Schmaler Grat zwischen Meinungsfreiheit und Hasspostings in Sozialen Medien

Ein Gastkommentar von Andreas Schütz. [...]

Andreas Schütz, Partner bei Taylor Wessing
Andreas Schütz, Partner bei Taylor Wessing (c) Taylor Wessing

Die ehemalige Parteichefin der Grünen, Eva Glawischnig, entschied sich im Jahr 2016, den US-Tech-Riesen Facebook zu klagen. Grund dafür waren Hasspostings auf der Social-Media-Plattform, in denen sie zum Beispiel als „miese Volksverräterin“ oder „korrupter Trampel“ bezeichnet wurde. Weil Facebook der Aufforderung zur Löschung nicht folgte, klagte Glawischnig den US-Konzern.

Im Mai 2017 gab das Oberlandesgericht (OLG) Wien Frau Glawischnig Recht und Facebook wurde gezwungen, das Posting zu löschen und aus dem Internet zu entfernen. Es blieb allerdings die Frage offen, ob auch sinngleiche Inhalte vom Social-Media-Betreiber gesucht und gelöscht werden müssen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) wandte sich bei dieser Frage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Dazu entschied der EuGH Anfang Oktober 2019, dass auch wortgleiche und sinngleiche Kommentare zu entfernen sind. Diese europarechtliche Entscheidung entfaltet weltweite Wirkung. Ausschlaggebend ist, dass diese Kommentare zuerst durch eine Gerichtsentscheidung für rechtswidrig erklärt werden müssen. Das Urteil wirft für Kritiker der Entscheidung sowie für Online-Anbieter wie Facebook problematische Fragen bezüglich der Einschränkung der Meinungsfreiheit auf. Zentral hierbei ist, ob Regelungen in einem Land auch in anderen Ländern greifen. 

Die Entscheidung des EuGH hat jedenfalls als Konsequenz, dass Online-Anbieter ihre internen Richtlinien nun weitgehend überdenken und dementsprechend adjustieren müssen. Um der zielgerechten Überwachungspflicht von inhalts- und sinngleichen Postings nachzukommen, werden von den Unternehmen massive Investitionen in automatisierte Überwachungstechnologien benötigt, die in ähnlicher Weise bereits in der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie angedacht wurden.

*Andreas Schütz ist  ist Partner bei Taylor Wessing in Wien. 


Mehr Artikel

News

Mehr als nur ein Compliance-Kriterium: Cybersicherheit ist eine Angelegenheit der Unternehmenskultur

Ein Blick in die Praxis zeigt: IT-Sicherheit scheitert nicht an Technologien oder Fehlverhalten, sondern bereits grundsätzlich an einem Mangel an Unternehmenskultur. Wenn Cybersicherheit in einer Organisation nur als eine schlecht durchgesetzte Aufgabe von anderen für andere verstanden wird, entsteht vielleicht eine oberflächliche Compliance, aber keine wirkliche Cyberresilienz. […]

Michael Maier, Director Austria iteratec (c) iteratec
Kommentar

KI-Transformation in Unternehmen – Eine Revolution in fünf Schritten 

Wie weit wird die Evolution der Künstlichen Intelligenz gehen und wie wird sie sich auf Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes auswirken? Was für Privatpersonen interessante Fragen sind, sind für Unternehmer existenzielle Themen, schließlich müssen diese wirtschaftlich gegenüber Konkurrenten bestehen, von denen viele bereits an einer effektiven Nutzung von KI arbeiten. […]

News

Produktionsplanung 2026: Worauf es ankommt

Resilienz gilt als das neue Patentrezept, um aktuelle und kommende Krisen nicht nur zu meistern, sondern sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Doch Investitionen in die Krisenprävention können zu Lasten der Effizienz gehen. Ein Dilemma, das sich in den Griff bekommen lässt. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*