Roundtable: Das volle Potenzial von ERP & CRM ausschöpfen

Die Art und Weise, wie Unternehmen ERP- und CRM-Systeme nutzen, verändert sich. Fachkräftemangel, Kostendruck, unterbrochene Lieferketten und gesetzliche Auflagen sind Herausforderungen, die Unternehmen zu bewältigen haben. Im Round Table diskutieren Experten, was Unternehmen tun können, um diesen Anforderungen (besser) gewachsen zu sein und wie KI dabei hilft. [...]

Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Thorsten Menslin (Kreuzbauer IT), Gregor Schmid (KUMAVISION), Eduard Richert (proAlpha), David Appel (COSMO CONSULT), Johannes Preiß, (All for One Austria), Christian Leopoldseder (Asseco Solutions) und Klaus Lorbeer (ITWelt.at).(c) timeline/Rudi Handl
Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Thorsten Menslin (Kreuzbauer IT), Gregor Schmid (KUMAVISION), Eduard Richert (proAlpha), David Appel (COSMO CONSULT), Johannes Preiß, (All for One Austria), Christian Leopoldseder (Asseco Solutions) und Klaus Lorbeer (ITWelt.at).(c) timeline/Rudi Handl

„Nichts ist so beständig wie der Wandel“ – diese Worte Heraklits haben heute genauso Gültigkeit wie vor rund 2.500 Jahren als der griechische Philosoph sie niederschrieb. DieAussage gilt zwar für alle Lebensbereiche – in der IT sind jedoch häufige und schnelle Veränderungen durch neuentwickelte Technologien ein wesentlicher Faktor. Dementsprechend sind Schnelligkeit und Flexibilität auch im ERP- und CRM-Bereich unbedingt benötigte Eigenschaften. Wer mit entsprechenden Softwarelösungen das volle Potenzial für sein Unternehmen herausholen will, der muss die neuesten Technologien implementieren. Welche das sind, diskutierten sechs ERP- und CRM-Experten beim ITWelt.at-Roundtable, der in den Räumen von All for one Austria im zweiten Wiener Gemendebezirk stattfand.

David Appel, Head of Product Management, Cosmo Consult. „Die klassischen großen ERP-Projekte, die
wir noch vor 10 Jahren hatten und die sich
über 5 Jahre ziehen, gibt es nicht mehr.
Heute sehen wir sehr viele kleinere
Projekte, speziell wenn wir jetzt den
Mittelstand betrachten. Als Cosmo merken
wir, dass Unternehmen schnell einmal
bereit sind, mit kleinen Teilen live zu
gehen.“  (c) timeline/Rudi Handl

Wenn man den Einsatz neuer Technologien vermitteln will, ist es zunächst ratsam, sich ein Bild von der Ausgangslage zu machen, also wie weit die Digitalisierung in österreichischen mittelständischen Unternehmen bereits fotgeschritten ist und wie es um digitale Kompetenzen in heimischen Betrieben bestellt ist.

Johannes Preiß, Senior Director Sales bei All for one Austria, beobachtet von der Warte eines internationalen IT-Beratungs und Service-Providers mit Fokus auf SAP-Lösungen, eine gewisse Zurückhaltung österreichischer Betriebe hinsichtlich Cloud-Technologie. Zwar müsse man die Betriebe mittlerweile weniger davon überzeugen, dass Cloud die Zukunft sei, so Preiß, doch beim Wechsel von der alten, auslaufenden Software auf eine neue, beobacht er, dass Kunden mitunter ein bisschen zu lange warten: „Dabei gibt es neue Austausch-Produkte und die Frage ist zukünftig nicht mehr, ob die Unternehmen einen Softwarechange machen, sondern wann der richtige Zeitpunkt für eine Conversion ist.“ Die Herausforderung seien die mangelnden Ressourcen.

Positiv sei, so Preiß, dass bei den Cloud-Lösungen von SAP bereits viel Best Practices im Standard hinterlegt seien, wodurch auch kleineren Unternehmen der Zugang zu vielfach erprobten Prozessen gewährt werde, die auf über Jahre hinweg aufgebautes Knowhow des Herstellers basieren.

