Smartes Vertragsmanagement

Trotz zunehmender Digitalisierung existieren viele Verträge oft nur in Papierform oder werden als digitalisierte Dokumente in Vertragsarchiven verwaltet. Wie mit künstlicher Intelligenz ein smartes Vertragsmanagement umgesetzt werden kann, erklärt Robin Schmeisser von Fabasoft in seinem Gastbeitrag. [...]

Robin Schmeisser ist Digitalisierungsexperte für Vertragsmanagement bei Fabasoft. (c) Fabasoft
Robin Schmeisser ist Digitalisierungsexperte für Vertragsmanagement bei Fabasoft. (c) Fabasoft

„Ich befürchte, dass die künstliche Intelligenz die Menschen insgesamt ersetzen könnte“, sagte Stephen Hawking 2017. Tatsächlich ist die Diskussion um den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) kontrovers. Ängste vor Veränderung und teilweise nur bedingt erfolgreiche frühe Anwendungsfälle von KI stehen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht die voranschreitende Digitalisierung mit zunehmend positiven Erfahrungen und gesteigertem Wissen bei Anwendern um die Technologie. So hat KI auch im Vertragsmanagement Einzug gehalten. Bleibt die Frage, ob es im smarten Vertragsmanagement von morgen noch menschlicher Intelligenz bedarf?

Was ist smartes Vertragsmanagement?

Um zu begreifen, wodurch sich smartes Vertragsmanagement auszeichnet, lohnt sich zunächst die Betrachtung aus übergeordneter Perspektive, abseits digitaler Technologien. Thema ist, warum Vertragsmanagement überhaupt betrieben wird. Es geht dabei weder um Vertragserstellung, Klauselmanagement, Freigabeprozesse oder andere Teilaspekte von Verträgen. Die Kernintention für Vertragsmanagement lautet Kontrolle. Aus diesem Primärziel leiten sich alle weiteren Aspekte ab. Verträge definieren Spielregeln. Diese manifestieren die Rechte und Pflichten, die Potenziale und Risiken für unternehmerisches Handeln sowie Erfolg. Selbstverständlich trachten Unternehmen folglich danach, maximale Kontrolle über den Vertragsbestand zu erlangen und sicherzustellen.
Wer seinen Bestand an Verträgen nicht nur überblickt, sondern auch jegliche Details präzise erfassen kann, kommt dem übergeordneten Ziel sehr nahe. Maßgeblich ist der tägliche zeitliche Aufwand, den es bedarf, diesen Zustand abzusichern oder neu herzustellen. Genau hier ergibt sich der Anknüpfungspunkt für moderne, digitale Vertragsmanagementsoftware.

Im Zentrum steht immer die digitale Vertragsakte als Klammer um alle relevanten Informationen, Dokumente und Korrespondenz zu einem Vertrag. Individualisierbare Vertragslisten, deren spezifischer Funktionsumfang signifikant über herkömmliche Tabellenkalkulationen hinausgeht, fassen die Verträge zusammen. Die medienbruchfreie Verbindung zum Kalender gewährleistet die Einhaltung von Terminen und Fristen. Zudem beschleunigt die jederzeitige Erreichbarkeit – auch von mobilen Endgeräten – Abläufe, beispielsweise die Unterfertigung von Verträgen mit fortgeschrittenen digitalen Signaturen. Das sind wesentliche Bestandteile digitaler Vertragsmanagementsoftware. Die künstliche Intelligenz braucht dieses Fundament zur Entfaltung Ihres vollen Potenzials.

Wie funktioniert KI im Vertragsmanagement?

