Telkos als Plattformbetreiber

Laut Ernst&Young (EY)-Studie »Mehr als Konnektivität – digitale Chancen« soll sich der IoT-Markt in Österreich bis 2025 auf elf Milliarden Euro verdreifachen. Die Autoren sehen darin ein großes Potenzial für die Telekommunikationsunternehmen. [...]

Severin Eisl, Leiter Technology, Media and Telecommunications bei EY Österreich. (c) Ernst & Young
Severin Eisl, Leiter Technology, Media and Telecommunications bei EY Österreich. (c) Ernst & Young

Europas Telekommunikationsunternehmen (Telkos) sind zunehmendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt, müssen aber gleichzeitig sowohl im Festnetz- als auch im Mobilfunkbereich hohe Investitionen in den Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandinfrastruktur tätigen. Die Strategie vieler Telekommunikationsanbieter, neue Geschäftsfelder außerhalb des Kerngeschäfts zu erschließen, war bislang kaum erfolgreich, so die EY-Studie »Mehr als Konnektivität – digitale Chancen«.

Gleichzeitig schaffen es andere Marktteilnehmer – etwa Internetdienste wie Amazon Drive, Netflix, WhatsApp und Skype sowie die Ausrüstungsindustrie wie zum Beispiel Cisco und Huawei, unter Nutzung der von den Telekommunikationsanbietern bereitgestellten Infrastruktur, Milliardenumsätze zu generieren und sogar Teile des Kerngeschäfts der Telekommunikationskonzerne an sich zu ziehen.

Telkos brauchen neue Wachstumsfelder

Telkos stellen sich grundsätzlich die Frage, wie sie ihre Investitionen in eigene, neue Wachstumspotenziale wandeln. Dabei rücken auf der Infrastruktur aufbauende Anwendungen und Marktangebote in den Fokus, die bislang erfolgreich von spezialisierten Anbietern erbracht wurden.

Das Geschäft mit der Konnektivität – also mit der Bereitstellung der Telekommunikationsinfrastruktur vor allem für Kommunikationszwecke – dürfte auch in Zukunft nur eine untergeordnete Rolle spielen. Bereits im Jahr 2015 wurden innerhalb des gesamten Internetökosystems schätzungsweise nur noch rund 17 Prozent des Marktumsatzvolumens ausschließlich mit Konnektivität erzielt – Tendenz sinkend.

Severin Eisl, Leiter Technology, Media and Telecommunications bei EY Österreich, dazu: »Klassische Telekommunikationsunternehmen müssen heute aufpassen, nicht zu Randfiguren in einem Multi-Milliardenmarkt zu werden. Neue technologische Entwicklungen und neue internetbasierte Geschäftsmodelle versprechen zwar zusätzliche Geschäftsfelder, nur müssen die Telekommunikationsunternehmen die Chancen nutzen, die sich ihnen bieten.«

Der neue Mobilfunkstandard 5G könnte die Telkos wieder ins Spiel bringen, denn dieser ist die Basis für zahlreiche völlig neue Geschäftsmöglichkeiten, die hoffen lassen, dass die großen Investitionen in diese neue Mobilfunktechnologie auch monetarisiert und profitabel gemacht werden können. Vor allem das Internet der Dinge (IoT), also die intelligente Vernetzung von Geräten über das Internet und die Analyse der auf diese Weise anfallenden Daten, bietet enorme Marktpotenziale – sowohl im B2B- als auch im B2C-Geschäft.

IoT-Markt soll sich bis 2025 fast verdreifachen

In den kommenden Jahren werden IoT-Anwendungen die Art und Weise, wie die Menschen leben bzw. sich fortbewegen und wie Unternehmen produzieren, grundlegend verändern – zum Beispiel in Form von Smart Cities, Smart Homes, Smart Factories, vernetztem bzw. autonomem Fahren. »Obwohl einige der IoT-Anwendungen noch in den Kinderschuhen stecken und ihr volles Potenzial erst mittelfristig entfalten werden, werden bereits heute Milliardensummen umgesetzt. Das aktuelle, weltweite Marktvolumen wird auf 635 Milliarden US-Dollar geschätzt«, so Drazen Lukac, Partner bei EY Österreich.

In Österreich liegt das Marktvolumen des IoT-Marktes momentan bei rund 4,2 Milliarden Euro. Bis 2025 wird sich diese Summe laut EY-Prognose auf rund 11 Milliarden Euro nahezu verdreifachen. Das Wachstum soll in dieser Tonart weitergehen: Bis 2030 soll der IoT-Markt sogar auf das Vierfache – rund 16 Milliarden Euro – steigen. Damit liegt Österreich im internationalen Trend: Weltweit wird bis 2030 ebenfalls mit einer Vervierfachung des Marktes für Internet of Things von 635 Milliarden US-Dollar auf rund 2,3 Billionen US-Dollar gerechnet. Dann werden 50 Milliarden Endgeräte vernetzt sein.