Zurück zum Standard

Gregor Schmid, Projektcenterleiter, 
Kumavision: „Es wird alles noch
schnelllebiger und noch volatiler. So wie
die Kunden früher hochindividualisiert sein
wollten, weil sie ihren Kern herausbilden
wollten, auch innerhalb der Software, so
streben Kunden heute schnell nach
Lösungen und schnell nach fertigen
Produkten. (c) timeline/Rudi Handl

Auch Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, sieht die Unternehmen vor einem riesigen Technologiewandel stehen, der „wiederum Angst und Vorsicht erzeugt“. Dennoch sei es wichtig und notwendig, on-Premise-Lsöungen in die Cloud zu bringen. Das Thema der mangelnden Ressourcen, Schmid erwähnt vor allem die Mitarbeiterfluktuation, werde zudem auch immer größer. Klar sei, das alles schnellllebiger und volatiler werde. Die Zeit, die früher für ein Projekt zur Verfügung stand, habe man heute nicht mehr. Schmid bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „So wie die Kunden früher hochindividualisiert sein wollten, weil sie ihren Kern auch innerhalb der Software herausbilden wollten, so streben sie jetzt schnell nach Lösungen und nach fertigen Produkten.“

Im täglichen Leben seien Menschen gewohnt für eine Anwendung eine App auf dem Handy zu verwenden und für eine andere Anwendungen eine andere Applikation, beschreibt Eduard Richert, Vertriebsleiter für Bestandskunden in Deutschland von proAlpha, den Umgang mit Technologie im Alltag. Demgegenüber gehe es im Bereich ERP und Business Applications darum, dass „alles zusammenfließt, dass Prozesse integriert laufen, dass die Daten zentral zur Verfügung stehen und dass gerade da, wo ich bin, der gesamte Kontext auch verfügbar ist“. Das sei eine Herausforderung, noch dazu, wo es jede Menge Standards gebe. Es gelte, so Richert, den individuellen Bedarf zu decken, ohne dabei aber Insellösungen zu schaffen. „Es muss alles ein zentraler Datenstamm sein. Nur so haben wir die Möglichkeit, die ganze Individualisierung zu reduzieren und über Konfigurationen Kunden dahin zu bringen, dass sie Standardprozesse nutzen können – etwa beim Weg in die Cloud“, sagt Richert und fügt hinzu: „Es ist nicht mehr so, dass die Kunden auf höchste Individualität bestehen. Sie fordern vielmehr einen Standard, etwa über Industrie-Templates, die aber möglichst genau passen müssen.“ Das überrascht auf den ersten Blick, aber für Kunden müsse es nicht unbedingt 100 Prozent so sein, wie sie es sich vorstellen. Dass die Software on-premise im Serverraum des Kunden laufe, sei auch keine zwingende Vorgabe mehr, denn auch für den industriellen Mittelstand sei die Cloud mittlerweile eine Option, so Richert.

Thorsten Menslin, COO und Prokurist bei Kreuzbauer IT, bekräftigt: „Der Trend von der Individualität, der lange vorherrschend war, geht wieder zurück zum Standard.“ Doch sei dieser Trend sehr branchenorientiert. Deswegen bietet IFS konsequent bestimmte Branchenpakete an, wo man dem Kunden einen Standard anbieten kann und bedient keine Branchen, für die es kein Paketsetting gibt. Menslin betont, dass Flexibilität auch mit einem Standardpaket möglich sei. Dazu müssten lediglich die regelmäßig zweimal im Jahr veröffentlichten Releases entsprechend umgesetzt werden.

Eduard Richert ergänzt, dass die zentralen Prozesse innerhalb einer Branche letztlich zu 80 Prozent vergleichbar seien, die Abweichungen demnach bei rund 20 Prozent liegen. Richert: „Was sich in den letzten 40 Jahren in der IT spürbar verändert hat, ist der Grad an Diversifizierung vor allem in den Lösungsansätzen. Ein Unternehmen muss sich heute nicht komplett umkrempeln, um tatsächlich eine Lösung zu finden, die zu 80 bis 90 Prozent passt.“

Thorsten Menslin, COO und Prokurist,
Kreuzbauer IT: „Die ROI-Thematik ist
nicht mehr so schlagend und hat sich in
den letzten Jahren massiv verkürzt.
Andererseits ist der Mehrwert, also
welche Geschäftschancen sich neu durch
Einsatz moderner Systeme aufbauen,
was ich mehr erreichen kann, viel
wichtiger geworden.“
(c) timeline/Rudi Handl

