Der Weg zum digitalen Arbeitsplatz kann ein steiniger sein, meint Nahed Hatahet, Geschäftsführer von HATAHET productivity solutions. Die Gründe sind unter anderem die durch die Industrie verursachte Komplexität und der aktuelle Beratermarkt. [...]
Der digitale Arbeitsplatz liefert mir auf Basis meiner Position im Unternehmen genau jene Informationen, die ich brauche, um meinen Arbeitsalltag zu meistern. Egal wo, egal wann. Was nicht benötigt wird, sollte reduziert werden, ein Aspekt, auf den meistens vergessen wird. Der Arbeitsplatz der Zukunft bietet zudem ein selbsterklärendes User Interface, damit ich intuitiv, ohne Schulungen arbeiten kann.
Die Industrie hat immer das Ziel gehabt, Tools zu entwickeln, welche die Dinge vereinfachen. Das ist eine Zeit lang gut gegangen. Doch heute steht jeder einzelne Mitarbeiter vor folgender Frage: Welches von diesen vielen Tools, die im Unternehmen in der Regel zur Verfügung stehen, muss ich nutzen, um bestimmte Informationen in der gewünschten Form zu bekommen? Das Problem ist, dass der Mitarbeiter das wissen muss. Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein, die Information sollte wissen, zu wem sie in welcher Form gehört.
Das heißt: Um den digitalen Arbeitsplatz zu schaffen, muss ich die Komplexität der Tools im Backend reduzieren. Ebenso braucht es eine Ebene mit Künstlicher Intelligenz, Bots oder Programmierroutinen, welche die Applikationen langfristig in den Hintergrund schieben und nur die relevanten Informationen automatisiert an das Frontend liefern. Das heute unumgängliche Wissen, welche Applikation ich brauche, um eine bestimmte Information zu bekommen, löst sich also im digitalen Arbeitsplatz auf.
Die Softwareindustrie ist overengineered. Sie bietet so viele Funktionen, die ein Mensch ohne Schulung gar nicht verarbeiten kann. Das ist so, als würde man jemandem, der eine einfache Einkaufsfahrt vorhat, einen Formel-1-Wagen mit 40 Knöpfen am Lenkrad hinstellen. Dazu kommt, dass Unternehmen vielleicht 20 verschiedene Aufgabenmanagement-Tools im Einsatz haben, von denen jedes irgendetwas besonders gut kann. Sinnvoller wäre es, auch hier das Prinzip der Reduktion anzuwenden und sich für ein Tool zu entscheiden, das wahrscheinlich nicht alles perfekt kann, mit dem sich aber arbeiten lässt. Diese Art von Reduktion ist aus meiner Sicht eine Voraussetzung für den erfolgreichen digitalen Wandel.
Ein wesentlicher Punkt ist, dass viele Berater den Wandel noch nicht verstanden haben. Das bedeutet, dass man Consulter ins Haus holt, die in den letzten Jahren nichts anderes gemacht haben, als Tools zu positionieren. Ein weiterer Grund ist, dass Beratungsfirmen entweder highend beraten, ohne zu verstehen, wie die Tools funktionieren. Das heißt, ich bekomme als Kunde bestenfalls eine geniale Strategie, die sich aber nicht umsetzen lässt. Auf der anderen Seite sind jene Beratungsfirmen, die technologisch beraten, denen aber das strategische Element fehlt.
Ich habe mich zunehmend mit der Frage beschäftigt, warum Lösungen, auch wenn sie technisch noch so gut sind, nicht in dem Maße genutzt werden, wie es zu erwarten wäre. Die Antwort: Es passiert, wenn man sich nur auf die Technologie konzentriert. Als Folge habe ich mein Unternehmen so verändert, dass ich zwar nach wie vor das gleiche Ziel verfolge – der Kunde soll meine Lösungen nutzen – aber das mit einer anderen Strategie: Ich sehe heute Technik nur als Mittel zum Zweck. Man braucht zwar eine goldene Lösung, aber viel mehr geht es darum, wie man diese Lösung in der Organisation verankert.
Ich verstehe unter digitalem Wandel weniger die Digitalisierung durch die IT, sondern viel mehr die Verwandlung der Kultur in eine digitale. Dabei geht es um die Arbeitskultur, nicht die grundsätzliche Kultur. Ein Wiener Kaffeehaus braucht keine Online-Bestellung, darunter würde die Wiener Kaffeehauskultur leiden. Aber genau das plant die Industrie: Sie will, dass man hier in Zukunft mit dem Smartphone bestellt. Ich meine viel mehr den Wandel der Arbeitsweise: Das umfasst einen Tool-Wandel und einen Begleitprozess, damit die Menschen verstehen, warum ein Tool einen Mehrwert darstellt und warum sie damit schneller und effizienter arbeiten können. Das Vermitteln des Grundverständnisses muss man mit internem Marketing und Kommunikation begleiten.
Er sollte gleichzeitig stattfinden. Mein Beratungskonzept der Zukunft könnte ich mir so vorstellen: Ich würde mir wünschen, bei meinen Kunden inkognito ein bis zwei Monate zu arbeiten, um die Arbeitsweisen kennenzulernen – nicht die Prozesse, sondern die Menschen, die damit verbunden sind. Das wäre für mich eine ideale Ist-Analyse. Auf dieser Basis könnte man ein maßgeschneidertes, individuelles Beratungskonzept schaffen.
Die richtigen Personen an den richtigen Positionen. Grundvoraussetzung ist die gute Zusammenarbeit mit der IT, damit die Lösung optimal zur Verfügung gestellt werden kann. Das haben wir aber auch schon vor 20 Jahren gemacht. Heute kommt internes Marketing hinzu, um klar zu kommunizieren, was wir vorhaben. Aufklärungsarbeit ist extrem wichtig.
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