„Sind Enabler, nicht Blockierer“

Seit Juni 2019 hat Kathrin Wacker die Position des Public Sector Lead bei Microsoft Österreich inne. Die gebürtige Stuttgarterin spricht im Interview über Besonderheiten, Herausforderungen und Projekte im öffentlichen Bereich in Österreich. [...]

Kathrin Wacker verantwortet bei Microsoft alle Aktivitäten des Public Sectors in Österreich. (c) Microsoft
Kathrin Wacker verantwortet bei Microsoft alle Aktivitäten des Public Sectors in Österreich. (c) Microsoft

Welcher Bereich ist Ihnen im Public Sector besonders wichtig?

Bei Microsoft ist der Public Sektor aufgeteilt in das Regional Government, in das Central Government, in den Health- und den Education-Bereich. Am meisten Erfahrung und Expertise habe ich im Bereich Health. Aber ich finde es äußerst interessant für den gesamten Public Sector zuständig zu sein, weil es hier in sehr unterschiedlichen Bereichen sehr spannende Sachen gibt: im Education-Bereich geben wir den Schülern und den Kindern die Dinge an die Hand, die sie später mal im Leben unbedingt brauchen. Im Health-Bereich helfen wir die Patientenerfahrung zu verbessern, den Ärzten das Leben einfacher zu machen und Kosten für den Steuerzahler zu verringern. Und im wichtigen Verwaltungsbereich, können wir Dinge anbieten, die das alltägliche Leben vereinfachen – etwas, das uns letztlich alle angeht. Es gibt also nicht nur den einen Bereich, der für mich jetzt besonders wichtig wäre, sondern jeder hat seine ganz speziellen Merkmale.

Bleiben wir beim Gesundheitsbereich: Was bedeutet die DSGVO für die Daten? Sollen diese „on premise“ bleiben oder kann hier auch die Cloud genutzt werden?

Microsoft besitzt sämtliche Zertifizierungen, die es weltweit in diesem Bereich gibt. Wir sind in allen Belangen DSGVO-konform. Es gibt jedoch die Herausforderung, dass die gesetzliche Grundlage keine harte Linie vorgibt, sondern sehr viele Graubereiche umfasst, die innerhalb Europas natürlich in der DSGVO zusammengefasst sind, die aber wieder pro Land ein Stück weit anders ausgelegt werden. Aber im letzten halben Jahr, in dem ich diese Tätigkeit bei Microsoft ausübe, hat sich extrem viel getan. Die Leute beginnen sich damit zu beschäftigen. Der Skalierungseffekt, der via Cloud möglich ist, wird gesehen. Man fängt jetzt an zu erarbeiten, was möglich ist und was nicht und warum; welche Alternativen es gibt, z.B. über hybride Szenarien, über Schlüsselszenarien arbeiten zu können und trotz dessen die Vorteile der Cloud nutzen zu können. Dafür beginnt sich der Markt langsam zu öffnen.

Die Datenschutzbehörde hält sich ja bezüglich der Auslegung der DSGVO vornehm zurück und will lieber im konkreten Fall entscheiden. Arbeiten Sie mit der Datenschutzbehörde zusammen?

Wir arbeiten primär mit unseren Kunden zusammen und eruieren mit diesen gemeinsam, was es für einen Bedarf gibt. Daraus lassen sich Aktionen ableiten, die aber zumeist durch unsere Kunden getrieben werden, weil bei denen ja der Bedarf besteht.

Als weltweit tätige Organisation, die auch in ganz Europa vertreten ist, können wir hier auf viel Knowhow zurückgreifen, z.B. haben die nordischen Länder schon relativ viel getan, um gewisse Dinge für sich zu definieren. Wir können also unseren österreichischen Kunden Beispiele aus den nordischen Ländern bringen. Wie etwa das Helsinki University Hospital, wo wir mit unseren Kunden durchaus auch Besuche in Helsinki vereinbaren oder auch Sprecher von dort nach Wien holen. Die unterliegen ja denselben gesetzlichen Voraussetzungen und haben für sich eine Lösung in diesem Bereich gefunden. Wäre es daher nicht denkbar diese Lösung auch für Österreich zu replizieren?