Die bereits erwähnten Ressourcenprobleme, die  ja, so Menslin, nicht nur die Anbieter, sondern auch die Kunden haben, seien mit ein Grund, warum sich die Cloud so schnell etabliert hat. IT-Teams mit breit gefächerten Skills, seien einfach nicht mehr da. „Deswegen ist auch der Mittelstandskunde in die Cloud gezwungen, um in Zeiten wie diesen vor allen Dingen sicher und performant unterwegs zu sein.“

Auch David Appel, Head of Product Management bei Cosmo Consult, sieht „den Mittelstand in der Cloud angekommen. Die Cloud wird heute als Mehrwert verstanden“. Die Möglichkeiten, die sich zum Beispiel durch die Microsoft Azure Cloud bieten, die habe der klassische europäische Mittelstand ohne die Cloud normalerweise nicht. So könne es sich kein kleines oder mittelständisches Unternehmen heute leisten, ein eigenes entsprechend leistungsfähiges Rechenzentrum aufzubauen.

Christian Leopoldseder, Managing Director Austria bei ASSECO Solutions, konstatiert ebenfalls eine Verunsicherung im österreichischen Mittelstand, die durch die extrem hohe Veränderungsgeschwindigkeit der Technologie verursacht ist. Viele Unternehmen hätten gegenwärtig andere Sorgen und Probleme, die sie zunächst lösen wollen, bevor sie sich mit künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. Dennoch springen doch 15 bis 20 Prozent der Unternehmen auf den KI-Zug auf, schätzt Leopoldseder. Dort sei ASSECO mit Projekten involviert. Diese Unternehmen merken, dass sich die Welt verändert und Mitarbeiter schwieriger zu finden sind, weswegen sie nach einem Weg suchen, wie sie diese Technologien verwenden können. Leopoldseder beobachtet hier schon eine gewisse Aufbruchsstimmung: „Diejenigen, die etwas machen, die machen sehr viel.“

Darüber hinaus verfolgt ASSECO gegenwärtig den Ansatz, den Standard möglichst rasch und konsequent verfügbar zu machen. „Wir verwenden ein eigenes Modell: in drei bis sechs Monaten soll der Kunde mit APplus, das ist unser System, arbeiten«, erklärt Leopoldseder. Es gebe keine Anpassung, der Standard werde durchgesetzt. Erst in einer zweiten Phase komme die Optimierung: »Dann versteht der Kunde unser System und es fallen viele Themen weg.“ 

Christian Leopoldseder, Managing Director
Austria, ASSECO Solutions: „Ein LLM hat den
Riesenvorteil, dass es alles kann. Es kann auf 
alle Datenbestände, auf alle Situationen zugreifen. Und das ist jetzt die Challenge, das Wissen, das bereits vorhanden ist, mit meinem Business Case zu kombinieren. Dadurch schaffen wir für das Unternehmen einen immensen Mehrwert und das ist die Zukunft.“ (c) timeline/Rudi Handl

Johannes Preiß verweist darauf, dass es ohnehin zumeist der Wunsch des Managements sei, dass sich die Prozesse im Unternehmen nahe am Standard der Lösung orientieren und keine Sonderentwicklungen gemacht werden. In der Realität würden im Projektvorfeld aber „Weihnachtswunschlisten“ aus sämtlichen Fachbereichen erstellt. Das zeige, wie gut oder schlecht das Team, die Mitarbeitenden im Vorfeld informiert wurden. »Bei jedem IT-Projekt, egal welche Lösung, zählt, wie das Team mitzieht. Es gibt immer Prozesse, die schon seit Ewigkeiten gleich gemacht wurden. Hier loszulassen, ist eine Herausforderung.« Hier müsse das Management klar kommunizieren, dass man die Einführung einer neuen Softwarelösung als Chance sehe und dabei sei, bestehende Prozesse neu zu überdenken. Dabei müssen Prozesse an neue Rahmenbedingungen angepasst werden und neue Prozesse, die bisher nicht verfügbar waren, können mehr Effektivität und Effizienz bringen, so Preiß.

