Reparieren statt wegwerfen

Sogenannte »refurbished« Produkte sind eine interessante Alternative zu einem Neuprodukt und werden in Österreich von Privatanwendern und Unternehmen verstärkt nachgefragt. Kein Wunder: Sie sind günstig und helfen, CO2-Emissionen einzusparen. [...]

Das Gründertrio von refurbed.at: Jürgen Riedl, Peter Windischhofer und Kilian Kaminski. (c) refurbed/Alex Gotter

Amazon tut es seit 2016, die Elektronikhändler Cyberport und Conrad Electronic tun es neuerdings ebenfalls und Apple hat es fast immer schon getan – sie alle verkaufen »refurbished« Produkte, also generalüberholte Produkte, die üblicherweise mit 14-Tage-Rückgaberecht und wie Neuware mit einjähriger Garantie verkauft werden. In Österreich hat sich zudem mit dem 2017 gegründeten Unternehmen refurbed.at eine Platform etabliert, die sich auf den Verkauf von generalüberholten Produkten spezialisiert hat. Doch was sind Refurbished-Produkte eigentlich?

Was heisst »refurbished«?

Die Begriffe »refurbished« oder »generalüberholt« sind keine markenrechtlich geschützte Begriffe und können von jedem verwendet werden, wie er will – und dementsprechend unterschiedlich sind die Qualitätsstandards der Anbieter. Diese sind üblicherweise Händler oder Hersteller. Bei Ebay heißt es aufpassen, da dort zwischen »Vom Hersteller generalüberholt« und »Vom Verkäufer generalüberholt« unterschieden wird. Im letzteren Fall wird die Bandbreite des Bedeutungsspielraums großzügig ausgereizt, dementsprechend groß ist das Risiko für den Käufer.

Dessen ungeachtet verstehen seriöse Anbieter unter einem »refurbished« Produkt Geräte, die ein Hersteller oder Händler generalüberholt, gereinigt und geprüft hat. Technisch funktionieren diese Geräte wie Neuware, weswegen sie auch als »neuwertig« oder »so gut wie neu« bezeichnet werden, beispielsweise von Refurbished.at oder Amazon. Zudem spielt der optische Eindruck eine Rolle: So beschreibt Amazon den »So-gut-wie-neu«-Zustand der von ihm als »Amazon renewed« angebotenen generalüberholten Produkte damit, dass keine sichtbaren kosmetischen Fehler auf rund 30 Zentimeter Entfernung sichtbar seien.
Andere Hersteller treffen Unterscheidungen in A- und B-Ware. Auch hier ist die technische Funtkionsweise bei Produkten beider Kategorien einwandfrei gewährleistet, bei der B-Ware sind jedoch eindeutig Gebrauchsspuren zu sehen.

Der Pool an Geräten, die sich wieder aufbereiten und verkaufen lassen, ist groß. Üblicherweise stammen viele der als refurbished angebotenen Geräte aus Leasingrückläufen oder von Unternehmen, die ihre Geräte nach drei bis fünf Jahren generell austauschen. Da in Business-Geräten eher hochwertige und langlebige Komponenten verbaut werden, stellt die weitere Nutzung der Produkte kein Problem dar. Refurbished Geräte können auch Demoware sein, die auf Messen oder im Geschäft ausgestellt war oder Geräte aus einer Insolvenzmasse. Last but not least können refurbished Geräte auch neue und originalverpackte Geräte sein, die mitunter schon länger auf Lager liegen. Doch auch hier werden von seriösen Anbietern die Geräte geprüft und gegebenenfalls Komponenten ausgetauscht (beispielsweise der Akku), um als generalüberholte beziehungsweise refurbished Produkte mit Garantie und Rückgaberecht verkauft werden zu können.

Konkret wird ein als refurbished angepriesenes Produkt innen und außen gereinigt sowie alle eventuell vorhandenen Daten professionell gelöscht. Die Hardware wird intensiv getestet, defekte Komponenten ausgetauscht oder repariert. Zuguter Letzt wird ein neues Betriebssystem und etwaige Software – alles mit gültiger Lizenz – installiert.

