Open Source und auch Open Mind der Verantwortlichen sind genau dann optimale Ingredenzien, wenn es darum geht, knifflige Aufgaben mit einem vernünftigen Budget in den Griff zu bekommen: die Bregenzer Stadtverwaltung und ihre VoIP-Telefonanlage. [...]
Die Kommuninkationssituation der Bregenzer Stadtverwaltung war einst ein Trauerspiel. Antike Maschinen, die am Ende ihres Lebens standen und drohten, den Mitarbeitern um die Ohren zu fliegen. Bei Erweiterungen musste die Verwaltung Dienstleister mit der Verkabelung beauftragen, Gespräche zu anderen Dienststellen wurden über das öffentliche Telefonnetz geführt – kurz: Es war ein Graus.
Laut Lukas Fetz, IT- und Organisationleiter der Stadt Bregenz, wurde in den vergangenen zehn bis 15 Jahren immer wieder versucht, die Kommunikationslandschaft zu konsolidieren, doch erst 2010 gab es das OK für die große Umstellung. »Wir benötigten eine homogene, standortübergreifende, zuverlässige, flexible und vor allem kostengünstige Kommunikationsinfrastruktur, die in die bestehende IT- und Organisations-Infrastruktur optimal eingebunden werden konnte«, beschreibt Fetz die Ansprüche. Ein weiteres Ziel war es, unabhängig vom Provider zu agieren und für die Anbindung an das öffentliche Telefonnetz sowohl traditionelle ISDN-Anbindungen als auch VoIP-Provider zu nutzen.
Fündig wurde der IT-Leiter quasi am anderen Ende Österreichs, und zwar in Wien beim Open-Source-Spezialisten Firmix. Fetz kannte das Unternehmen bereits seit längerem. Das erste gemeinsame Projekt kam zustande, als es hieß, der alten Anlage ein VoIP-System davorzuschalten, um im Fall der Fälle von der Kommunikation nicht völlig abgeschnitten zu sein. »Geht technisch nicht«, sagte der Anbieter der alten Anlage. Dank Firmix ging es dann doch.
Als das Management endlich das grüne Licht für das Umstellungsprojekt drückte, wurde die Kommunikationslandschaft der Kernverwaltung komplett auf das neue IP-System Fats2 von Firmix umgestellt und der alte Anlagenverbund abgeschaltet. Bestehende Durchwahlnummern wurden übernommen, Faxgeräte und analoge DECT-Telefone im neuen System integriert. An Stelle eines einzelnen Vermittlungsplatzes können sich jetzt mehrere Mitarbeiter als Vermittlungsagenten über einen Standard-Webbrowser anmelden und mit ihrem Standardtelefon diese Aufgabe übernehmen. Diese Vermittlungsplatzfunktion wird auch innerhalb von Teams genutzt.
Zudem mussten dislozierte Einheiten wie Kindergarten, Musikschule, Bauhof oder Theater – kurz alle städtischen Abteilungen – standortübergreifend eingebunden werden, zwischen denen die Gespräche nun kostenlos sind und mit High-Definition-Audioqualität geführt werden können. Einmalige Vorteile, die der Geschäftsführer von Firmix, Peter Zwerina, richtig angewandt sieht: »Für eine kommunale Verwaltung mit den verschiedenen Bereichen und deren unterschiedlichsten Anforderungen bringen VoIP-Kommunikation und die Einbindung der Telefonie in die IT-Infrastruktur Flexibilität und Kosteneinsparungen. Unser professionelles Know-how eröffnet hier weite Möglichkeiten.«
EIN OHR FÜR DEN BÜRGER
Durch abteilungsspezifische Ansagetexte werden Anrufer nicht mit den üblichen, nichtsagenden Angaben vertröstet, sondern bekommen tatsächlich weiterführende Informationen. Bei Bedarf entscheiden Bürger, die den gewünschten Mitarbeiter nicht erreichen konnten, selbst über die weitere Anrufaktion. Sie können zum Beispiel auf das Freiwerden der Nebenstelle warten, eine Sprachnachricht hinterlassen oder einen anderen Mitarbeiter kontaktieren. »Es muss gewährleistet sein, dass Anrufer schnell und unkompliziert den richtigen Ansprechpartner erreichen« meint Fetz, der auch für die Organisation verantwortlich ist. Begeistert sind auch die Mitarbeiter von Funktionen, die das Telefonieren wesentlich komfortabler machen: persönliche-, Team- und Systemtelefonbücher, Outlook-Kontakte, Nummernwahl durch Klick im Browser, das Monitoren benachbarter Nebenstellen, automatischer Rückruf und das persönliche, webbasierende Benutzerportal. »Wichtig für die Mitarbeiter war die intuitive Bedienung der Apparate und des Portals«, so Fetz. »Eine organisatorische Erleichterung sind auch die Vertretungsmöglichkeiten. Mit dem neuen Telefoniesystem haben wir erreicht, dass Vertretungen jederzeit und ortsungebunden möglich sind. Dies betrifft nicht nur Vermittlungsarbeitsplätze sondern auch die Chef/Sek-Funktion.«
Allerdings war die Begeisterung für das neue System zu Beginn enden wollend. Lukas Fetz erklärt gegenüber der COMPUTERWELT, dass viel Überzeugungsarbeit notwendig war, die User mit den zahlreichen Funktionen vertraut zu machen. Es zeigte sich auch, dass die Nutzer für das eine oder andere Feature einfach noch nicht bereit waren. Die Lösung: Das IT-Team schaltet sukzessive Funktionen frei, sobald das Verständnis und die Nachfrage gegeben sind.
