Als CIO und CPO (Chief Procurement Officer) der Österreichischen Post AG vereint Horst Ulrich Mooshandl recht unterschiedliche Tätigkeiten in einer Person. Den Vorteil sieht er darin, dadurch das Unternehmen mit einem 360-Grad-Blick verstehen zu können. [...]
Welche Vorteile beziehungsweise Herausforderungen bietet die Kombination CIO und CPO?
Die Herausforderung liegt sicher in der recht unterschiedlichen Aufgabenstellung in den unterschiedlichen Themenstellungen. Der thematische Sprung von den Energiekosten/Versorgung zur Event-Streaming-Technologie ist groß. Vorteile bestehen vor allem darin, das Unternehmen selbst in einem 360-Grad-Blick zu verstehen. Als mir die Rolle des CIO angeboten wurde, gab es den Wunsch, den Einkauf nicht von mir personell abzutrennen. Meine Verantwortung für den Konzern-Fuhrpark und die E-Mobility habe ich abgegeben. Aufgrund des außerordentlich tollen Teams, das ich habe, war es mir möglich diesem Wunsch nachzukommen, ansonsten wäre das nicht optimal lösbar. Wie haben in der IT 550 Mitarbeitende über ganz Österreich verteilt mit Schwerpunkt Wien.
Gibt es als CIO der Österreichischen Post Unterschiede zu CIOs in anderen Branchen?
Ich denke schon. Wir haben die Ambition, alle Technologie-Themen unserer ca. 800 Applikationen abzudecken, das heißt, vom first Level bis zur (teilweise eigenen) Softwareentwicklung. Wir reduzieren die IT nicht auf die Infrastruktur und die Shared Services. Die inhaltliche Mission ist das Unternehmen als Ganzes technologisch zukunftsfit zu machen. Das aber nicht zum Selbstzweck, sondern aus einem tiefen Verständnis unseres Geschäftsmodells, sowohl fachlich als auch emotional.
Der CIO soll (wie über Zeit die ganze IT) nicht „nur“ IT-Chef sein, sondern auch Unternehmer. Es muss uns gelingen, die IT und die Geschäftsbereiche so weit wie möglich zu verschränken. Trotzdem behält jeder seine fachliche Expertise. Da ich selbst keine IT-Silokarriere habe, begünstigt das diesen Zugang.
Was waren bisher Ihre Meilensteine, die Sie in puncto Digitalisierung umgesetzt haben?
In den letzten Jahren haben wir uns mit einer Vielzahl von Innovationen beschäftigt. Das bestätigen auch externe Auszeichnungen wie das Digitalisierungs-Barometer 2021. Bei dieser Kooperation zwischen BMDW, fit4internet und dem Trend-Magazin wurden 50 Unternehmen als Vertreter der „Digital Excellence“, „Digital Transformation“ oder „Digital Fitness“ hervorgehoben, die lange vor der Pandemie den Zusammenhang von digitalen Projekten und Geschäftserfolg erkannt haben. Dabei wurde die Post als eines dieser Unternehmen ausgezeichnet. Auch unsere User haben uns drei Jahre hintereinander beim IT Excellence Benchmark des CIO Magazins und der TU München unter die Top 3 gebracht.
Zunächst haben wir die Hard- und vor allem Software für unsere über 10.000 Zusteller und Zustellerinnen auf neue technische Beine gestellt und damit eine der größten mobilen Inhouse-Lösungen des Landes realisiert.
Echtzeittracking ist einer der wichtigsten Trends unserer Branche. Daher haben wir im vergangenen Jahr ein eigenes Inhouse IoT Competence Center gegründet, das dies nachhaltig unterstützen soll. Die technische Umsetzung erfolgt durch einen modernen IoT Hub, der beliebig skalierbar ist. In einem ersten Use Case wurden mehrere tausend Rollbehälter mit einem Tracking Device ausgestattet. Dies ermöglicht uns, zu jedem Zeitpunkt die Betriebsmittel zu orten und Abläufe zu optimieren.
Um unsere Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten oder komplett zu automatisieren, haben wir ebenfalls letztes Jahr ein Robotic Process Automation Competence Center etabliert und unsere Kollegen und Kolleginnen von Business Solutions bieten diese Lösungen auch am Markt an.
