukunft VMware-Lösungen einsetzen will, sollte sich laut Forrester gedanklich darauf vorbereiten, zunehmend auch mit Dell-Produkten zu tun zu bekommen. Behält Dell die Kontrolle über VMware, dürfte das zu Konflikten mit VMware-Partnern wie Cisco, IBM oder HP führen. Forrester fürchtet, dass VMware nicht agnostisch bleiben kann und binnen zwei Jahren weitestgehend von Dell assimiliert wird. Wer konvergente Private-Cloud-Infrastruktur benötigt, sollte Dell auf die Shortlist setzen. Das Unternehmen wird zusammen mit VMware verstärkt auf solche Produkte setzen. Mit Migrationsszenarien sollte sich beschäftigen, wer massiv in IAM-Produkte wie Dell Cloud Access Manager, Dell Defender, RSA Via Access oder RSA Federated Identity Manager investiert hat. So glaubt Forrester, dass Dell Cloud Access Manager den RSA Federated Identity Manager mittelfristig ersetzen wird. Binnen 18 bis 24 Monaten werde Dell sein Security Equipment voraussichtlich neu geordnet haben. (idg/oli)


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