Lieber zehn schlanke Apps, die sofort Businessmehrwert bringen, als eine Monster-Anwendung, lautet das Credo des ehemaligen ECM-Anbieters Braintribe. Mit Tribefire liefert der Softwarehersteller das Bindeglied zwischen Mobility, Cloud und Big Data. [...]
Eigentlich kommt der Wiener Softwareanbieter Braintribe aus dem ECM-Umfeld und ist in diesem Bereich mit seiner Content Service Plattform seit Jahren erfolgreich unterwegs. Mit der neuen Software Tribefire jedoch, die sich nicht so einfach in eine Schublade wie ECM stecken lässt, erfindet sich das Unternehmen neu: Auf der einen Seite ist Tribefire immer noch ein ECM-System, das Daten aus unterschiedlichen Quellen miteinander verknüpft. Auf der anderen Seite bietet die Plattform über Business-Process-Management-Funktionen die Möglichkeit der Informationsmodellierung und liefert auch eine Entwicklungsumgebung mit, in der sich dann den definierten Businessmodellen entsprechend mit den verknüpften Daten Apps bauen lassen. Und zwar nicht nur von Entwicklern, sondern auch von Endanwendern auf Businessseite.
Braintribe selbst bezeichnet Tribefire mangels einer passenden existierenden Schublade als „Smart Enterprise Information Plattform“. „Wir bewegen uns dabei zwischen Mobility, Cloud und Big Data“, erklärt CEO Stefan Ebner im Gespräch mit der COMPUTERWELT. „Tribefire ist aber keine Big-Data-Plattform, sondern connectet Big Data und gibt Big Data einen Wert, indem man damit Applikationen bauen kann.“ Am Ende der fünfjährigen Produktentwicklung stand die Erkenntnis: „Das ist ja gar keine ECM-Plattform mehr, sondern eine neue Form von Programmierumgebung, mit der man schnell agile Applikationen bauen kann.“
ENTLASTUNG FÜR DIE IT-ABTEILUNG
Geschwindigkeit war dementsprechend einer der großen Treiber bei der Entwicklung von Tribefire: „Es gibt immer mehr Daten und wenn man damit Applikationen bauen will, stellt sich nicht nur die Frage, kann ich die integrieren, sondern wie schnell kann ich die integrieren“, erklärt Ebner. Ziel war eine Plattform, mit der nicht nur Entwickler arbeiten können. „Die Informationswelt ist so komplex und wir wollen auch Business-Usern ermöglichen damit zu arbeiten und nicht nur die Enduser zu sein.“ Dieser Fokus wirkt sich auch auf die Ansprechpartner auf Kundenseite aus: „Wir verkaufen inzwischen zu 80 Prozent an Business-User und nicht mehr an die IT“, sagt Ebner. Die IT-Abteilungen hätten genug zu tun und seien froh, wenn User sich selbst helfen können.
Die mit Tribefire ermöglichte Befähigung der Anwender zu Selfservice soll die IT-Abteilungen entlasten und dem oft schwerfälligen Verweigererimage entgegenwirken. „Ein Businessuser denkt nicht daran, wo die Daten liegen, in welchen Systemen, der will einfach schnell coole Anwendungen haben“, sagt Ebner. Seiner Meinung nach kann sich der B2B-Softwaremarkt hier einiges von B2C-Anbietern abschauen: „Jeder kennt Apps aus dem Privatleben, zahlt nichts dafür und hat coole Sachen. In der Firma dagegen zahlst du Millionen und musst mit schwerfälligen Systemen arbeiten. Der B2B-Markt wird sich da noch stark verändern.“ Die besten Apps sind genau auf eine Aufgabe ausgerichtet. „Das sind keine Multifunktionsapps. Die machen eine Sache schnell und gut.“ Das Gleiche gelte für die B2B-Welt: „Lieber zehn schlanke fokussierte Apps, die sofort Businessmehrwert liefern als eine große Monsterapp, deren Entwicklung so lange dauert, dass sie schon wieder veraltet ist, wenn sie fertig ist.“
Neben der schnelleren Umsetzung bieten schlanke Apps noch einen weiteren Vorteil: Businessanwender sind damit im Gegensatz zu monolithischen Anwendungen nicht überfordert und können in höherem Maße ohne Hilfe der IT-Abteilung aktiv werden. „Mit Tribefire kann man beispielsweise mit dem Userinterface einer App beginnen, da braucht man wahrscheinlich einen Entwickler dazu und parallel kann der Business Owner das Datenmodell und die Businesslogik definieren.“ Um die App zu testen, lassen sich mit Tribefire Daten simulieren, sodass es möglich ist, eine fertige App zu bauen, „ohne ein Mal bei der IT gewesen zu sein. Und erst wenn die Anwendung passt, geht man in die Echtdaten und damit zur IT-Abteilung.“
Simulationen von Prototypen im Vorfeld der Implementierung sollten laut Ebner in der Software-Branche überhaupt mehr zur Anwendung kommen: „Man sollte zuerst ein mal genau wissen, was man tut und dann implementieren. Das ist schneller und günstiger.“ In keiner anderen Branche sei es üblich, zuerst ein Produkt zu bauen und zum Schluss zu schauen, was dabei herauskommt. „Das machen nur wir in der Softwarebranche: bei uns kauft man im Blindflug etwas um ein paar Millionen Euro und der Kunde weiß nicht was er bekommt und ob es funktioniert. Das ist eigentlich absurd.“ Kunden sind jedoch vielfach ohnehin nicht mehr bereit, das zu bezahlen, was Braintribe entgegen kommt: „Wir liefern schnell nutzbare Anwendungen, wir können schnell was Fertiges herzeigen. Das ist für einen B2B-Softwareanbieter sehr untypisch.“ Auch hier könnten B2B-Softwareanbieter noch etwas mehr Konsumerisierung vertragen: „Bei jeder B2C-Plattform kann man Testaccounts anlegen und die Software ausprobieren. Wo gibt es das im B2B-Bereich?“
HANDS-ON
Dieser Hands-on-Faktor kommt auch bei Kunden gut an und so hat Braintribe heuer ohne Vertriebsaktivitäten schon15 Projekte für Unternehmen wie beispielsweise Credit Suisse, mit Tribefire umgesetzt. Das neue Produkt ist damit bereits für 90 Prozent des Jahresumsatzes verantwortlich, obwohl es erst im November offiziell präsentiert wurde. „Wir zeigen auch keine Folien mehr oder aufwendige Präsentationen, sondern sagen: Bau dir doch einfach was mit unserer Plattform. Wenn dir das gefällt, dann kommen wir ein paar Tage vorbei und bauen dir einen richtigen Prototypen“, erklärt Ebner.
Als Herzeige-App hat Braintribe unter anderem eine Vertriebs-App, die von Sharepoint über SAP bis hin zu Dropbox oder Google Apps bewusst 15 verschiedene Datenquellen integriert. „Solche Show-Apps sind extrem wichtig für uns, weil Business-User so eine Anwendung brauchen, um sich etwas vorzustellen zu können.“ Im Gesundheitsbereich zum Beispiel arbeitet Braintribe gemeinsam mit Kapsch an einer Healthcare-Anwendung zum Thema Burnout-Beratung. Zehn bis zwanzig solcher Show-Apps will Ebner vorzeigen können, wenn dann im April nächsten Jahres aktiv mit dem Vertrieb von Tribefire begonnen wird. (oli)
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