Auf der Kundenseite haben wir unter anderem eine neue Post App selbst entwickelt, genauso wie unsere neuen Webservices oder unsere neue Homepage. Für unsere Geschäftskunden und -kundinnen haben wir ein neues Portal gebaut, das auch dort Self Services für unsere tausenden KMU-Kunden und -Kundinnen bieten wird.
Im Finanzbereich steht SAP S/4HANA auf der Agenda. Wir haben als Post die Crypto Stamp erfunden und die Kollegen und Kolleginnen von shöpping haben den wichtigsten nationalen Marktplatz umgesetzt. Insgesamt haben wir in den letzten drei Jahren über 100 wichtige Vorhaben realisiert.
Wie sehr zählt die Post zur kritischen Infrastruktur und wie international ist sie?
Die Österreichische Post AG gilt in Österreich als kritische Infrastruktur für die Aufrechterhaltung des Alltags, das heißt wir sind während der Pandemie gemeinsam mit dem Lebensmittelhandel, den Apotheken und anderen für eine geregelte Versorgung der Menschen im Land verantwortlich.
Die Österreichische Post befördert in insgesamt neun Ländern Pakete sowie Paletten. Und zwar in Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Montenegro, Österreich, Serbien, Slowakei, Ungarn und der Türkei. Das Wachstum in den ausländischen Märkten ähnlich wie auch in Österreich ist vor allem dem steigenden Trend zum E-Commerce geschuldet.
Wir investieren laufend in unsere internationalen Beteiligungen. So wurden vergangenes Jahr beispielsweise bei der türkischen Aras Kargo sieben Logistikzentren im gesamten Landesgebiet automatisiert, wodurch die Sortierleistung um 30 Prozent gesteigert werden konnte.
IT-Security ist wichtig, gleichzeitig wollen Sie kundenorientiert sein. Schließt das eine das andere nicht aus?
Ich habe da eine klare Haltung: Security vor Convenience. Niemand wird nach einem erfolgreichen Ransomware-Angriff mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen verstehen, wenn so etwas durch „zu viel“ Rücksicht auf den User begünstigt wurde. Unternehmen, die einen erfolgreichen Angriff erlebt haben, stellen sich diese Abwägungsfrage nicht mehr. Unsere Antwort ist das Cybersicherheitsprogramm „Glacis“, das wir bereits 2019, also deutlich vor dem drastischen Anstieg von Cyberkriminalität weltweit, ins Leben gerufen haben. Das Programm ist eines der strategisch wichtigsten Programme der Post. Wir setzen technische wie organisatorische Sicherheitsmaßnahmen, welche die Konzernstrategie langfristig und nachhaltig unterstützen. Diese beruhen auf einem risikobasierten Ansatz und stellen dadurch den Schutz der Daten und Informationen sicher. Aktuell werden innerhalb des Programms mehr als 20 Projekte zu Stärkung der Resilienz gegenüber Cyberbedrohungen vorangetrieben. Der Zusammenhang IT/OT wird dabei eine der nächsten großen Herausforderung werden.
Wie sehr hat die Corona-Pandemie die Arbeitswelt Ihrer Mitarbeiter beeinflusst – Stichwort Home Office, Präsenz Office, Hybrid Office?
Wir setzen in vielen Bereichen auf State-of-the-art-Technologien, daher ist es für uns essenziell, das technische Wissen inhouse zu halten und weiterzuentwickeln. Um dies weiter zu stärken, haben wir im letzten Jahr eine groß angelegte Insourcing-Initiative durchgeführt. Dabei haben wir viel IT-Wissen, besonders im Bereich unserer Kernsysteme inhouse aufgebaut, beispielsweise ein eigenes Entwicklungsteam rund um unsere Post App.