Auch wenn die Standardthematik eine wichtige sei, so dürfe man nicht vergessen, dass es letztlich im Unternehmen immer um Menschen geht, lenkt David Appel den Fokus auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Zwar treffe die Geschäftsführung die großen Entscheidungen und gebe die Visionen vor, aber  man dürfe die Menschen, die mit der Software arbeiten, nicht verlieren. Hier müsse glasklar vermittelt werden, warum es wichtig sei, in den Standard zu gehen. Appel ist überzeugt, dass die richtige Begleitung der Menschen der Schlüssel zum Erfolg eines Transformationsprojekts ist.

Am Ende des Tages sei man mehr oder weniger auch Unternehmensberater, fügt Gregor Schmid hinzu. Und so wie ERP-Projekte immer schon Change-Projekte gewesen sind, gelte das jetzt auch für KI- und Cloud-Themen. Man müsse den Kunden zeigen, welchen Mehrwert eine modulare Herangehensweise darstellt.

Schneller, flexibel, modular

Johannes Preiß, Senior Director Sales,
All for one Austria: „KI kann überall in der
Systemlandschaft eingelagert sein. Das kann
jetzt einerseits direkt in der Plattform sein,
anderseits bereits embedded in den jeweiligen
Softwareapplikationen bzw. als Copilot, bei SAP
Joule genannt, integriert sein.  Da ist die KI
schon direkt im ERP- bzw. im CRM-System
eingebaut.“ (c) timeline/Rudi Handl

„Aufgrund der hohen Geschwindigkeit sind klassische ERP-Großprojekte, die noch vor 10 bis 15 Jahren üblich waren, und die oft fünf Jahre Umsetzungszeit benötigten, völlig verschwunden“, erklärt David Apple. Im Gegenteil sehe man heute sehr viele, kleinere Projekte im Mittelstand. „Als Cosmo merken wir, dass Unternehmen schnell einmal bereit sind, mit kleinen Teilen live zu gehen“, beobachtet Appel. Vor zehn Jahren sei das noch anders gewesen, da wollte jeder bereits ganz am Anfang die Sicherheit haben und die Kosten des Projekts wissen. „Heute fragen die Unternehmen jedoch nach ihrem Mehrwert, den sie nach einem Jahr realisieren können. Hier geht es nicht mehr immer nur um rein monetären Return on Investment“, sagt Appel. 

Dem stimmt Thorsten Menslin zu und ergänzt: „Die Return-on-Investment-Thematik ist nicht mehr so ausschlaggebend. Die hat sich in den letzten Jahren massiv verkürzt. Andererseits ist der Mehrwert, also welche Geschäftschancen sich durch Einsatz moderner Systeme neu aufbauen, was ich mehr erreichen kann, viel wichtiger geworden.“

Mehr Möglichkeiten dank künstlicher Intelligenz

Johannes Preiß empfiehlt für die Digitalisierung und genauso auch für KI zuallererst eine entsprechende Strategie zu haben, bei der die zu erreichenden Ziele, die konkreten Usecases, die man umsetzen will, sowie der Mehrwert, den man erzielen will, festgelegt werden. Ist das Thema KI strategisch abgearbeitet, dann kann man sich dem Operativen zuwenden, wobei man nicht auf die entsprechende Kommunikation mit den Mitarbeitenden vergessen darf. Preiß: „Bei der KI-Foundation gilt es die drei Kernthemen Daten, Technologie und Tools zu definieren. Man muss sich überlegen, auf welche Daten man zugreift und wo sich diese befinden. Greife ich nur auf interne Daten zu oder nutze ich schon externe Daten – beispielweise aus Netzwerken. Das ist ja der große Vorteil der KI, dass ich weltweit auf verschiedene Datentöpfe zugreifen kann.“ So werde beispielsweise bei SAP über die Lösung SAP Ariba das größte Lieferantennetzwerk der Welt gemanagt. Mit entsprechenden Analyse-Tools wie etwa SAP Analytics Cloud könne man Reports und Forecasts erstellen. Da es verschiedene KI-Technologien gebe, sei es auch wichtig zu definieren, auf welches der verschiedenen KI-Modelle – von Machine Learning, Deep Learning bis hin zu den LLMs (Large Language Models) – man setzt.