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

Prinzipiell arbeiten wir mit so gut wie allen österreichischen Gesundheitsorganisationen zusammen. Im Bereich Azure haben wir beispielsweise ein Projekt mit dem Vienna Cancer Center. Hier ersparen wir dem Patienten mithilfe von Azure eine Biopsie, also den Eingriff in den menschlichen Körper zur Entnahme von Gewebeproben. Wir unterstützen mit unserer Technologie, die Auswertung von multiplen MRTs auf bildgebenden Verfahren. Mit Hilfe von AI kann man Muster erkennen, indem die anonymisierten Untersuchungsergebnisse mit Datenbanken verglichen werden und solcherart festgestellt werden kann, ob eine Biopsie zu erfolgen hat oder nicht. Dabei nutzt man die vorhandene Technologie nicht, indem man personenspezifische Daten in die Cloud gibt, sondern man nutzt die Cloud, um Daten zu vergleichen und zwar auf eine anonymisierte Art und Weise, damit man nicht in eine Datenschutz- Konfliktsituationen gerät.

Welche weitere Technologien binden Sie in Ihren Lösungen ein? Wie sieht es z.B. mit IoT aus?

Wenn wir von Plattformen sprechen, dann meinen wir zunächst einmal die Unterstützung von Fachanwendungen, da aufgrund der Datenfülle durch die Kombination von KI und Cloud viel mehr Dinge in der Auswertung und Analyse möglich sind. IoT kommt eher aus dem Manufacturing-Bereich…

… z.B. Smart Factories.

Genau. Aber auch Smart Citys. Hier kann man einen digitalen Twin einer Stadt anfertigen und Dinge ausprobieren, die man im echten Leben nicht ausprobieren kann. Das ist zudem kostenschonender als im realen Leben. IoT ist definitiv eine interessante Technologie, z.B. hinsichtlich der Optimierung der Wartungszyklen medizinischer Geräte.

Wo steht Microsoft Österreich im öffentlichen Bereich im Vergleich zu anderen EU-Ländern?

Österreich ist prinzipiell vorsichtig in der Herangehensweise, was grundsätzlich nicht schlecht ist. Man lässt die anderen Fehler machen, um daraus zu lernen und das Beste umzusetzen. Beispiel Helsinki University Hospital: Bis dieses digitale Krankenhaus realisiert wurde, brauchte es acht Jahre. Im letzten halben Jahr, das ich als Public Sector Lead mitverfolgte, passierte aber auch in Österreich sehr viel, weil es mittlerweile genügend Evidenzen gibt, weil genügend Länder bereits Erfahrungen gesammelt haben und man Resultate sieht.

Wenn es von Staat und Verwaltung die Rede ist, geht es oft um offene Systeme und Anbindungen an andere Systeme. Wie stehen Sie dazu?

Microsoft ist mittlerweile der größte Open-Source-Anbieter. Allein die Aquisition von Github zeigt in welche Richtung wir da gehen. Bezüglich Hardware und Software sind wir schnittstellenoffen. Beispielsweise arbeiten wir in Österreich mit 3.500 Partnern zusammen, die ihre Applikationen auf Azure laufen lassen, um damit ihren Kunden einen Mehrwert zu liefern. Ich sehe Microsoft im Bereich Open Source nicht als Blockierer, sondern vielmehr als Enabler.

Stichwort Bildung und Fachkräftemangel. Wie sehen Sie dieses Thema und wo setzten Sie hier Ihre Schwerpunkte?