Um den Pool an Talenten mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Kompetenzen weiter zu erhöhen und durch bewusste und geförderte Diversität auch das Lernen von- und miteinander zu stärken, haben wir für neue IT-Fachkräfte in der Post in Österreich ein New Normal definiert: Wir verbinden nun das Beste aus dem Online-Office und dem Büroalltag in einem neuen flexiblen Arbeitsmodell für Informationstechniker und -technikerinnen: Jede, jeder kann – innerhalb Österreichs – arbeiten, wo er beziehungsweise sie will und bleibt durch unsere Kollaborationstools und Maßnahmen wie regelmäßige gemeinsame Team-Tage, trotzdem eng mit dem Team verbunden. Wir passen auch unsere Arbeitsumgebung im Office an dieses New Normal an. Anstelle von Einzelarbeitsplätzen setzen wir zukünftig auf Team-Pods, kleinere, abgegrenzte räumliche Einheiten, in denen ein Team zusammenkommt. An diesen Teamtagen soll auch physisch passender Raum für Austausch und Kollaboration entstehen. Dabei haben wir letztes Jahr unterschiedliche Teststellungen ausprobiert und unsere Mitarbeitenden bei der Evaluierung von Gestaltung, Möblierung und Technik der Team-Pods eng eingebunden. Zudem arbeiten wir daran, auch Standorte im europäischen Ausland zu etablieren, um unseren potenziellen Arbeitsmarkt zu vergrößern. Woran wir zukünftig arbeiten, ist eine stärkere Industrialisierung, Modularisierung und Standardisierung unserer IT-Architektur und auch unserer Anwendungsentwicklung.
Welche Rolle spielt die Cloud im Transformationsprozess der Post? Wie sieht es hier mit dem Datenschutz aus?
Die Konzern-IT der Österreichischen Post AG verfolgt schon seit einigen Jahren einen aktiven Cloud-Ansatz: Sei es beim Einsatz von SaaS-Lösungen wie Microsoft 365 oder beim Cloud-Betrieb von wesentlichen Kernapplikationen als einer der größten Cloud-Anwender Österreichs. Die DSVGO spielt dabei eine wichtige Rolle. Für die weitere Modernisierung führt aus meiner Sicht kein Weg an der Cloud vorbei. Dies muss aber weiter geordnet passieren, um nicht in schwer beherrschbare Kosten- oder neue Security-Risiken zu fallen.
Für die Orchestrierung unseres Transformationsprozesses „IT@Post“ – so heißt unser IT-Strategieprogramm – haben wir ein eigenes Transformation Office etabliert. Mir ist aber wichtig zu betonen, dass die einzelnen strategischen Vorhaben selbst aus und in den operativen IT-Einheiten erfolgen sollen. Für das IT-Portfolio selbst haben wir die bereits erwähnte digitale Roadmap. Alle diese Initiativen sind eng ineinander verschränkt.
Wie wichtig ist nachhaltige IT bei der Beschaffung, bei den Unternehmensprozessen, bei der Lieferkette für Sie? Wie sehen die Pläne hinsichtlich einer Neutralisierung des CO2-Fußabdrucks aus?
In meiner beruflichen Karriere habe ich mich immer für Nachhaltigkeit eingesetzt, vor meiner Aufgabe als CIO mit dem Aufbau der größten E-Mobility-Flotte des Landes und dem ersten österreichischen Unternehmen überhaupt, das sich der globalen Initative EV100 (Anm.: EV100 members | Climate Group theclimategroup.org, Swiss & Austrian Post commit to electrify fleets – electrive.com) angeschlossen hat.
Für unsere Vorreiter-Rolle auf nationaler und internationaler Ebene wurden wir mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem mit dem Energy Globe, einer der bedeutendsten globalen Auszeichnungen für Nachhaltigkeit und Umweltschutz.
Das fällt in einem Konzern wie der Österreichischen Post AG, die Nachhaltigkeit als einen der strategischen Eckpfeiler in der Unternehmensstrategie verankert hat, natürlich leichter.
Wir alle müssen die CO2-Emissionen verringern, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Die Österreichische Post hat das bereits vor zehn Jahren erkannt und war damals weltweit die erste Postgesellschaft, die eine CO2-neutrale Zustellung garantierte. Das bedeutet: Wir entwickeln permanent neue Lösungen, um die Zustellung von Briefen und Paketen noch effizienter und umweltfreundlicher zu machen.
So wird etwa der Fuhrpark sukzessive auf Elektromobilität umgestellt, die CO2-Emissionen der Post werden dadurch im Laufe der Zeit immer geringer. Jene, die unvermeidbar sind, werden durch Klimaschutzmaßnahmen kompensiert, wodurch die Zustellung insgesamt CO2-neutral wird.
Und: ab 2030 wird die Zustellung der Österreichischen Post zu 100 Prozent frei von CO2 sein!
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