Der Boom der Tablets und Lesegeräte für elektronische Bücher führt zu einem Aufschwung des Lesens. Erste Hinweise dafür liefert das Pew Internet and American Life Project mit Zahlen aus den USA. [...]
Durchschnittlich 24 Bücher verschlingen Leser von E-Books pro Jahr – deutlich mehr als die 15 Titel jener Leser, die nur die herkömmliche Papiervariante verwenden. Jeder dritte E-Book-Nutzer gibt zudem an, seit Beginn der E-Book-Ära insgesamt mehr und zudem auch öfter als zuvor zu lesen.
E-Books haben es in den USA eindeutig aus der Nische geschafft: Jeder fünfte erwachsene Amerikaner las 2011 ein E-Book, 28 Prozent besitzen ein Lesegerät oder Tablet. Rechnet man die Lese-Apps für Smartphone oder iPods hinzu, lesen 43 Prozent der Amerikaner Nachrichten oder Magazine in elektronischer Form. Erfreulich für die Wirtschaft: E-Book-Leser haben ihr neuestes Buch eher gekauft als geliehen, zudem bevorzugen sie ganz grundsätzlich den Erwerb von Büchern.
Insgesamt hat freilich das gedruckte Buch auch in den USA noch die Nase vorne, drei von vier haben eines im Vorjahr gelesen. Besonders zum Vorlesen für Kinder, beim Ausborgen oder Verleihen scheint die Papierversion noch unschlagbar. Beim Lesen im Bett gelingt der elektronischen Variante bereits ein hauchdünner Vorsprung.
„Obwohl Europa um zwei Jahre hinter den USA hinkt, ist der Trend der Zunahme des Lesens durch E-Books auch hierzulande eindeutig, wenngleich bei uns nicht Amazons Kindle, sondern Tablets und Inkreader die Entwicklungstreiber sind“, erklärt Timo Reuter, Lese- und Medienforscher bei der Stiftung Lesen, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur pressetext.
Feldversuche in deutschen Schulklassen zeigten etwa, dass Kinder öfter zu Büchern mit vielen Seiten greifen, wenn sie elektronisch angeboten werden. „Die Hemmschwelle des dicken Buchrückens ist somit geringer“, berichtet Reuter. Auch aufgrund der Technikbegeisterung speziell der Männer könnten digitale Bücher neue Lesergruppen locken.
Allerdings verändern die papierlosen Bücher auch den Vorgang des Lesens an sich. „Bestimmte Muster, die mit dem Internet vor etwa zehn Jahren aufgekommen sind, verstärken sich durch Tablets und E-Books noch, vor allem das Häppchenlesen, Textsprünge sowie das ‚Hineinzoomen‘ bloß in interessante Inhalte. Man nimmt sich für das Lesen eines einzelnen Buchtitels weniger Zeit als früher“, so der Experte.
Ob die gesamte Leserzahl tatsächlich steigt und bildungsferne Schichten besser erreicht werden, wird sich erst zeigen, gibt sich Reuter vorsichtig. „Im Moment sind Tablets noch eine Preisfrage, der Boom der iPad-Konkurrenten wird sie jedoch auch für weniger einkommensstarke Haushalte verfügbar machen. Die Hemmschwelle sinkt, wenn man auf dem gleichen Gerät spielen, surfen und lesen kann, wenngleich dies auch die Ablenkung begünstigt. Damit alle profitieren, brauchen schon Kinder Lese- und Internetkompetenz.“
Entsprechend legte auch die US-Studie Augenmerk auf jene 20 Prozent, die 2011 kein Buch gelesen haben. Wie zu erwarten war, sind hier Menschen ohne elektronischem Lesegerät überrepräsentiert. Bei jedem fünften Nichtleser – bei der Gruppe ab 50 Jahren bei jedem Vierten – vereiteln körperliche Erschwernisse das Lesen. Denkbar ist, dass Möglichkeiten der E-Geräte wie Verstellbarkeit von Schriftart, Schriftgröße, Kontrast und Spaltenbreite sowie die Sprachausgabe hier künftig einige der Hürden überwinden. (pte)
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