Die ITWelt.at-Diskussionsrunde auf Ebene der Führungskräfte drehte sich um das Prinzip Vertrauen, das gerade in Zeiten zunehmender Unsicherheit von zentraler Bedeutung ist. Das damit angesprochene Themenspektrum reichte von der digitalen Identität bis hin zur künstlichen Intelligenz – einem Thema, bei dem österreichische Unternehmen durchaus eine Vorreiterrolle spielen können. [...]
Die Teilnehmer des ITWelt.at Executive Roundtable waren sich – wenig überraschend – einig, dass sich heimische Betriebe derzeit in einer schwierigen Situation befinden. Markus Vesely, CEO von A-Trust, beschreibt die Lage so: »Unternehmen stehen derzeit vor zahlreichen Herausforderungen, insbesondere durch neue Regulierungen wie das Lieferkettengesetz, DORA im Finanzsektor oder NIS2. Hinzu kommt eine unsichere wirtschaftliche Lage und die Auswirkungen der Wahlen in den USA, die auch Deutschland und indirekt Österreich betreffen könnten.«
Eine Besonderheit am ITWelt.at Executive Roundtable ist, dass mit Tietoevry, Digital Realty und A-Trust Top-Manager aus verschiedenen Bereich der IKT-Branche zusammenkommen, um aktuelle Herausforderungen, Trends und den Ausblick auf das kommende Jahr zu diskutieren – und das aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So zum Beispiel über das Thema künstliche Intelligenz, ohne das heute kein Gespräch über Technologie und Innovation im Allgemeinen abläuft.
Das skandinavische Unternehmen
Tietoevry, das aus dem Bereich der klassischen IT-Dienstleister kommt und sich heute als Spezialist für »Digital Engineering« sieht, adressiert das Thema auf zwei Ebenen: »Auf der einen Seite stehen die Kunden im Fokus, Stichwort Customer Experience«, sagt Robert Kaup, Head of New Markets Tietoevry Create/Managing Director Tietoevry Austria. »Auf der anderen Seite bieten wir AI-assisted Bots, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit allen Informationen zu einem Kunden unterstützen, siehe Knowledge Management. Mit GPT for Business haben wir eine Lösung, mit der Kunden ihren eigenen Unternehmens-Content plus alle GPT-Fähigkeiten nutzen können, ohne dass interne Informationen nach außen gelangen. In diesem Bereich gibt es sehr viele Anwendungsfälle, um den Einstieg in das Thema KI zu schaffen.«
Data-Center-Bedarf
Welche Auswirkungen KI auf Rechenzentrumsbetreiber hat, schildert Martin Madlo, Managing Director von Digital Realty Österreich: »KI läuft auf High-Performance-Computing-Systemen. Nvidia ist in aller Munde und die Aktien von Nvidia schießen durch die Wolken. Das ist eine Technologie, die den Bedarf an Rechenzentrumsinfrastruktur völlig auf den Kopf stellt.« Der Bedarf an Rechenzentrumskapazitäten wachse derzeit rasant, was sich in der niedrigen Vacancy Rate widerspiegle – der Anteil der verfügbaren Fläche sei gering. »In Frankfurt beispielsweise werden in diesem Jahr über 800 Megawatt an Kapazitäten geschaffen, aber die Vacancy Rate liegt unter fünf Prozent. Das bedeutet, dass die neue Infrastruktur entweder bereits verkauft oder so weit reserviert ist, dass sie kaum noch für den freien Markt verfügbar ist. Auch in Österreich stellt dies ein großes Problem dar.«
Um dem entgegenzuwirken, hat das Unternehmen, das in der Vergangenheit unter dem Namen Interxion bekannt war, im Sommer den Startschuss zu einem neuen Rechenzentrums-Campus gegeben, der in der Siemenstraße im 21. Bezirk entstehen wird. »Wir werden über die nächsten Jahre mehr als eine Dreiviertel Milliarde Euro in die Zurverfügungstellung von neuer Colocation-Infrastruktur investieren. Denn für die Digitalisierung in Österreich braucht es eine entsprechende Basisinfrastruktur sowie Breitbandnetze.«
A-Trust arbeitet aktuell noch nicht zentral mit künstlicher Intelligenz, »da die damit verbundenen Risiken momentan zu hoch sind«, so Markus Vesely. »Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich dies in der Zukunft ändern wird, wenn die Sicherheitsvorkehrungen weiter verbessert werden.« Der A-Trust-Geschäftsführer, der seit fast genau vier Jahren in dieser Position ist, beschreibt die Ausrichtung des Unternehmens so: »A-Trust kennen die Bürgerinnen und Bürger durch die Handysignatur, jetzt ID Austria. Für jede digitale Identität oder für jede qualifizierte Signatur ist auch ein Zertifikat dahinter notwendig. Als qualifizierter Vertrauensdiensteanbieter liefern wir dieses Zertifikat. ID Austria ist ein Ökosystem, in dem viele Stakeholder wie Unternehmen und Ministerien involviert sind. Wir bieten für Österreich eine kritische Infrastruktur im Bereich E-Government und haben auch in Deutschland eine Niederlassung.«
Trust, also »Vertrauen«, ist Teil des Firmennamens. Auf die Frage, wie sich das Prinzip nachhaltig gestalten lässt, während die Skepsis gegenüber politischen, wirtschaftlichen und technologischen Systemen steigt, antwortet Vesely: »Es wird sicher nicht einfacher. Daher halte ich die globalen Allianzen und Standards für so wichtig. Beispiel Adobe PDF: Hinter einem kleinen grünen Häkchen kann ich mir das Zertifikat ansehen und überprüfen, ob Quelle und Datum stimmen. Das Zertifikat der A-Trust hilft, weltweites Vertrauen aufzubauen.«