Dabei kann, so Preiß, KI überall in der Systemlandschaft eingelagert sein: „Das kann jetzt einerseits direkt in der Plattform sein, aber anderseits bereits embedded schon in den jeweiligen Softwareapplikationen bzw. als Copilot, bei SAP Joule genannt, integriert sein. Da ist die KI schon direkt im ERP- beziehungsweise im CRM-System eingebaut.“

Einen weiteren Nutzen der KI sieht Preiß  im Durchspielen von Simulationen, wie es etwa über das ERP-System mit Hilfes des bereits erwähnten Business-Netzwerks Ariba von SAP gemacht werden kann. Als Beispiel nennt er das vor Jahren im Suezkanal gedrehte und steckengebliebene Containerschiff. Per KI konnten Möglichkeiten simuliert werden, wie diese Lieferkettenunterbrechung umgangen werden kann, was diese vorgeschlagenen Alternativen für Kosten mit sich bringen, welche Folgen sie hinsichtlich des CO2-Ausstoßes haben und dergleichen mehr.

Eduard Richert, Vertriebsleiter für
Bestandskunden in Deutschland, proAlpha: 
„Wir haben Kunden, die nachweislich mittels der
gelieferten Daten aus Large Language Modellen
und Knowledge Graphen im Servicebereich ihre
First-Time-Fix-Rate um 55 Prozent optimiert
haben. Das bedeutet, dass langweilige, repetitive
Tätigkeiten dank KI wegfallen und Mitarbeiter sich
wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren
können.“ (c) timeline/Rudi Handl

Auch proAlpha hat eine KI, die vor zwei Jahren vorgestellt wurde und für strukturierte Daten und Machine Learning zuständig ist. Ihr Name: NEMO. Man habe beim Entwickeln von NEMO zusammen mit Kunden und deren Fachabteilungen bestimmte Anwendungen erarbeitet und könne dementsprechend bereits konkrete KI-Anwendungen vorweisen, erklärt Richert den Ansatz von proAlpha. Er betont die Wichtigkeit einer sauberen Datenbasis für den Einsatz von Kontext- beziehungsweise generativer KI und nennt ein Beispiel: „Wer seine Wiederbeschaffungszeiten optimieren möchte und sich nicht nur auf das verlassen will, was in Bestellungen hinterlegt ist, was der Lieferant sagt oder ein Einkäufer mit eingetragen hat, der braucht das echte Wiederbeschaffungsdatum und somit möglichst genaue Basisdaten“ Deshalb hat ProAlpha seine KI mit Datenqualitätsmanagement angereichert, das automatisiert nicht nur mitteilt, dass „das Semikolon in dem Datenfeld unpassend ist und herausgenommen werden sollte“, sondern auch prädiktiv die optimale Wiederbeschaffungszeit ermittelt und zur Übernahme direkt vorschlägt. „Wir sind mit diesen Anwendungen zum Kunden gegangen und der hat gemerkt, dass er in diesem Kontext auf den Unternehmensberater verzichten kann“, beschreibt Richert das Resultat.

Eine weitere KI von proAlpha ist Empolis, die generative künstliche Intelligenz, die bei Autos von BMW eingesetzt wird, und bei der unstrukturierte und strukturierte Daten kombiniert werden.

Christian Leopoldseder unterteilt KI in die beiden Bereiche klassisches Machine Learning (ML) und Large Language Models (LLMs). ML sei ideal ideal für ganz spezifische Anwendungsfälle, wie Predictions oder Opportunity Leads zu bewerten. Der wahre Durchbruch seien aber die LLMs, ist Leopoldseder von dieser Technik begeistert. Mit einem Beispiel illustriert er die Mächtigkeit dieser LLMs. Ein Kunde von ASSECCO betreibt einen Webshop, in dem alle Prozesse automatisiert ablaufen. Der große Nutzen der KI wird so richtig beim „Exception Handling“, bei den Ausnahmefällen, ersichtlich, also wenn ein Lieferant nicht liefern kann oder ein Teil später angeliefert wird. Hier sei die KI in der Lage nicht nur klassisch Vorschläge zu machen, die dann von jemanden bestätigt oder auch nicht bestätigt werden, sondern die nötigen Handlungen schon selbstständig umzusetzen. Leopoldseder: „Das ganze Exception Handling überlässt dieser Kunde der KI. Das heißt, der Auftrag kommt rein, Exceptions werden festgestellt, und dann entscheidet die KI für sich selbst, wie sie damit umgeht, löst Bestellungen aus, macht vielleicht die Selbsteigenfertigung, produziert das Teil und liefert es wieder aus.“ 

