ITWelt.at sprach mit Martin Resel, stellvertretender CEO von A1, über seine zusätzlichen Aufgaben seit Anfang September, die Rolle von A1 im Bereich digitale Souveränität und die Balance zwischen Abhängigkeiten und Eigenständigkeit. Sein Credo: Europa bleibt nur durch Kooperation und gemeinsamen Schulterschluss wettbewerbsfähig. [...]
Welche zusätzlichen Aufgaben bringt die Funktion als stellvertretender CEO seit September mit sich?
Martin Resel Ich verantworte weiterhin das gesamte A1 B2B-Geschäft – von Ein-Personen-Unternehmen und kleinen und mittleren Betrieben bis zu Großkonzernen sowie dem öffentlichen Sektor mit Gemeinden, Städten und dem Bund. Mit der Funktion als stellvertretender CEO kommt unternehmensweites Stakeholder-Management hinzu, also die Abstimmung mit diesen Partnern über alle Geschäftsbereiche hinweg. Neu ist auch, Themen wie Souveränität konsequent zu positionieren. Das Thema Souveränität betrifft nicht nur das B2B-Segment, sondern die A1 insgesamt. Unsere Rolle als Teil der kritischen Infrastruktur und ein starker Eigentümer wie die ÖBAG machen das, gerade international, zu einem zentralen Feld.
Was bedeutet digitale Souveränität aus Ihrer Sicht?
Die Weltordnung hat sich von einem multilateralen Miteinander hin zu einem systemischen Wettbewerb zwischen Machtzentren entwickelt, allen voran den USA und China, die militärische, wirtschaftliche und technologische Vorherrschaft anstreben. Vor dem Hintergrund geht es um strategische Selbstbestimmung über kritische Technologien, Datenhoheit, Resilienz und verlässlichen Zugriff.
Für Staaten, Regionen und damit auch für die EU und Österreich heißt das: das Beste für Bürgerinnen und Bürger herauszuholen, ohne sich naiv auf dauerhafte Verfügbarkeit und Wohlwollen anderer zu verlassen. Es geht nicht um Abschottung, sondern um eine nüchterne Analyse von Abhängigkeiten und den gezielten Aufbau eigener Handlungsfähigkeit, damit wir unsere Leistungen jederzeit erbringen können.
Wie realistisch ist eine Abkoppelung?
Wir sind technologisch und wirtschaftlich stark von den Machtzentren abhängig. Stand heute könnten wir weder Hardware noch Software in ausreichender Tiefe eigenständig produzieren. Unsere Wertschöpfung ist auf globale Lieferketten ausgerichtet. In dieser Lage fehlen uns die Verhandlungsmacht und Alternativen, was sich bei Zöllen oder regulatorischen Fragen sofort zeigt. Eine Digitalsteuer oder gar das Verbot zentraler Plattformen würde die eigene Wirtschaft empfindlich treffen. Wenn Lösungen wie Microsoft Office 365 verteuert oder ausgeschlossen würden, käme in vielen Unternehmen die Kommunikation ins Stocken, Kosten stiegen, Produktivität fiele. Die Folge wäre sinkende Wettbewerbsfähigkeit, weniger Exporte, mehr Insolvenzen, steigende Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Instabilität.
Ziel muss es daher sein, unsere Resilienz konsequent aufzubauen. Der Staat, Leitbetriebe und jede einzelne Organisation tragen dafür die Verantwortung.
Was sind die ersten Schritte zu mehr Souveränität?
Der erste Schritt ist, Abhängigkeiten nüchtern zu prüfen und tragfähige Alternativen aufzubauen: zusätzliche Lieferanten evaluieren, alternative Routen identifizieren und, wo möglich, europäische Anbieter einbeziehen. Besonders bei unternehmenskritischen Leistungen geht es darum, wieder mehr eigene Kontrolle zu gewinnen. Viele haben in der Vergangenheit Offshoring oder Nearshoring genutzt, weil sie günstig waren. Wenn Dienstleister in Fernost aber nicht verfügbar sind, leidet die Leistungserbringung. Wir haben deshalb zentrale Tätigkeiten wieder in den Konzern zurückgeholt, bündeln Kompetenzen innerhalb der A1-Gruppe und vermeiden, dass Kernleistungen von externen Partnern außerhalb der Gruppe abhängen. Entwickler und Entwicklerinnen sitzen innerhalb des Konzerns. Genau diese systematische Risikoanalyse entlang der Lieferketten und der Serviceerbringung ist essenziell. Sie ist eine Aufgabe für die EU und den Staat – und für jedes einzelne Unternehmen.
Wie lassen sich die souveränitätsrelevanten Leistungen von A1 skizzieren?
Wir verstehen uns als Digitalisierungspartner und liefern vorrangig Managed Services. Fundament ist die Connectivity: Mit dem Resilient Network gestalten wir Unternehmensanbindungen maximal ausfallsicher – von Layer-1-Infrastruktur im eigenen Eigentum oder bei streng geprüften Partnern über primär europäische Hersteller im Core-Backbone – aktuell rund 90 Prozent, Ziel 100 Prozent – bis hin zu USV-Anlagen. Besonders das Gesundheitswesen und systemkritische Branchen wie der Lebensmittelhandel fragen diese hochverfügbare Anbindung stark nach. Auf diesem Netz liegt durchgängig Cyberschutz, der die Basis zusätzlich härtet. Darauf aufbauend verfolgen wir einen hybriden Cloud-Ansatz. Wo Hyperscaler Mehrwert stiften, arbeiten wir als großer Microsoft-Partner eng zusammen und haben eine eigene Dark-Fiber-Verbindung zwischen dem Microsoft-Rechenzentrum und unserem Data Center aufgebaut. Der innere Kern ist unsere europäische Cloud-Plattform Exoscale, auf der wir insbesondere KI-Infrastruktur abbilden und europäische Large-Language-Modelle wie Mistral oder Aleph Alpha performant betreiben.
Was erwarten Sie sich auf europäischer Ebene, um die digitale Souveränität zu stärken?
Europa ist ein großer, starker Wirtschaftsraum mit hoher Kaufkraft, exzellenter Forschung und einer leistungsfähigen Industrie. Das Potenzial ist da, externe Technologien offen aufzunehmen, weiterzuentwickeln und daraus eigenständige Lösungen zu formen. Es besteht kein Zweifel: Souveränität braucht Solidarität. Eine umfassende Landes- und Wirtschaftssicherung gelingt nur im europäischen Schulterschluss. Für mich kommt noch etwas Grundsätzliches dazu: Neugier und die Bereitschaft, uns ständig zu hinterfragen. Hoher Lebensstandard ist kein Ruhekissen. Wenn wir Prozesse, Produkte und Prioritäten kontinuierlich verbessern und gleichzeitig europäisch zusammenstehen, können wir unsere Position im systemischen Wettbewerb nicht nur behaupten, sondern ausbauen – im Interesse der nächsten Generationen.

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