Derzeit entfallen zehn bis 15 Prozent der Umsätze des IoT-Ökosystems auf das Kerngeschäft der Telekommunikationsunternehmen: die Konnektivität. Aber auch weitere Segmente des gesamten IoT-Marktes stünden den Telkos grundsätzlich offen, etwa der Bereich Smart Chips, auf den bis zu zehn Prozent des gesamten Marktvolumens entfallen, oder das Segment Smart Device/Smart Machine, worunter etwa die Vernetzung von Autos, Kameras und Stromzählern subsummiert werden und welches für bis zu 15 Prozent des Gesamtmarktes steht. Deutlich größere Umsatzvolumina ließen sich erzielen, wenn es den Telkos gelänge, die digitalen Plattformen und Apps bereitzustellen, über die die entscheidenden IoT-Anwendungen – etwa E-Health oder E-Mobility – abgewickelt werden.

Telkos werden Plattformbetreiber und kooperieren

An diesem gerade entstehenden gigantischen IoT-Markt haben die Telekommunikationsanbieter zwar – als Bereitsteller der Netzwerkverbindungen – bereits einen gewissen, aber begrenzten Anteil von höchstens 15 Prozent. Allerdings verpasst eine ausschließlich auf Konnektivität beschränkte Strategie weite Teile des Marktpotenzials im IoT-Bereich. Viele führende Telekommunikationsunternehmen haben die sich bietenden Chancen erkannt und verfolgen dabei zum Teil gleichzeitig mehrere Strategien: Zum einen treten sie als eigenständiger Plattformbetreiber auf und entwickeln eigene Lösungen, zum anderen gehen sie Kooperationen mit Drittanbietern ein.

Dabei dürften die Chancen für Europas Unternehmen in erster Linie im B2B-Bereich liegen, sagen die Studienautoren. Hier sind in den kommenden Jahren die höchsten Wachstumsraten zu erwarten. Darüber hinaus spielen europäische Unternehmen bei industriellen Anwendungen im B2B-Bereich, vor allem im Maschinenbau, bereits eine führende Rolle, während US-amerikanische Anbieter eher das Thema »Consumerization«, also die Vermarktbarkeit bei Endverbrauchern, in den Vordergrund stellen.

Eine der größten Herausforderungen wird für die europäischen Telkos darin bestehen, technologische Ansätze zu bieten, mit denen sie neben der hoch kapitalisierten und teils deutlich profitableren Konkurrenz aus den USA und Asien bestehen können. »Um ein größeres Stück vom IoT-Kuchen abzubekommen und US-amerikanischen und asiatischen Wettbewerbern die Stirn bieten zu können, werden europäische Telekommunikationsanbieter ihre Strategie stärker am tatsächlichen Nutzen für Anwender und weniger am technisch machbaren ausrichten müssen«, so Drazen Lukac.

Eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Vertrieb von IoT-Lösungen ist dabei die Integration der verschiedenen technischen Leistungen auf einer technischen Plattform, der ökosystemübergreifende Vertrieb mit »One Stop Shoppin« und einer Rechnung sowie der Aufbau und die Betreuung der Services aus einer Hand.

Viele mögliche Anwenderunternehmen sind sich über die tatsächlichen Potenziale der IoT-Technologie gar nicht im Klaren. Diesem Problem könnte man mithilfe von Komplettlösungen beikommen. Telkos wären hier in der Lage, Anwendungsfälle zu schaffen, indem sie relevante Hardware identifizieren und die Kompatibilität mit der eigenen IoT-Plattform sicherstellen. So könnte man den Unternehmen die Möglichkeiten des IoT über konkrete und praxisnahe Anwendungsfälle näherbringen und die Hemmschwelle senken«, so Eisl.

Telkos haben gutes Rüstzeug für den IoT-Markt

»Ihr umfangreiches Fachwissen verschafft den Telkos Vorteile, vor allem als IoT-Konnektivitätsanbieter oder als Hosting- und Cloud-Service-Provider. Und auch als IoT-Security-Anbieter können Telkos aufgrund ihrer Expertise eine wichtige Rolle spielen. Zudem sind die Telkos im Bereich Datensicherheit im Vorteil: Sie verfügen über eine gute Reputation und haben umfangreiche Erfahrung mit Sicherheitssystemen für den mobilen Datenverkehr«, so Lukac.

Derzeit richte sich ein Großteil der am Markt verfügbaren IoT-Angebote an technologische Vorreiter – womit die Mehrzahl der Industrieunternehmen in Europa außen vor bleibt. Gerade viele mittelständische Unternehmen sind beim Thema Digitalisierung nämlich derzeit noch mit grundlegenderen Prozessen und Technologien beschäftigt. »Ein stärker kundenorientierter Ansatz bei Produktentwicklung und Vertrieb gehört daher zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen größeren Erfolg der Telkos in IoT-Geschäftsfeldern. Das Ziel muss daher sein, für einfache Anwendungen schnell umsetzbare und unkomplizierte Produkte bereitzustellen«, sagt Eisl abschließend.


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