Nicht nur dass immer mehr Daten generiert werden – sie müssen auch archiviert werden. Daher forschen Wissenschaftler und Unternehmen an Verfahren, die sowohl große Datenmengen speichern, als auch eine lange Archivierungsdauer gewährleisten. Eine vielversprechende Technologie ist DNA Storage, weiß Speicherexperte Manfred Berger von Western Digital. [...]
Im Zettabyte-Zeitalter (1 Zettabyte = 1 Milliarde Terabyte) stellt die Verarbeitung und Speicherung der stetig wachsenden Datenflut Unternehmen vor große Herausforderungen – vor allem, wenn sie mit datenintensiven Feldern wie künstlicher Intelligenz (KI), intelligenter Videoüberwachung oder Analysen in Berührung kommen. Zwischen der Datenmenge, die Unternehmen wirtschaftlich und effizient speichern können, und dem Speicherbedarf entsteht eine Lücke, die immer größer wird. In diesem Zusammenhang gewinnt Cold Storage, also die langfristige Archivierung, zunehmend an Bedeutung.
Cold Storage
Ein erheblicher Teil aller erzeugten Daten besteht aus unstrukturierten Informationen wie beispielsweise Aufnahmen von Videoüberwachung, Sensordaten oder Bildern, die ein großes Potenzial für zukünftige KI- oder Analyse-Anwendungen bieten. Für solche Daten, die nicht (sofort) aktiv genutzt und erst bei Bedarf abgerufen werden, ist Cold Storage ideal. Nicht umsonst ist es das am stärksten wachsende Segment bei der Datenspeicherung – bis 2025 könnten rund 80 Prozent aller digitalen Informationen in Archiven lagern. Vor allem aber ist die Methode kostengünstig im Vergleich zur primären Speicherung.
Cold-Storage-Archive finden sich typischerweise auf Magnetbändern oder Festplattenlaufwerken (HDDs). Diese verursachen im Allgemeinen weniger Kosten, haben ein höheres Speichervolumen und ermöglichen eine längere Speicherzeit als Flashspeicher (wie etwa SSDs). Da der Zugriff auf archivierte Daten jedoch mehr Zeit in Anspruch nimmt, ist die wichtigste Frage für Unternehmen beim Umstieg auf Cold Storage: Wie oft und wie schnell muss ich auf die Daten zugreifen? Üblicherweise handelt es sich hier um Daten, die erst nach Monaten oder Jahren wieder genutzt werden.
Schon heute spielen HDDs der neusten Generation mit bis zu 26 Terabyte Kapazität eine entscheidende Rolle für Cold-Storage-Lösungen. Sie verbessern den Zugang zu Archiven und senken idealerweise die Gesamtbetriebskosten (TCO). Dafür sorgen beispielsweise eine höhere Flächendichte auf der Scheibe der Festplatte oder mechanische Neuerungen und Materialinnovationen wie überarbeitete Verschlusstechniken und der Einsatz von Helium statt Luft in der Festplatte. Aber auch die Architektur von Systemen zur Datenaufbewahrung wird stetig optimiert.
DNA Storage: Realität statt Science-Fiction
Für Archivierungen über einen langen Zeitraum von hundert Jahren oder mehr sind neue Lösungen und Innovationen gefragt. Als besonders vielversprechend erweist sich dabei DNA Storage, die Speicherung digitaler Daten auf Basis der Molekülstruktur von DNA. Was nach Science-Fiction klingt, ist bereits heute umsetzbar und könnte die Zukunft der Datenspeicherung maßgeblich beeinflussen. Auch wenn die Idee bereits mehrere Jahrzehnte alt ist, konnte erst der enorme Fortschritt der vergangenen Jahre in der Gentechnik und -sequenzierung DNA Storage möglich machen.
DNA-Moleküle bestehen aus einer Kette von Nukleotiden, die jeweils eine der vier Basen Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin (abgekürzt: ATGC) enthalten. Für die Datenspeicherung muss lediglich der binäre Code, der die Informationen enthält, in eine Abfolge von ATGC kodiert werden. Aus dieser Vorlage wird dann künstliche DNA erschaffen, die später wieder sequenziert und zurückübersetzt werden kann. Statt (elektro-)magnetischer oder optischer Verfahren nutzt DNA Storage also eine chemische Methode, um Daten zu speichern.
Die Vorteile, die sich daraus ergeben, sind groß. Sprechen wir bei digitalen Medien über eine Haltbarkeit von Jahrzehnten, so ermöglichen DNA-basierte Archive eine Speicherung über Tausende von Jahren. Das liegt unter anderem daran, dass die synthetische DNA in Kapseln aus Kieselsäure aufbewahrt und so vor Feuchtigkeit geschützt wird. Zudem verändert DNA sich nicht – die Lesbarkeit wird auch in ferner Zukunft nicht beeinträchtigt durch veraltete Formate oder fehlende Lesegeräte.
Aber auch die Speicherdichte von DNA Storage sucht ihresgleichen. Eine der winzigen Kugeln kann Milliarden Gigabytes an Daten speichern. Damit wird selbst die Kapazität der modernsten Bandkassette um den Faktor 100.000 übertroffen.
Um das Potenzial der DNA-Datenspeicherung voll auszuschöpfen, hat Western Digital zusammen mit anderen Unternehmen die DNA Data Storage Alliance ins Leben gerufen. Mittlerweile hat sich eine ganze Reihe namhafter Organisationen angeschlossen.
Was ist die DNA Data Storage Alliance?
Die DNA Data Storage Alliance wurde im Oktober 2020 von den Unternehmen Illumina, Microsoft, Twist Bioscience und Western Digital gegründet. Das Ziel der Allianz ist die Schaffung und Förderung eines interoperablen Speicher-Ökosystems auf der Grundlage von DNA als Datenspeichermedium.
In einem ersten Schritt soll die Öffentlichkeit über diese Technologie informiert werden und ein Bewusstsein für ihre enormen Möglichkeiten zur Bewahrung unseres digitalen Erbes zu schaffen. Darüber hinaus wird das Bündnis in dem Maße, in dem die Methoden der kommerziell nutzbaren DNA-Speicherung besser verstanden werden, Empfehlungen für die Erstellung von Spezifikationen und Standards (z. B. Kodierung, Zuverlässigkeit, Aufbewahrung, Dateisysteme) aussprechen, die es den Endbenutzern ermöglichen, ihre bestehenden Speicherhierarchien um interoperable DNA-basierte Speicherlösungen zu erweitern. Das Bündnis zertifiziert oder befürwortet jedoch keine bestimmten Produkte oder Anwendungen.
Wer sich für tiefergehende Information bezüglich DNA Storage interessiert, der sei auf die Website der DNA Storage Alliance verwiesen, auf der sich diesbezügliche Whitepapers zum Download befinden.
Gegenwärtig umfasst die Allianz neben den Gründungsmitgliedern weitere 37 Unternehmen und Institutionen, darunter das Institute for Complex Molecular Systems (ICMS) der Universität Eindhoven, Dell Technologies, Universität Marburg, Fujifilm, IBM, DNA Script, Lenovo und EY.
*Manfred Berger ist Senior Manager Business Development für Data Center Solutions and Platforms, Western Digital.
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