Dass er auf Open Source setzte, hat Lukas Fetz nie bereut, im Gegenteil: »Das Schönste an dem Open-Source-System ist, dass man für jedes Problem einen Lösungsweg findet, den man weiterentwickelt. Bei proprietären Systemen gerät man schnell in die Kostenfalle.« Die Weiterentwicklung betrifft etwa »die Einbindung der zehn Pflichtschulen mit ihrem Wildwuchs an Daten und Telefonanschlüssen.« Ein nächster großer Brocken ist die Mobiltelefonie, die bis dato einer anderen Dienststelle unterstand. Ende 2012 soll sie in die IT-Abteilung kommen. Für Lukas Fetz in erster Linie ein sicherheitsrelevantes Thema: »Wir werden im Herbst Richtlinien für Bregenz erarbeiten. Zu diesem Zweck werde ich mir genau ansehen, wie das etwa Graz macht, das eine Mobile-Device-Management-Software im Einsatz hat, die Plattform-übergreifend ist. Das ist schön, aber meine Budgets sind beschränkt.« So oder so, der IT-Chef zeigt sich von der Zusammenarbeit mit Firmix bis jetzt sehr zufrieden: »Die kommunale Verwaltung unterliegt einem ständigen Änderungsprozess. Mit dem Fats2-System haben wir die Möglichkeit, ein wichtiges Werkzeug für die Kommunikation mit den Bürgern anzupassen und weiter zu entwickeln.« Die Bürger von Bregenz werden es garantiert danken.
»Das Problem war die Befindlichkeit.«
Lukas Fetz, IT- und Organisationsleiter der Stadt Bregenz, im Gespräch mit der Computerwelt.
Wie war die Situation vor Einführung der Firmix-Lösung?
Lukas Fetz: Wir hatten in der Kernverwaltung ein altes, proprietäres Telefonsystem. Die Maschinen waren end-of-life und mussten daher dringend abgelöst werden.
Warum haben Sie sich für Firmix und nicht für einen großen Hersteller entschieden?
Ich habe eine Kostenerhebung gemacht und die Funktionalität der proprietären Anbieter angesehen. Die Anfangskosten und die laufenden Kosten wären zu hoch gewesen, hätte ich mit einer Standard-Lösung all das umgesetzt, was ich mir unter einer modernen Telefonanlage vorstelle. Firmix kannte ich bereits aus meiner Zeit in Wien, als ich in der Open-Source-Community sehr aktiv war. Vor Einführung der Fats2-Lösung haben wir bereits einige erfolgreiche Projekte umgesetzt.
Wie lange hat die Umstellung gedauert, was war die größte Herausforderung?
Wir haben zunächst die Kernverwaltung mit rund 350 Arbeitsplätzen umgestellt. Es war viel Überzeugungsarbeit notwendig, um die Mitarbeiter mit dem neuen System vertraut zu machen. Das Problem waren also die Befindlichkeiten der User. Die Umstellung selbst ging an zwei arbeitsintensiven Wochenenden über die Bühne. Am ersten Wochenende stellten wir die neuen Telefone auf. Zur Beruhigung der Mitarbeiter sind das alte und neue System parallel gelaufen. Eine Woche später haben wir die alten Telefone abgebaut.
Ist BYOD ein Thema?
Die Mobiltelefonie war bis dato einer anderen Dienststelle zugeordnet, Ende des Jahres kommt sie zur IT-Abteilung, was längst überfällig war. Bis dahin wollen wir die notwendigen Sicherheitsrichtlinien und Rahmenbedingungen definieren – auch was das Mitarbeiterverhalten betrifft. Danach kann ich beide Bereiche zusammenwachsen lassen. (su)
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