Beim 13. Confare CIO Award wurde Stefan Zierlinger, CIO und Head of Telecom and IT von VERBUND, neben Gunther Glawar von EVVA zum CIO des Jahres ausgezeichnet. [...]
VERBUND ist Österreichs führendes Stromunternehmen und einer der größten Stromerzeuger aus Wasserkraft in Europa. Mit über 130 Wasserkraftwerken werden rund 95 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt. Das Unternehmen handelt in 12 Ländern mit Strom und erzielte 2015 mit rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 3 Mrd. Euro. Mit Tochterunternehmen und Partnern ist VERBUND von der Stromerzeugung über den Transport bis zum internationalen Handel und Vertrieb aktiv.
Bereits während seines Studiums startete Stefan Zierlinger seine berufliche Laufbahn als Projektmanager in einer Online- und Werbeagentur in Hamburg. Zurück in Wien war er ab 2002 als Produktmanager für Energiehandelssysteme in einem Softwareunternehmen weiter international tätig. 2006 begann er bei der VERBUND Sales GmbH, um den technischen Aufbau der damals neuen Vertriebsgesellschaft als Leiter des IT-Anforderungsmanagements zu verantworten. 2017 wechselte er in die VERBUND Services GmbH, um die Leitung der Telekom und IKT-Infrastruktur zu übernehmen. 2018 wurde der gesamte zentrale IT- mit dem Telekommunikationsbereich unter seiner Führung zusammengefasst und er übernahm die Rolle des CIO von VERBUND. Seit 2019 ist er zudem Prokurist der VERBUND Services GmbH.
„In Zeiten, in denen jedes Telefon eine IP-Adresse hat, war es nur logisch, den IT- und Telekommunikationsbereich zusammenzulegen“, sagt Stefan Zierlinger, CIO und Head of Telecom and IT von VERBUND, im Gespräch mit der COMPUTERWELT.
Telekommunikation bei VERBUND bedeutet weit mehr als die Verwaltung von digitalen Telefonanlagen: „Früher war das Thema in einer eigenen Gesellschaft zusammengefasst, wir waren auch als Mobilfunkbetreiber tätig. Heute machen wir die Telekommunikation immer noch selbst – als Betreiber von kritischer Infrastruktur müssen wir das auch. So haben wir etwa Richt- und Betriebsfunkanlagen auf den Bergen, unsere Kraftwerke sind mit Lichtwellenleiter verbunden. Meine Aufgabe war es ab Mitte 2018, diese Welt mit jener der IT zusammenzuführen und strategisch gemeinsam zu betrachten. Vereinfacht gesagt: Telekommunikation ist für die Übertragung von Daten zuständig, die IT für deren Verarbeitung“, so Zierlinger.
Die Zusammenführung war keine leichte Aufgabe, denn die Mitarbeiter sind sehr unterschiedlich. Während der typische IT-Mitarbeiter seine Aufgaben vom PC aus erledigt, sind die Kollegen von der Telekommunikation viel unterwegs, etwa um einen Funkmasten zu errichten, oder im Bergstollen zu arbeiten. „Ich habe versucht, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Von der IT kam etwa das Service-Management – ein Bereich, den wir in den letzten Jahren stark forciert haben –, von den Telekommunikationsmitarbeitern, die es gewohnt sind, nahe am Endkunden zu arbeiten, haben wir entsprechende Systeme übernommen und breit ausgerollt.“ Dass die Vereinigung der beiden ehemals sehr unterschiedlichen Bereiche gut gelungen ist, zeigt unter anderem die Verleihung des heurigen Confare CIO Award.
