Servicezentrierte IT-Organisation

Bei vielen IT-Organisationen steht der "Service als zentrales Objekt zur Definition und Strukturierung ihres Angebots noch nicht im Mittelpunkt. Dafür bietet sich ein Online-Servicekatalog an. [...]

Der Aufbau eines Online-Servicekatalogs zum Abruf häufig genutzter Services durch die Endanwender ist dann ein erster Schritt in diese Richtung. Letztlich kann der Servicekatalog aber auch zum zentralen Verzeichnis sämtlicher IT-Leistungen werden, auf dessen Grundlage der operative IT-Betrieb servicezentriert gesteuert und überwacht werden kann. Auch wenn noch kein Servicekatalog existiert, erbringt die IT doch bereits Dienstleistungen für die Geschäftskunden. Diese Dienstleistungen wurden bisher aber häufig noch nicht »Services« genannt und sind auch nicht umfassend dokumentiert. Dies ist dann der erste Schritt zum Aufbau eines Servicekatalogs. Beim Identifizieren dieser Services gibt es grundsätzlich zwei Ansätze.

Top-down-Methode

Bei dieser Methode geht man von der Kundensicht aus, das heißt es werden die Services aufgelistet, die man heute bereits für die Geschäftskunden erbringt (zum Beispiel PC-Arbeitsplatz, ERP, CRM) oder in Zukunft neu anbieten möchte (zum Beispiel Cloud Computing Services). Mit dieser Methode wird sichergestellt, dass alle Services erfasst werden, die für die Kunden relevant sind.

Bottom-up-Methode

Bei dieser Methode geht man von der Infrastruktur aus, das heißt es wird ermittelt, für welche Services die vorhandene Infrastruktur (zum Beispiel Server, Datenbanken, Lizenzen) eingesetzt wird. Mit dieser Methode wird sichergestellt, dass alle Services erfasst werden, für die die IT Hardware, Software und Dienstleistungen bereitstellt. Dabei kommt es häufig vor, dass man auf Infrastruktur-Komponenten stößt, die weiterhin in Betrieb sind, obwohl sie von den Geschäftskunden nicht mehr benötigt werden.

Grundsätzlich sind beide dieser Ansätze sinnvoll. Damit die Analysen nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, kann man sich bei der Top-down-Methode auch zunächst auf die Services konzentrieren, die aus Kundensicht wichtig sind (zum Beispiel häufig nachgefragte oder geschäftskritische Services), und bei der Bottom-up-Methode auf die Ressourcen, die mit den höchsten Kosten verbunden sind.

Als nächstes werden die Services priorisiert, um diejenigen zu bestimmen, die in einem ersten Schritt in den Servicekatalog übertragen werden sollen. Je nach Zielsetzung der Initiative können mehrere Faktoren bei der Priorisierung eine Rolle spielen. Dabei ist es wichtig, nicht nur den Status quo, sondern auch die erwartete zukünftige Entwicklung zu berücksichtigen:

Die folgenden Priorisierungskriterien aus Kundensicht sind wichtig, wenn es das vorrangige Ziel des Servicekatalogprojekts ist, die Kundenzufriedenheit zu steigern:

  • Häufigkeit: Wie häufig werden die Services nachgefragt?
  • Kritikalität: Welche Services sind kritisch für das Business der Geschäftskunden?
  • Zufriedenheit: Mit welchen Services sind die Kunden aktuell sehr unzufrieden?
  • Erwartungshaltung: Welche neuen Services fordern die Kunden?

Die folgenden Priorisierungskriterien aus IT-Sicht sind wichtig, wenn die Effizienz im Betrieb gesteigert und die IT-Kosten gesenkt werden sollen:

  • Kerngeschäft: Welche Services betrachtet die IT strategisch als ihr eigentliches Kerngeschäft, und von welchen Services möchte sie sich eher verabschieden?
  • Umsatz: Mit welchen Services erzielt die IT den meisten Umsatz?
  • Kosten: Welche Services verursachen die meisten Kosten?
  • Aufwand: Welche Services binden das meiste Personal?

Services spezifizieren

Im nächsten Schritt werden die durch die Priorisierung identifizierten Services spezifiziert. Dadurch wird sowohl der Leistungsumfang eines Service gegenüber den Kunden dokumentiert als auch die IT-internen Informationen für dessen Bereitstellung und Betrieb. Die Spezifikation der Services geschieht in einer vorab festgelegten Struktur.

Eine Serviceklassifizierung legt fest, wie die Services in die Struktur des Servicekatalogs eingegliedert werden. Die Klassifikationsstruktur sollte so gewählt werden, dass sie aus Kundensicht verständlich ist und später auch in der Online-Version des Servicekatalogs als Navigationsstruktur dienen kann.

Eine Beispielstruktur beinhaltet etwa Arbeitsplatz-Services, Windows-Arbeitsplätze, MAC-Arbeitsplätze, Applikations-Services, ERP, CRM, Telefonie-Services, Kollaborations-Services und bei Bedarf noch einige mehr.

