Sicher und transparent

Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto besser funktioniert KI. Angst vor dem Mitbewerb und Datenschutz sorgen jedoch dafür, dass das notwendige Teilen von Daten zur Herausforderung wird. Das Grazer Know-Center arbeitet an einer Lösung. [...]

Stefanie Lindstaedt ist CEO und CSO des Know-Center und Institusvorstand des ISDS an der TU Graz. (c) Know-Center GmbH - Jorj Konstantinov

Graz war im Februar der Europa-Hotspot in Sachen KI. Es fand der Kickoff des COMET-Moduls »DDAI – Data Driven Artificial Intelligence« statt, bei dem eine verifizierbare und nachvollziehbarere KI im Fokus steht. Damit soll es für Unternehmen einfacher werden, Daten und Algorithmen zu verstehen und zu nutzen – bei maximalem Datenschutz.
Beheimatet ist das mit vier Millionen Euro dotierte Projekt am Know-Center (Research Center for Data-Driven Business & Big Data Analytics) am Campus Inffeldgasse in Graz. Seit 20 Jahren werden hier Unternehmen dabei unterstützt, Daten als Erfolgsfaktor zu nutzen. Das im Rahmen von COMET geförderte Kompetenzzentrum ist außerdem eine Ausbildungsstätte für Data Scientists in Österreich.

»Es wird zwar heute immens viel über Big Data und AI geredet. Letzten Endes geht es aber darum, ins Umsetzen zu kommen und Geschäftsmodelle zu entwickeln, was wir in rund 150 Projekten jährlich auch laufend machen«, sagt Stefanie Lindstaedt, CEO und CSO des Know-Center und Institusvorstand des ISDS an der TU Graz. »Dazu braucht man einerseits Fachwissen und viel Erfahrung, aber auch ein starkes internationales Expertennetzwerk, das wir uns über 20 Jahre aufgebaut haben.«

Datenschutz & Transparenz

Einer der führenden Forscher am Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie und Area Manager für Data Security am Know-Center, Christian Rechberger, der auch federführend am DDAI-Modul mitarbeitet, erläutert die Herausforderungen des Projekts: »Umso mehr Daten die KI zur Verfügung hat, desto besser funktioniert sie«, so Rechberger. Im B2B-Bereich sei der Datenpool, auf den die KI zugreifen könne, natürlich viel größer, wenn die Daten von unterschiedlichen Unternehmen zusammengefasst werden würden. »Oft ist das aber rechtlich und auch aus Gründen des Wettbewerbs nicht möglich. Kein Unternehmer will verständlicherweise, dass der Konkurrent seine Daten hat. Auch schiebt der Datenschutz aus gutem Grund hier Riegel vor. Die Kryptografie macht es aber möglich, gemeinsam mit einem Datenpool zu arbeiten, ohne die Daten der anderen entschlüsseln zu können. Sprich, man kann aus einem gemeinsamen Output lernen, ohne die einzelnen Datensätze zu lesen. Das sorgt für maximale Privatsphäre. Die Challenge dabei ist für uns noch, diese Verfahren effizienter und damit auch leistbarer für Unternehmen zu machen. Momentan wird das erst in Nischen eingesetzt.«

Eine weitere Herausforderung seien Erklärbarkeit und Verifizierbarkeit: »Wie die KI arbeitet, ist derzeit nicht sehr transparent. Man bekommt ein Ergebnis, kann es aber schwer nachvollziehen. Im HR-Bereich kann das Ergebnis eine Empfehlung für eine Bewerberin bzw. einen Bewerber sein, nachdem die KI eine riesige Datenmenge analysiert hat. Das kommt aber gewissermaßen einer Blackbox-Entscheidung gleich. Wir wollen die Basis dafür liefern, dass man eine KI bauen kann, deren Entscheidungen nachvollziehbar sind«, so Rechberger.

Kooperationspartner

Industriepartner des Projekts sind die steirischen Unternehmen AVL List, Magna Steyr, AT&S und NXP sowie der Blockchain-Spezialist IoV42 aus England. Als wissenschaftliche Partner konnten die Universität Passau, die KU Leuven und die niederländische Universität Twente gewonnen werden.

Am DDAI-Modul beteiligt sich AVL List, »weil wir darin ein großes Potenzial sehen. Die Vertraulichkeit und der Datenschutz sind zentrale Punkte«, sagt Gerhard Schagerl, Produktlinienmanager Data Intelligence bei AVL List. »Wir haben riesige Mengen von Daten aus unterschiedlichen Quellen, die nicht vermischt werden dürfen. Wenn wir effiziente Möglichkeiten zur Nutzung dieser Datenmengen hätten, würde sich ein enormer Mehrwert ergeben.«

Die Rolle von AVL List und der anderen Industriepartner liegt beim DDAI-Modul darin, die für die Industrie relevanten Anwendungsfälle einzubringen. Wesentlich ist für Schagerl die Verknüpfung der technischen Möglichkeiten bzw. die gemeinsame Forschung und Entwicklung. Der Manager kann bereits auf zahlreiche Kooperationen mit dem Know-Center verweisen.

Über die Rolle der TU Graz sagt Rektor Harald Kainz: »Die TU Graz sieht sich als wesentlicher Träger der heimischen KI-Forschung. An unserer Universität beschäftigen sich aktuell über 200 Forschende in mehr als zehn Arbeitsgruppen mit KI. Das Thema ist heute auch in nahezu allen unseren Studienangeboten verankert.« Eine zentrale Rolle spiele dabei das Know-Center: »Für uns als Gesellschafter ist das Know-Center – als eine der europaweit führenden Forschungseinrichtungen für KI und Data-Driven Business – ein wichtiges Bindeglied zwischen Forschung und Wirtschaft. Viele unserer Institute wickeln Projekte gemeinsam mit dem Know-Center und mit externen Partnern ab. Das erhöht die Sichtbarkeit des Forschungsstandortes Graz in der internationalen KI-Community und stärkt die Außenwahrnehmung sowie den exzellenten Ruf der TU Graz im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien«, so Kainz.

Fachkonferenz AI-Know

Gleichzeitig zum Kickoff des COMET-Moduls fand in Graz die Fachkonferenz AI-KNOW statt, die Folgeveranstaltung der I-KNOW, die von 2001 bis 2017 als Data Driven Future Konferenz über die Bühne gegangen war. Die Themen, die von internationalen Experten vorgetragen wurden, waren Privacy-Preserving-Algorithmen, neue Datenbank-getriebene Big-Data-Analysen, KI, Visualisierungen und Informationstheorie.

Einen Vortrag der Veranstaltung hielt Dimitar Jetchev, seines Zeichens Kryptograph, CTO und Mitbegründer des Sicherheitsunternehmens INPHER mit Niederlassungen in New York City, San Francisco und Lausanne.

Die AI-KNOW wird vom Know-Center in Kooperation mit der TU Graz veranstaltet und vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, der Steirischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft SFG sowie AVL List unterstützt.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*