Resilienz als Teil der DNA
„Mit der Einreichung zum CIO Award wollte ich einerseits das Team in den Vordergrund stellen. Im stressigen Alltag bleibt dafür leider viel zu wenig Zeit. Andererseits bot sich damit eine gute Möglichkeit, die Leistungen der letzten Monate und Jahre niederzuschreiben. Der Award ist eine großartige Leistungsbestätigung gegenüber dem gesamten Unternehmen VERBUND und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“
Zierlinger sagt aber auch: „Hätte ich vorher gewusst, dass die Corona-Epidemie kommt, hätte ich vielleicht gar nicht für den Award eingereicht. Denn nichts hat die Performance des Teams besser gezeigt als die Krise. Da haben wir Leistung gebracht, die sehr gelobt wurde. Die Verleihung des CIO-Awards war unter diesen Voraussetzungen das Tüpfelchen auf dem i.“
Homeoffice war bei VERBUND schon vor Corona ein wichtiges Thema, zumindest in Teilbereichen. Dennoch mussten der CIO und sein Team zu Beginn des Lockdowns Ungewohntes stemmen. So galt es etwa, die Firewall aufzurüsten, die Lager zu leeren, um alle Mitarbeiter mit der nötigen Hardware auszustatten, und das Thema Videoconferencing jenen Kollegen näher zu bringen, die es bis dahin nicht genutzt hatten. Eine weitere Aufgabe bestand darin, die digitale Signatur auszurollen: „Wir hatten davor noch einige auf Papier ausgelegte Workflows. Diese mussten wir in kürzester Zeit digitalisieren und die Mitarbeiter schulen.“
Dass Krisen bei VERBUND keine Panik auslösen, liegt in der Natur der Sache. „Wir als Betreiber von kritischer Infrastruktur wissen, wie wir mit Krisen umgehen müssen. Wir kämpfen etwa mit Lawinen- und Murenabgängen oder Hochwasserschäden. Wir wissen, was es bedeutet, wenn Videokameras zerstört oder Lichtwellenleiter gekappt werden. Daher sind wir beispielsweise bei den Breitbandverbindungen redundant aufgestellt. Und sollte einmal das Kabel nicht funktionieren, dann nutzen wir Funk. Auch organisatorisch sind wir auf diese Fälle bestens vorbereitet. Wir haben eine Krisen-Stabsorganisation, in der ich vertreten bin, und auch die einzelnen Gesellschaften verfügen über Krisenstäbe, die alle auf regelmäßiger Basis trainieren. Dazu kommen speziell ausgerüstete Besprechungsräume, von wo aus das Funknetz auch im Fall eines Blackouts bedient werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir sehr nahe am Vorstand agieren können, der ständig up-to-date gehalten wird. Dank diesen Rahmenbedingungen wissen wir ständig, wer wann was benötigt“, so Zierlinger.
Digitales Kraftwerk
Ein in Europa einmaliges Projekt ist das „Digitale Wasserkraftwerk 4.0“, das gemeinsam mit der europäischen Kraftwerks-Vereinigung, mit der Technischen Universität Graz sowie mit Technologiepartnern umgesetzt wurde. Schauplatz ist das steirische Murkraftwerk Rabenstein: „Die Bandbreite der im Pilotkraftwerk getesteten digitalen Technologien ist denkbar vielfältig und reicht von intelligenten Sensorik-Konzepten, Anomaliedetektions- bzw. Prognosemodellen, digitalen Zwillingen, mobilen Assistenzsystemen, virtuellen Kraftwerksmodellen, neuartigen autonomen Vermessungs- und Inspektionskonzepten bis hin zu vernetzten Plattformlösungen.“
Um diese und andere Innovationen umsetzen zu können, fährt VERBUND im IT-Umfeld derzeit ein Drei-Säulen-Modell, das aus den Bereichen Digitalisierung, IT & Telekom sowie Informationssicherheit besteht. „Jeder Bereich hat einen Masterplan für die kommenden Jahre. Damit alle Teile reibungslos zusammenarbeiten können, wurde ein Technologie-Masterplan ins Leben gerufen, der die einzelnen Masterpläne zusammenfasst und für eine klare Governance sorgt. Dazu kommen regelmäßige Boards, wo ein intensiver Informationsaustausch stattfindet“, sagt Stefan Zierlinger.
Der IT-Masterplan wurde mit den Methoden des Design Thinking entwickelt. „Um herauszufinden, was unsere Kunden – also die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von VERBUND – in den nächsten Jahren benötigen, um ihre Jobs optimal erledigen zu können, haben wir uns die Kundenbrille aufgesetzt. Dazu gehört etwa die Art und Weise, wie künftig gearbeitet und kommuniziert wird.“
Aus technologischer Sicht fährt die IT einen hybriden Ansatz: „Wir verschließen uns nicht der Cloud, wir nutzen aber auch keinen Cloud-First-Ansatz“, so Zierlinger. „Als Betreiber von kritischer Infrastruktur besitzen wir Daten, die wir auf keinen Fall in die Cloud stellen möchten. Gleichzeitig wissen wir, dass Daten das neue Gold sind und dass sich daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen.“
Um den einzelnen Gesellschaften von VERBUND die nötigen technischen Voraussetzungen zu geben, bietet die Konzern-IT unter anderem eine zentrale Plattform an, auf der die Daten aus allen Geschäftsbereichen zusammenkommen – Stichwort Data Lake. „Wir sind überzeugt, dass es durch die gemeinsame Verwaltung und Analyse der Daten leichter ist, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, an die heute noch niemand denkt. Wir haben zwar einen zentralen Datenkatalog, die Datenanalysten sitzen aber in den jeweiligen Gesellschaften. Das ist wichtig, weil sie damit sehr nahe am Geschäft sind und aus den Analysen die entsprechenden Rückschlüsse ziehen können.“
Die Gefahr, dass der hauseigene Data Lake einmal austrocknet, besteht jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Mit der Erschließung neuer Datenquellen, wie akustische oder visuelle Sensoren – Stichwort „predictive Maintenance“ – ist dafür gesorgt, dass der Saft niemals ausgeht.
Be the first to comment