Mögliche Struktur für eine Service-Beschreibung

  • Servicename und kurze Beschreibung
  • Serviceleistungen (inkl. messbarer Leistungs- und Qualitätsparameter, Änderungsmöglichkeiten im laufenden Betrieb und ggf. auch Preisen)
  • Basis-Leistungen
  • Optionale Leistungen
  • Serviceverfügbarkeit (Servicezeiten, Verfügbarkeit und Wartungsfenster)
  • Service-Support: Support-Zeiten, Reaktions- und Lösungszeiten im Störfall
  • Service-Reporting (regelmäßige Kundenreports)
  • Abhängigkeiten zu anderen Services (z. B. Service A erfordert Service B)
  • Mitwirkungspflichten des Kunden
  • Abgrenzungen (explizit nicht enthaltene Leistungen)
  • Hinweis auf allgemeine Nutzungsbedingungen (z. B. Standard-Support-Zeiten)

Servicebeschreibung aus Sicht der Kunden

Alle Services sollten in einer einheitlichen Struktur beschrieben werden. Die Beschreibung enthält alle Angaben zum Leistungsumfang der Services in einer für die Kunden leicht verständlichen Sprache.

In einem ersten Schritt ist es empfehlenswert, Aussagen zu messbaren Leistungs- und Qualitätsparametern, den sog. Service Levels, sparsam einzusetzen. So kann zum Beispiel die Lieferzeit für einen neuen PC-Arbeitsplatz als Richtlinie angegeben werden, aber die Spezifikation der Verfügbarkeit einer Applikation setzt voraus, dass es auch entsprechende Mess- und Reporting-Methoden gibt. Deshalb ist es empfehlenswert, Service Level Management erst in einer zweiten Projektphase einzusetzen.

Servicebeschreibung aus Sicht der IT

Die Servicebeschreibung für die IT enthält alle Informationen zur Bereitstellung und Betrieb des Service. Die folgenden Inhalte sind relevant:

  • Serviceverantwortliche (für den gesamten Service = Service Owner, für den Betrieb, für den Support, für Hardware/Software, für externe Dienstleister etc.)
  • Benötigte Ressourcen
  • Bereitstellungsprozesse und Änderungsprozesse im laufenden Betrieb
  • Servicespezifische Besonderheiten zu KPI-Messungen und Service Level Reporting
  • Feststellungen zum Lebenszyklus der eingesetzten Produkte (z. B. notwendige Erneuerung von Notebooks nach 6 Jahren)
  • Festlegungen zu Problem-, Change- und Release-Prozessen (wer, wann, von wem zu genehmigen?)
  • Festlegungen zum Capacity-Management (Was ist bei der Skalierung zu beachten, wo gibt es sprungfixe Kosten?)
  • Festlegungen zum Security-Management (Betrachtungen zu Risiko, Datenschutz/DSGVO)
  • Kostenermittlung (Mengen/Kostenzuordnung)
  • Preiskalkulation und Preismodelle (pauschal oder nach Verbrauch)

Die Beschreibung der benötigten Ressourcen kann einfach durch direkte Angabe konkreter Ressourcen- und Infrastrukturelemente erfolgen (zum Beispiel PC DELL Inspiron 22). Komplexer dagegen ist die Definition mit Hilfe sog. Servicekomponenten. Diese stellen logische Bausteine dar, die die für einen Service benötigten Ressourcen abstrahieren und aus denen übergeordnete Services zusammengesetzt werden können (Service Dekomposition). Mit dem Einsatz von Servicekomponenten wird ein hoher Grad an Standardisierung in der Infrastruktur erreicht. Um die Komplexität beim Aufbau eines Servicekatalogs nicht unnötig zu erhöhen, ist es empfehlenswert, die Servicedekomposition erst in einer späteren Projektphase einzuführen.

Services anbieten und etablieren

Sind die Services spezifiziert, können sie den Kunden gegenüber in einem Servicekatalog dargestellt und angeboten werden. Der eingeführte Servicekatalog ist ständigen Änderungen unterworfen. Vor allem in der Einführungsphase gibt es häufig Änderungsbedarf an bestehenden Services, und neue Services kommen nach und nach dazu. Schließlich werden Services auch wieder stillgelegt, wenn sie nicht weiter nachgefragt werden. Spätestens mit der Einführung des Servicekatalogs sollten deshalb auch die ITIL-Prozesse Service Portfolio Management und Service Catalog Management etabliert sein.

Fazit

Der Aufbau eines Servicekatalogs ist die erste Projektphase beim Übergang von einer infrastrukturgetriebenen zu einer servicezentrierten IT-Organisation. Dabei ist es sinnvoll, sich zunächst auf einige wenige Services zu konzentrieren und diese den Anwendern oder Kunden über einen Service-Shop zum Abruf zur Verfügung zu stellen. Danach sollte Schritt für Schritt der Ausbau des Servicekatalogs erfolgen. Ist der Servicekatalog etabliert, kann man sich in weiteren Projektphasen den Disziplinen Service Level Management und Service-Dekomposition widmen.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem umfangreichen Whitepaper, das hier heruntergeladen werden kann: http://bit.ly/wp-servicekatalog-cwe.

* Bernd Hellinger und Martin Landis arbeiten bei der USU AG.


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