Unternehmensinterne Social-Media-Plattformen bringen Teamarbeit und Wissens-Management auf ein neues Niveau. Die allgegenwärtige E-Mail-Kommunikation wird teilweise abgelöst. Vier Beispiele zeigen die Entwicklung. [...]
Erwähnen Sie in Europa nicht Facebook, wenn sie mit Unternehmen sprechen. Die Plattform hat in den Firmen einen ganz negativen Ruf, empfiehlt Stefan Ried, Principal Analyst bei Forrester Research. „Meiden Sie auch den Begriff Social Media, denn er trifft nicht das, was in den Firmen gerade vor sich geht. Social Enterprise oder Social Business sind bessere Ausdrücke.“ Mehr und mehr Anwender interessieren sich offenbar für die Kommunikations- und Darstellungsmöglichkeiten der öffentlichen sozialen Netze, wollen ihre Nutzer und Inhalte aber nicht in die Plattformen mit dem oft zweifelhaftem Datenschutz entlassen.
Dafür stehen diverse Tools bereit, mit denen sich hausintern soziale Netze einrichten lassen. Sie bieten Facebook-ähnliche Dienste wie Activity-Streams, Dokumenten-Sharing und Collaboration. „Bislang gab es zwei Paradigmen für die digitale Kommunikation, ein dokumenten- und ein transaktionsbasierendes.“ Mit der sozialen Interaktion habe sich nun ein drittes Paradigma etabliert, erklärt Ried die Hintergründe.
Die dokumentenbasierende Kommunikation werde vor allem vom E-Mail-Verkehr getragen, der sich in vielen Fällen aber als ineffizient erwiesen habe, weil er beispielsweise keine gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten ermögliche. Eine transaktionsgestützte Kommunikation finde sich etwa in der Warenwirtschaft, wo Eingabemasken und Datenbanken für eine strukturierte und sichere Datenverarbeitung sorgten.
In diese seit rund 15 Jahren geltende Grundordnung dringe nun mit Macht die soziale Interaktion ein. Aktivitätsströme, in die sich interessierte Teilnehmer einklinken können, liefern relevante Informationen und bilden Arbeitsprozesse ab. Ried veranschaulicht das anhand eines Beispiels aus dem Verkauf: Ein Verkäufer erbittet vom Vorgesetzen die Freigabe für einen besonderen Preisnachlass für einen Kunden. Im Activity-Stream beobachtet der Chef alle Neuerungen und reagiert bei Bedarf.
Möglicherweise sieht auch ein zweiter Verkäufer den Vorgang und weist darauf hin, dass der Kunden bereits zuvor an anderer Stelle einen ordentlichen Nachlass angefragt hatte. Die Kommunikation wird also transparenter und verzweigt zu allen relevanten Gesprächspartnern. Sie ist nicht auf den Workflow vom Kunden, zum Verkäufe zum Vertriebschef und zurück beschränkt. „Die Art und Weise wie man kommuniziert, wird leichter, direkter und schneller, aber auch granularer“, beobachtet Ried. Wir haben uns bei vier Unternehmen umgehört.
AVL: VERKAUFSPROZESS RUND UM CHATTER EINGERICHTET Der österreichische Automobilzulieferer AVL macht sich die Transparenz des Social Business im Verkaufsprozess zunutze. Das Unternehmen hat sich schon 2008 für Salesforce.com als CRM-Lieferanten entschieden. Als der Hersteller seine Mietsoftware im Jahr 2010 um die Social-Media-Komponente „Chatter“ erweiterte und diese den Kunden zur Nutzung anbot, zeigte sich AVL zunächst wenig interessiert. Man fand den Hype um Facebook, Twitter, Collaboration und Social Media überzogen und konnte auf Anhieb keinen echten Nutzen für das eigene Unternehmen entdecken.
Doch die Salesforce-Vertriebler blieben hartnäckig und überzeugten den Kunden von einem Pilotprojekt. „Heute kommunizieren die 20- bis 40-jährigen Kollegen im Vertrieb fast ausschließlich über Chatter“, sagt Michael Blickle, Geschäftsführer bei AVL und verantwortlich für den weltweiten Verkauf. Die Erfahrungen mit dem Tool seien positiv, die Substitution der E-Mail habe begonnen.