Die Anwendung von KI im Vertragsmanagement betrifft die vertraglichen Inhalte, die sie durch gezieltes Training zu verstehen lernt. Um dorthin zu gelangen, erfolgen idealtypisch stets drei Schritte:

  • Schritt 1: Aus Bildern entwickeln sich Worte: Eingescannte Verträge liegen nahezu immer im PDF-Format vor, deren maschinelle Lesbarkeit per se nicht gegeben ist. Die Optical Character Recognition-Technologie (OCR) erkennt aus den Bildpunkten Buchstaben und baut daraus Wörter und Sätze. Text, den KI nun zu erfassen vermag.
  • Schritt 2: Den Text verstehen: Die vertragliche Sprache gestaltet sich durchaus homogen. Ein großer Vorteil, da die künstliche Intelligenz in Form von neuronalen Netzen das gewünschte Verständnis für die vertraglichen Inhalte erlernen muss. Für eine effektive Vertragsverwaltung reicht der Fokus auf ausgewählte zentrale Metadaten wie Vertragspartner, Vertragssummen, Termine und Fristen. Ein weiterer Bonus, der gezieltes Training und Standardisierung ermöglicht.
  • Schritt 3: Verträge und Abschnitte klassifizieren: Neben dem Verständnis für konkrete vertragliche Inhalte ist es ebenso bedeutend, die Klasse eines gesamten Dokuments oder ausgewählter Abschnitte zu begreifen. Dadurch lässt sich feststellen, um welche Vertragsart es sich handelt, und ob spezifische Vertragsbestandteile enthalten sind.

Die KI extrahiert verstandene Informationen. Damit liegen die Inhalte digital und vielseitig anwendbar vor.

Einige Beispiele für KI im Vertragsmanagement

Schnelles Finden ohne Umwege: Da mittels OCR Vertragsinhalte zugänglich sind, durchleuchten semantische Volltextsuchen das gesamte Vertragsarchiv inklusive der Inhalte von PDF-Dokumenten. Weiterführende intelligente Suchfunktionen bestechen mit smarter Reihung der Treffer, Filtermöglichkeiten und Dokumentenvorschau zur Erleichterung der finalen Auswahl. Die Bruchstelle zwischen gedanklicher Suchintention und zu verwendendem Suchbegriff löst sich auf.

Beschleunigte Digitalisierung: Um die Werkzeuge eines digitalen Vertragsmanagements zu nutzen, muss zunächst der Sprung in die digitale Welt gelingen. Angesichts enormer Vertragsbestände oft eine Mammutaufgabe. Nicht so, wenn künstliche Intelligenz diese hochgradig repetitive und somit durchaus fehleranfällige Arbeit übernimmt. Diese überführt die Metadaten gemeinsam mit dem Vertragsdokument in die digitale Vertragsakte. Eingehende neue Verträge digitalisiert die KI auf Knopfdruck.

Automatisiertes Fristenmanagement: Im gleichen Vorgang auch das Fristenmanagement zu automatisieren, ist naheliegend, da die künstliche Intelligenz Termine und Fristen ebenso versteht. Ein smartes Vertragsmanagement erinnert mit E-Mails oder Push-Notifications automatisiert daran.

Wo die künstliche Intelligenz endet, fängt die menschliche Intelligenz an

Der gemeinsame Nenner in der Anwendung künstlicher Intelligenz liegt in der Automatisierung und Beschleunigung manueller Prozesse. Tätigkeiten ohne hohen inhaltlichen Anspruch, die jedoch sehr viel Zeit und Genauigkeit erfordern, reduziert die Technologie konsequent. Sie liefert schlichtweg schneller eine bessere Basis für das Agieren und schafft mehr Zeit für wertschöpfendere Aufgaben. Vertragserstellung, Bewertung von Risiken, Steuerung von Rechten und Pflichten, Interaktion mit den Akteuren sowie Entscheidungsfindung bleiben weiterhin den Vertragsmanagern vorbehalten. Folglich muss der Einsatz künstlicher Intelligenz am Ende des Tages in höhere Qualität des Vertragsmanagements münden. Jedoch nicht, weil sie menschliche Intelligenz ersetzt, sondern deren Aktionsspielraum signifikant erhöht.

*Robin Schmeisser ist Digitalisierungsexperte für Vertragsmanagement bei Fabasoft.


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