Überdies habe ASSECCO vor rund einem Monat auf der Kundenveranstaltung Vision Days eine KI-Assistentin namens Elly vorgestellt. Christian Leopoldseder schildert die Leistungsfähigkeit von Elly, bei der – abgestimmt mit dem Kunden und mit natürlich anonymisierter Datenbank – Elly gefragt wurde, was ein Deckungsbeitrag und was der Deckungsbeitrag für diese Firma sei. Das war einfach und wurde gut erklärt. Jedoch war die Marge im letzten halben Jahr negativ, weswegen man auch die Ursachen für diese Situation wissen wollte. Obgleich das keine einfache Frage mehr war, hat Elly, also die KI, selbstständig herausgefunden, dass das Unternehmen für einen Kunden entsprechende Vorleistungen machen musste und dementsprechend höhere Kosten hatte – und auch wann der Vorserienstart sowie der Beginn der Serienfertigung war. 

Ein LLM habe den Riesenvorteil, so ein enthusiastischer Leopoldseder, dass es auf alle Datenbestände, auf alle Situationen zugreifen könne. Die Herausforderung sei gewesen, das generelle LLM-Wissen mit dem konkreten Businesscase zu kombinieren, sodann entsprechende Vorschläge zu generiern und so einen immensen Mehrwert zu schaffen. Das sei gelungen.

Auch Thorsten Menslin bestätigt, dass bereits sehr viel möglich sei. Die Grundlage dafür sei bei Kreuzbauer IT Single Source of Truth (SSoT) von IFS, also die zentralisierte, zugrundeliegende  Datenbank, wo auch die Industrial KI sitze. Man habe jede Menge Usecases, so Menslin, die man entweder vom Kunden in ein Standardmodell adaptiert habe oder die ein Kunde oder Interessent umzusetzen wünscht. Entsprechende Projekte seien eher „ein Thema für Bestandskunden, die schon bestimmte Cases haben, die sie abarbeiten, und einen Mehrwert generieren wollen, aber auch für Neukunden.“ 

Unternehmen müssen in dieser hochvolatilen Welt flexibel sein und schnell reagieren können, weiß Menslin. Entsprechend automatisiere man dort, wo es sinnvoll sei. Man denke an folgendes Beispiel: eine Liste von 150 Aufträgen, muss üblicherweise von einem Mitarbeiter geprüft werden, ob nicht ein unbedingt benötigtes Stück Metall fehlt.“Das macht jetzt das System, das macht die KI“, erklärt Menslin. „Die KI meldet im Dashboard, dass in drei Aufträgen noch drei Meter Metall fehlen und der oder die User können das bearbeiten und erledigen. Der User hat wieder Zeit für – im weitesten Sinn – kreative Dinge.“  

Es gehe um die zeitnahe, schnelle, effiziente Steigerung, wofür letztlich erfahrene Leute, die das übernehmen, benötigt werden, bechreibt Menslin einen Einsatz, bei dem Mensch und Maschine zusammenspielen und einander ergänzen. 

Alle Experten der Runde sind sich einig, das KI zwar das Potenzial habe Arbeitskräfte wegzurationalisieren, das aber zumeist gar nicht sinnvoll sei. Besser sei es, die KI für „langweilige, repetitive Arbeiten zu nutzen“ und so die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für Aufgaben freizuspielen, bei denen sie ihr Wissen und ihre Erfahrung benötigen und einsetzen können. 

David Apple stimmt zu und erinnert daran, wie wichtig die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Unternehmen sind. Er verweist darauf, dass man speziell bei den jüngeren Mitarbeitenden, Experten vorfinde, für die KI bereits ganz selbstverständlich sei. „Viele Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern suchen vielleicht heute Anwendungsfälle für künstliche Intelligenz, aber die jungen Mitarbeiter, die haben diese Ideen schon. Mit diesen Menschen über Innovation zu sprechen, das ist sehr erfrischend. Auch wir als Cosmo Consult arbeiten hier sehr stark gemeinsam mit unseren Kunden, wir hören den Kunden zu und von diesen Usecases lebt das Thema.“

Ein gutes Beispiel, wo künstliche Intelligenz heute schon helfen könne, sei bei der Bewältigung der Datenflut, mit der Mitarbeiter täglich konfrontiert seien, sagt Appel. KI könne die Menschen unterstützen, um fokussierter zu sein, unterstützen, um effizienter zu sein, ohne die Menschen dabei auszubrennen.