Wir decken tatsächlich vom Kindergarten bis hin zur Hochschule den kompletten Bereich ab. Im Bereich Erwachsenenbildung haben wir eine Initiative gestartet, wo wir Fachkräfte ausbilden und dem Fachkräftemangel entgegenwirken wollen. Dazu gehört, dass wir über die Schulen gesteuert den Schülern kostenlose Lizenzen anbieten, damit die Kinder schon mit den Skills ausgestattet werden, die sie im zukünftigen Leben brauchen. Wichtig sind natürlich die Lehrer, von denen stark abhängt, was angenommen wird und was nicht. Wenn die Lehrer Innovation leben, kann das an die Schüler weitergegeben werden.

Das zeigt, wie wichtig es die Ausbildung der Lehrer ist. Gehen Sie auch an Schulen?

Wir gehen auch an Schulen und wir hosten Events, wie die internationale Education Conference in Tallin Ende letzten Jahres. Dort werden internationale Beispiele gezeigt. Die Frage ist: Muss Innovation in den Lehrplan hineingeschrieben werden oder genügt es, Innovation im Mindset der Lehrer zu verankern? Es zeigt sich: Gelebte Innovation beginnt bei den Lehrern. Erwähnen will ich auch noch die die Weiterbildung im Learning Hub, das ist ein moderner Lernraum, den 2.500 Lehrer und Lehrerinnen in Österreich nutzen und der ihnen neue Möglichkeiten des Lernens zeigt.

Microsoft kann als internationales Unternehmen auf vielerlei Ressourcen und großes Knowhow zugreifen. Wie sieht die Vernetzung mit den anderen Microsoft-Niederlassungen in Europa und weltweit aus?

Ja, wir nutzen das globale Unternehmen, tauschen uns regelmäßig aus, nehmen die „lessons learned“ aus den anderen Ländern mit. Insofern ist es ein bisschen, wie Österreich sich verhält – auch wir von Microsoft Österreich lernen von den anderen, um es dann bestmöglich umzusetzen.

Sie unterrichten u.a. auch am FH Joanneum. Da haben Sie einen direkten Einblick in den Bildungsbereich. Was können Sie da mitnehmen?

Es macht mir irrsinnig viel Spaß, mein praktisches Wissen aus meiner Microsoftzeit und davor weiterzugeben. Da es ein berufsbegleitender Studiengang ist, gibt es einen hervorragenden Austausch zwischen Praxis und Theorie. Natürlich merke ich da auch jeden Tag, mit welchen Herausforderungen ein Unterrichtender zu kämpfen hat. Es gilt die Hektik im Alltag zu bewältigen, die Vernetzung der Lehrkräfte zu fördern – dafür sind Kollaborationsplattformen wie Microsoft Teams wiederum ideal.

Bei Unternehmen ist Geschwindigkeit ein großer Faktor, wie sieht es im öffentlichen Bereich aus?

Die Zusammenarbeit mit den Kunden ist eine sehr schöne. Es ist positiv, dass die Fluktuation sehr gering ist und dass das aufgebaute Knowhow über Jahre erhalten bleibt. Selbstverständlich ist die Geschwindigkeit im öffentlichen Bereich nicht ganz so hoch wie in privaten Unternehmen. Das muss es aber auch gar nicht sein. Im Gegenteil: was ich in der Privatwirtschaft ausprobieren kann, muss ich vielleicht im öffentlichen Unternehmen stärker überdenken. Da die durch Föderalismus bedingten Vernetzungen auch viel komplizierter sind als in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen kann die Geschwindigkeit gar nicht so hoch sein. Auf Grund der Digitalisierung nimmt die Geschwindigkeit jedoch auch im Public Sector zu und das bedingt Veränderungen in der Zusammenarbeit. Wir müssen die Möglichkeit des flexiblen Arbeitens bieten. Man muss auch kurzfristig auf Dinge eingehen können, wie das zuvor nicht möglich war. Es entstehen vielleicht neue Business-Modelle.


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