Das zeigt sehr gut den Unterschied zu Gebrauchtgeräten, die zwar günstiger sein mögen, aber bei weitem nicht diesen konsequenten Instandsetzungsprozess erfahren, geschweige denn mit einer einjährigen Garantieleistung oder gesetzlichem Widerrufsrecht von 14 Tagen aufwarten können. Natürlich gibt es auch am Gebrauchtmarkt immer wieder kaum verwendete Geräte und echte Schnäppchen. Der Vorteil von generalüberholter Ware ist aber auch, dass sie bei den meisten Anbietern nicht nur als Einzelstück, sondern auch als Palettenware erhältlich ist, was natürlich speziell für Unternehmen interessant ist.

Günstig und umweltfreundlich

Mit einem generalüberholten Gerät erwerben sowohl Unternehmer als auch Privatkunden neuwertige Geräte, die im Vergleich zu Neuware um 30 bis 50 Prozent billiger sind. Nach Ansicht der Wirtschaftskammer profitieren nicht nur die Kunden, sondern auch die Händler von refurbished Geräten, Händler-Margen bis zu 30 Prozent sind laut WKO möglich. Im Unternehmensgeschäft können können generalüberholte Geräte für kleinere Händler in 20 bis 30 Prozent der Anfragen eine Alternative sein. Denn bei kostensensitiven Projekten, im Non-Profit-Bereich oder für Gründer könne bei einer Ausstattung mit gebrauchten, aber generalüberholten Markengeräten ein erheblich günstigeres Angebot gelegt werden. Bei niedrigerem Umsatz sei der Ertrag aus dem Hardwareverkauf (in absoluten Zahlen) für den Händler zumindest gleich hoch wie bei einem Neuverkauf, so die WKO-Experten.
Positiv und für manche ein wichtiges Kaufargument ist der Umweltaspekt: Indem die Geräte nicht entsorgt, sondern repariert und sogar aufgerüstet werden, sind sie um 50 bis 100 Prozent länger nutzbar.

In Österreich ist das Wiener Startup refurbed.at eine der bekanntesten Webadressen, wenn es um generalüberholte GreenTech geht. Gegründet wurde das Unternehmen 2017 als Drei-Mann-Unternehmen im Wohnzimmer des Mitgründers Peter Windischhofer, einem Consultant bei McKinsey & Company mit großer Expertise im E-Commerce-Bereich, gemeinsam mit Kilian Kaminski, dem ehemaligen Leiter des Refurbished Products Program und New Key Account Manager bei Amazon Deutschland und Jürgen Riedl, Gründer und technischer Leiter mehrerer internationaler Startups. Mittlerweile beschäftigt man mehr als 80 Mitarbeiter im Wiener Büro und hat bereits über 150.000 Kunden. Im Vergleich zu 2018 hat sich der Umsatz im Jahr 2019 mit mehr als 40 Millionen Euro Außen-Umsatz (Gross Merchandise Volume, kurz GMV) verfünffacht. Da die Nachfrage von Anfang an sehr gut war, expandierte das Unternehmen mittlerweile auch nach Deutschland, Polen und 2018 nach Italien. Service (man bietet z.B. eine 30-tägige Testphase statt der14-tägigen Rückgabefrist) und vor allem Nachhaltigkeit werden bei refurbished groß geschrieben. »Unsere Mission ist es, ein refurbed-Produkt in jeden Haushalt in Europa zu bringen und unsere Konsumgesellschaft nachhaltig zu verändern«, erklärt Peter Windischhofer. Dank einer positiv abgeschlossenen Series-A-Finanzierungsrunde mit einem Investment in der beeindruckenden Höhe von 15,6 Millionen Euro im März dieses Jahres ist man diesem Ziel einen beträchtlichen Schritt näher gekommen.