Darüber hinaus könne die KI – Stichwort Fachkräftemangel – jüngere Mitarbeitende »enablen«. So habe laut Appel vor ein paar Wochen eine junge Kollegin, die neu im Unternehmen war, als Teil ihrer Ausbildung die Aufgabe bekommen, sich einen Workshop-Plan zu überlegen. Sie habe daraufhin dem KI-Modell den Kunden und die Anforderungen beschrieben, worum es in dem Workshop-Plan gehen soll, und was sie erreichen möchte – und Co-Pilot hat einen Workshop-Plan erstellt, den sie dann verfeinert hat.

Mit dem Workshop-Plan habe sie sich dann von den älteren Kollegen Feedback geholt. Und mit diesem Feedback mit Co-Pilot an dem Workshop-Plan weitergearbeitet. „Das ist ein sehr schönes Beispiel, wie KI auch noch unerfahrenere Fachkräfte unterstützen kann“, freut sich Appel.

„Ja, der Co-Pilot ist schon jetzt in der Lage, User einzuschulen – sowohl im Sinne der Bedienung („was kann das Tool?“) als auch im Sinne der Prozesse („wie erstelle ich eine Gutschrift?“)“, fügt Gregor Schmid hinzu. Und neben den bereits erwähnten Effizienzsteigerungen sorge KI auch für die Demokratisierung von IT, bringt er einen neuen Aspekt in die Diskussion. So musste früher für jede Anforderung extra eine eigene Routine programmiert werden. Danach galt es abzuwägen, ob sich der Preis des Programms für die Erreichung des beabsichtigten unternehmerischen Ziels rechnet oder nicht. Mitunter wurde dann nur Hälfte der Ziele umgesetzt. Heute könne man jedoch mittels Co-Pilot einen automatisierten Workflow für dieses oder jenes Thema erstellen, Schmid nennt das „Prozessautomatisierung für jedermann“. Aber auch „Business Intelligence für jedermann“ werde durch KI möglich.

Ein Thema, das ebenfalls vom Einsatz künstlicher Intelligenz profitieren könne, sei der Bereich Usability: „Statt sich durch gefühlt hundert Masken zu klicken, habe ich plötzlich die Möglichkeit, mit natürlicher Sprache mein ERP-System zu fragen, was ich machen soll“, ist Schmid begeistert.

Regulierung nicht vergessen

Einen wichtigen Aspekt der KI spricht Thorsten Menslin an, nämlich die Regulierung von KI. „Es braucht nach wie vor Regulierung, es braucht dringend innerbetrieblich Regulierung zwischen den Sozialpartnern und es braucht gesellschaftliche Regulierung.“ Wie das international funktionieren könne, wisse er auch nicht. Doch gegenwärtig sei alles noch weitestgehend dereguliert. „Die paar Ansätze, die es da gibt, sind zu wenig. Da muss viel mehr passieren“, fordert Menslin die Politik zum Handeln auf.

Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Christian Leopoldseder (Asseco Solutions), David Appel (COSMO CONSULT), Johannes Preiß, (All for One Austria), Eduard Richert (proAlpha), Gregor Schmid (KUMAVISION), Klaus Lorbeer (ITWelt.at) und Thorsten Menslin (Kreuzbauer IT). (c) timeline/Rudi Handl

Die Teilnehmer auf einen Blick (in alphabetischer Reihenfolge der Unternehmen)

David Appel, Head of Product Management, Cosmo Consult 
Christian Leopoldseder, Managing Director Austria, ASSECO Solutions 
Thorsten Menslin, COO und Prokurist, Kreuzbauer IT
Johannes Preiß, Senior Director Sales, All for one Austria
Eduard Richard, Vertriebsleiter für Bestandskunden in Deutschland, proAlpha
Gregor Schmid, Projektcenterleiter, Kumavision

Moderation & Redaktion: Klaus Lorbeer 
Technik: Mag. Roland Kissling
Fotos: timeline/Rudi Handl

Den Überblick über alle bislang veranstalteten ITWelt.at-Roundtables finden Sie hier:
www.itwelt.at/tag/roundtable

Die Expertenrunde zum Nachsehen finden Sie hier: www.facebook.com/itwelt.at/videos;  www.youtube.com/c/ITWELT


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