Fachkräftemangel, demographischer Wandel und Effizienz von gemischten Teams sind nur einige Gründe, warum Unternehmen und (Hoch-)Schulen vermehrt Frauen als technische Studentinnen ansprechen und diese fördern wollen. [...]
Zahlreiche Initiativen versuchen schon seit einigen Jahren, die Zahl der Studierenden in so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu erhöhen. Dies ist nun offensichtlich gelungen: Zwischen 2007 und 2011 hat ein Boom bei den Studienanfängern in den MINT-Fächern stattgefunden: Bei den Bachelor- und Diplomstudien hat die Zahl um 20 Prozent zugenommen, die Neuinskriptionen bei MINT-Lehramtsstudien haben sogar um fast 160 Prozent zugelegt.
Frauen sind als Technik-Studentinnen aber trotzdem noch Mangelware, weshalb IBM Österreich die „Blue & Mint“-Initiative ins Leben gerufen hat: „Mit Blue & Mint haben wir eine Plattform geschaffen, die junge Frauen in ihrer technischen und persönlichen Weiterentwicklung unterstützen soll, indem hier Praxis auf Lehre und Ausbildung trifft“, erklärt Tatjana Oppitz, Generaldirektorin von IBM Österreich. Die Initiative versteht sich dabei als Plattform für Studentinnen der TU Wien und Mitarbeiterinnen von IBM Österreich sowie Interessierte, die sich mit dem Thema „Women in Technology“ auseinandersetzen und dafür engagieren möchten. IBM und die Fakultät für Informatik, die als Stellvertreterin der MINT-Fächer auftritt, wollen mit ihrer Initiative neue Wege der wissenschaftlich-industriellen Kooperation einschlagen.
Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung an der TU Wien wurde den Studentinnen dabei ein Überblick über techniknahe Berufsbilder bei IBM Österreich geboten. Das Ziel der Veranstaltung als auch der Initiative ist es, die Vielfalt an Betätigungsfeldern für TU-Studentinnen aufzuzeigen und Hintergrundinformationen zu liefern, was sich hinter Berufsbildern wie IT-Architekt, IT-Spezialist, Consultant oder Projektmanager konkret verbirgt und wie die Tätigkeit in der Praxis aussieht. Marion Koidl, Skill Development Center Leader, Rassa Seyedi, Associate Partner bei Global Business Services, Heidemarie Wernhart-Zinecke, Senior IT Specialist sowie IBM Österreich Chief Technologist Helmut Ludwar ermöglichten den Studentinnen bei der Veranstaltung Einblicke in den Alltag von technisch orientierten Mitarbeitern bei IBM. Denn gerade starke und realistische Rollenbilder können helfen, mehr Frauen für Technik zu begeistern. Auch Sabine Seidler als TU-Rektorin ist überzeugt, dass Rollenvorbilder für Frauen und insbesondere für angehende Wissenschafterinnen und junge Praktikerinnen enorm wichtig sind: „Damit wird Frauen gezeigt, dass es sich lohnt, die Herausforderung eines technischen Studiums oder Berufs anzunehmen.“
1.000 EURO STATT BLUMEN
Auch andere Initiativen gehen eigene Wege, um mehr Frauen für technische Berufe zu interessieren: Bereits zum siebten Mal vergeben der FEEI – Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie und die FH Technikum Wien das Stipendium „1.000 Euro statt Blumen“ an sechs Studentinnen der FH. „Absolventinnen von technischen Studienrichtungen sind in unserer Branche sehr gefragt. Wie eine aktuelle Studie zeigt, würde die Hälfte unserer Unternehmen gerne mehr Frauen einstellen, denn es ist erwiesen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind als reine Männer- oder Frauen-Teams. Leider gibt es jedoch zu wenige Technikerinnen. Im Studienjahr 2010/2011 haben 6.966 Männer ein technisches Studium absolviert, aber nur 1.811 Frauen. Daher ist es uns als Interessensvertretung der Elektro- und Elektronikindustrie ein besonderes Anliegen, die Leistungen erfolgreicher Technikerinnen einerseits zu würdigen und andererseits zu honorieren“, erklärt Manfred Müllner, stellvertretender Geschäftsführer des FEEI. Als größte rein technische Fachhochschule Österreichs bildet die FH Technikum Wien dabei ein Viertel aller Technik-Studierenden im FH-Sektor aus. Die Initiative ist für Fritz Schmöllebeck, Rektor der Fachhochschule Technikum Wien, dabei ein „schönes und wichtiges Instrument“, um auch hier erfolgreiche Technikerinnen zu zeigen, die damit als Vorbild dienen können.
Ein Notendurchschnitt von unter 1,5 muss erreicht werden, um an der Initiative „1.000 Euro statt Blumen“ überhaupt teilnehmen zu können. „In Wahrheit ist das Rennen um die ersten Plätze jedoch viel knapper. Die Studentinnen und Absolventinnen, die wir auszeichnen, haben Notendurchschnitte von sagenhaften 1,0 bis 1,1“, sagt Angelika Ott, stellvertretende Geschäftsführerin der FH Technikum Wien. Seit dem Wintersemester 2004/2005 vergibt der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie gemeinsam mit der Fachhochschule Technikum Wien die Stipendien für fünf Studentinnen mit herausragenden Noten. Voraussetzung für die Teilnahme sind ein technisches Studium an der FH Technikum Wien sowie ein Notenschnitt unter 1,5 im vorangegangen Studienjahr. Die Anerkennung umfasst einen Gutschein für die Studiengebühr für Winter- und Sommersemester sowie 1.000 Euro in bar, die vom Fachverband und der Fachhochschule gesponsert werden. Dieses Jahr wurde ein sechstes Stipendium vergeben, bei dem die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Studium im Mittelpunkt stand.
UMFASSENDE PROJEKTE STARTEN
Doch nicht nur Hochschulen sollten Initiativen starten und unterstützen, auch Schulen und vor allem deren Pädagogen müssten sensibilisiert werden: „Das Thema Bildungsinitiative ist mir ein großes Anliegen, aber ich möchte nicht auf die Politik warten. Es gab so viele fantastische Initiativen zum Thema Bildungspolitik in Österreich, in sehr viele Papiere wurde sehr viel geschrieben, aber ich habe mich gefragt was ich heute bewegen kann. Ich kann etwas bewegen als Geschäftsführerin eines Unternehmens, indem ich meine Leute mobilisiere mit mir gemeinsam etwas zu tun – zum Beispiel Pädagogen zu schulen“, sagt Tatjana Oppitz im Gespräch mit der COMPUTERWELT. Daneben kooperiert IBM auch mit der HTL Donaustadt. Die FH Technikum Wien will sich unter Rektor Fritz Schmöllebeck ebenfalls abseits der eigenen FH für Technik engagieren. „Wir bringen Technik bereits in die Kindergärten, machen Kinder spielerisch mit technischen Fragestellungen vertraut und hoffen dadurch, langfristig Begeisterung zu wecken. Unsere Schulpartnerschaften sind ebenfalls ein gelungenes Beispiel für die Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen.“ (mi)
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