Die österreichische Alternative: refurbed.at

Nachhaltige Produkte würden in ganz Europa verstärkt nachgefragt, beobachtet Kilian Kaminski den Markt. Die vollständig erneuerten Produkte von refurbed sind genau dies: eine nachhaltige und ökologische Alternative zu umweltbelastenden neuen elektronischen Geräten und ein wichtiger Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft, der CO2-Emissionen einspart und den Verbrauch wertvoller Ressourcen reduziert. Deswegen beschreibt Kaminski das eigene Geschäftsmodell als Win-Win-Situation: »Weniger Elektroschrott für die Umwelt und mehr Qualitätsprodukte zu günstigem Preis für die Kundinnen und Kunden«.
Übrigens pflanzt refurbed.at für jedes verkaufte Produkt einen Baum. Bisher wurden über 200.000 Stück eingesetzt.


Mehr Artikel

Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Roswitha Bachbauer (CANCOM Austria), Thomas Boll (Boll Engineering AG), Manfred Weiss (ITWelt.at) und Udo Schneider (Trend Micro). (c) timeline/Rudi Handl
News

Security in der NIS2-Ära

NIS2 ist mehr ein organisatorisches Thema als ein technisches. Und: Von der Richtlinie sind via Lieferketten wesentlich mehr Unternehmen betroffen als ursprünglich geplant, womit das Sicherheitsniveau auf breiter Basis gehoben wird. Beim ITWelt.at Roundtable diskutierten drei IT-Experten und -Expertinnen über die Herausforderungen und Chancen von NIS2. […]

Christoph Mutz, Senior Product Marketing Manager, AME, Western Digital (c) AME Western Digital
Interview

Speicherlösungen für Autos von morgen

Autos sind fahrende Computer. Sie werden immer intelligenter und generieren dabei jede Menge Daten. Damit gewinnen auch hochwertige Speicherlösungen im Fahrzeug an Bedeutung. Christoph Mutz von Western Digital verrät im Interview, welche Speicherherausforderungen auf Autohersteller und -zulieferer zukommen. […]

Andreas Schoder ist Leiter Cloud & Managend Services bei next layer, Alexandros Osyos ist Senior Produkt Manager bei next layer. (c) next layer
Interview

Fokus auf österreichische Kunden

Der österreichische Backup-Experte next layer bietet umfassendes Cloud-Backup in seinen Wiener Rechenzentren. Im Interview mit ITWelt.at erläutern Andreas Schoder, Leiter Cloud & Managed Services, und Alexandros Osyos, Senior Produkt Manager, worauf Unternehmen beim Backup achten müssen und welche Produkte und Dienstleistungen next layer bietet. […]

Miro Mitrovic ist Area Vice President für die DACH-Region bei Proofpoint.(c) Proofpoint
Kommentar

Die Achillesferse der Cybersicherheit

Eine immer größere Abhängigkeit von Cloud-Technologien, eine massenhaft mobil arbeitende Belegschaft und große Mengen von Cyberangreifern mit KI-Technologien haben im abgelaufenen Jahr einen wahrhaften Sturm aufziehen lassen, dem sich CISOS ausgesetzt sehen. Eine große Schwachstelle ist dabei der Mensch, meint Miro Mitrovic, Area Vice President DACH bei Proofpoint. […]

Brian Wrozek, Principal Analyst bei Forrester (c) Forrester
Interview

Cybersicherheit in der Ära von KI und Cloud

Die Bedrohungslandschaft im Bereich der Cybersicherheit hat sich zu einer unbeständigen Mischung von Bedrohungen entwickelt, die durch zunehmende Unsicherheit und steigende Komplexität bedingt ist. Zu diesem Schluss kommt der Report »Top Cyber-security Threats In 2024« von Forrester. ITWelt.at hat dazu mit Studienautor Brian Wrozek ein Interview geführt. […]

Alexander Graf ist Geschäftsführer der Antares-NetlogiX Netzwerkberatung GmbH. (c) Antares-NetlogiX Netzwerkberatung GmbH
Interview

Absicherung kritischer Infrastrukturen

NIS2 steht vor der Tür – höchste Zeit, entsprechende Maßnahmen auch im Bereich der Operational Technology (OT) zu ergreifen. »Wenn man OT SIEM richtig nutzt, sichert es kritische Infrastrukturen verlässlich ab«, sagt Alexander Graf, Experte für OT-Security (COSP) und Geschäftsführer der Antares-NetlogiX Netzwerkberatung GmbH, im ITWelt.at-Interview. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*