Kundendaten im Activity-Stream Chatter ist zur zentralen Plattform im Opportunity-Management von AVL geworden. Jedem möglichen Kunden werden bestimmte Parameter (etwa Umsatz- und Margenpotenzial, zuständige AVL-Ansprechpartner) sowie eine Phase im Verkaufsprozess zugeordnet (etwa erste Kontaktaufnahme oder Geschäftsabschluss). Sobald sich ein Wert ändert, weil etwa ein Mitarbeiter die potenzielle Marge angehoben hat oder eine Gesprächsprotokoll angelegt hat, fließt die Neuerung in einen Activity-Stream ein und informiert die relevanten Kollegen.
Für AVL ist der schnelle und transparente Informationsfluss wichtig, weil viele Kunden sehr groß sind und weltweit arbeiten. Die Bemerkung eines Kunden in einem brasilianischen Fertigungswerk kann die Entscheidung des Einkäufers in der japanischen Zentrale beeinflussen. Der AVL-Kollege in Japan müsse daher stets genau informiert sein, um zügig reagieren zu können.
„Über diesen gesamten global angelegten Prozess gibt es natürlich eine rege Kommunikation im Verkaufsteam. Mit Chatter ist die Kommunikation schnell, unmittelbar und vor allem leicht, weil sie weniger formell ist“, lobt Blickle die Abläufe. Damit der Informationsstrom nicht zum Überfluss wird, lassen sich die Acitivity-Streams begrenzen. Blickle beobachtet als weltweiter Chef des Verkaufsteams beispielsweise nur Opportunities ab einem Volumen von eine halbe Million Euro oder sich verändernde Margen.
Neben dem Aktivitätsstrom schätzen AVL-Mitarbeiter die integrierten Wiki- und Dokumenten-Management-Funkionen. Anfangs tat sich Salesforce offenbar mit einem vernünftigen Dokumenten-Sharing in Chatter schwer, doch mittlerweile wurde die Software mehrfach überarbeitet, so dass AVL auch diese Möglichkeit nutzt und schätzt. Auch hier erweist sich das Social-Business-Tool als hilfreich, wenn weltweit verstreute Teams zusammen beispielsweise eine Kundenpräsentation bearbeiten. Sie wird samt fortschreitender Versionierung an einem zentralen Speicherort abgelegt, Zugriffsrechte schützen vor unberechtigtem Zugang.
Nachjustieren mussten die Verantwortlichen allerdings, als Anwender eine Vielzahl sehr spezieller Diskussionsgruppen gründeten und wichtige Informationen in den Tiefen des sozialen Netzes zu verschwinden drohten. Das Verkaufsteam zog die Notbremse und einigte sich auf Guidelines, die unter anderem definieren, welche Inhalte zwingend in die Opportunity-Streams einfließen müssen und welche in Diskussionsgruppen zur Sprache kommen dürfen.
Mobiler Zugriff erleicht den Zugang Der zeitweilige Wildwuchs ist aber auch Beleg dafür, wie dankbar viele Mitarbeiter das interne soziale Netz angenommen haben. Insgesamt 1000 Mitarbeiter haben einen Salesforce- und Chatter-Zugang, pro Monat entstehen in dieser Community rund 4500 Postings.
Rege Beteiligung zeigen insbesondere solche Bereiche, in denen flächendeckend iPads und iPhones ausgerollt wurden. Die mobilen Geräte vereinfachen den schnellen Informationsaustausch in besonderer Weise. „Wir sind ein Hightech-Unternehmen und müssen unseren Mitarbeitern Arbeitsmittel an die Hand geben, die State-of-the-Art sind“, sagt Blickle.
Sinnvoll einsetzbar, so betont der Manager, sei das Tool für eindeutig eingrenzbare Anwendungen. Bei AVL sind dies der Vertriebsprozess und das Opportunity-Management. Ein Rollout im gesamten Unternehmen ist nicht geplant. „Es gibt viele sensible Bereiche, etwa in der Entwicklung, in denen eine transparente Kommunikation über das gesamte Unternehmen hinweg nicht angebracht ist“, schränkt der AVL-Geschäftsführer ein.
VERIVOX: MIT JIVE EINE INTERNE SOCIAL-BUSINESS-WELT ERSCHAFFEN Verivox, Betreiber des gleichnamigen Verbraucherportals f
Be the first to comment