Eine Sache des Vertrauens
Robert Kaup von Tietoevry Austria sieht – in Bezug auf die gesamtwirtschaftliche Lage – Österreich als potenziellen Vorreiter im Bereich KI. »Obwohl die wirtschaftliche Abhängigkeit vom deutschen Markt weiterhin besteht, glauben wir, dass es wichtig ist, eigene Wege zu gehen und frühzeitig innovative Ansätze zu testen und umzusetzen. Auch wenn viele Organisationen noch unsicher sind, wie sie beginnen und welche konkreten Vorteile sie erwarten können, sind wir überzeugt, dass dies ein fortlaufender Lernprozess ist – nicht nur für die Firmen, sondern auch für uns als IT-Dienstleister.« Und auch bei KI spielt Vertrauen eine wesentliche Rolle: »Es geht einerseits um das Problem der Halluzinationen, andererseits darum, dass geheime Unternehmensdaten zur Verfügung gestellt werden. Es geht tatsächlich um Vertrauen. Daher achten wir bei unseren Lösungen darauf, dass die User die Informationen bekommen, woher die Inhalte stammen – aus dem eigenen Unternehmen oder aus dem Internet. Die Quelle ist jederzeit nachvollziehbar. Menschen haben außerdem die Möglichkeit, zu bewerten, ob eine Information halluziniert oder echt ist. Ich bin überzeugt, dass Menschen mit ihrer Erfahrung immer eine Rolle spielen müssen, um die Ergebnisse der KI zu verifizieren.«
Laut Martin Madlo von Digital Realty Österreich ist Vertrauen seit jeher ein entscheidender Faktor in der IT-Branche. »Schon seit 25 Jahren beschäftige ich mich intensiv mit den Themen Colocation und Outsourcing. Vor zwei Jahrzehnten führten wir intensive Diskussionen mit Kunden darüber, welches Modell sicherer sei: ein eigenes Rechenzentrum im Keller oder ein Colocation-Datacenter. Diese Diskussionen sind auch heute noch relevant, allerdings hat sich der Fokus verschoben. Heute steht vor allem die künstliche Intelligenz im Mittelpunkt. Die zentrale Frage lautet nun: Inwieweit kann ich den Ergebnissen von KI-gestützten Recherchen vertrauen, sowohl denen meiner eigenen Systeme als auch denen meiner Mitarbeiter?«
Es sei wichtig, sich mit dieser Skepsis auseinanderzusetzen und die Bedenken rund um KI ernst zu nehmen: »Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir das Vertrauen unserer Kunden gewinnen können – indem wir kritische Bereiche ihrer IT-Infrastruktur in die Hände von Colocation-Anbietern legen. Diese spezialisierten Dienstleister sind in der Lage, eine Infrastruktur zu bieten, die sicherer, hochverfügbarer und besser zertifiziert ist, als es vielen Unternehmen mit ihren eigenen Ressourcen möglich wäre.«
Was das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten von Unternehmen betrifft, so ist Robert Kaup überzeugt, dass die IT und Digitalisierung einen sehr großen Beitrag dabei leisten können, die traditionell eher konservative Einstellung österreichischer Organisationen zu Innovation zu ändern. »Es ist wichtig, dass Unternehmen sich mit Neuem beschäftigen, um Vorreiter zu sein und nicht darauf warten, bis andere den ersten Schritt machen und dann folgen. KI entwickelt sich so rapide, dass viele Unternehmen erst abwarten. Das ist kein Zeichen von Leadership. Es gibt sehr, sehr viele Anwendungsmöglichkeiten, wo man aktiv werden kann. Beispiel Thing-to-Thing-Kommunikation: Eine Komponente erkennt automatisiert selbst, dass sie defekt ist und gibt dem 3D-Drucker den Befehl, eine neue Version ihrer selbst auszudrucken. Dort müssen wir hin. Damit kann Österreich auch Vorreiter sein.«
Standortfrage
Angesichts der Bildung einer neuen Regierung ist auch die Standortpolitik ein Thema des ITWelt.at Executive Roundtables. Martin Madlo: »Als Präsident der Austrian Data Center Association, des Verbandes österreichischer Rechenzentrumsbetreiber, der sich intensiv mit diesen Themen beschäftigt, sehe ich hier dringenden Handlungsbedarf.«
Aktuell habe man mit einem ernsthaften Standortproblem für neue Rechenzentrumsprojekte zu kämpfen. »Das liegt zum einen daran, dass die Energieversorgung für solche Großprojekte nicht gesichert ist – ein globales, nicht nur ein österreichisches Problem. Zum anderen gibt es durch die Energieeffizienzdirektive der Europäischen Kommission neue Vorgaben, die ins österreichische Energieeffizienzgesetz übernommen wurden. Eine dieser Anforderungen sieht vor, dass überschüssige Wärme aus IT-Systemen verpflichtend in Fernwärmenetze eingespeist werden muss. Diese Richtlinie wird in einem Stufenplan umgesetzt, der den Energienetzbetreibern klare Vorgaben macht. Wir von der Data Center Association fordern, dass die Regierung sowie die Bundesländer in Standortkonzepte investieren und Regionen definieren, die sich für Rechenzentrumsansiedlungen eignen. Diese müssen eine nachhaltige Energieversorgung gewährleisten und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, Abwärme effizient in Fernwärmesysteme einzuspeisen«, so Madlo.
Auch Robert Kaup ist überzeugt, dass der Standort Österreich stärker gefördert werden muss – »insbesondere, um digitale Initiativen anzustoßen. Auch Betriebe benötigen gezielte Unterstützung, um entsprechende Projekte umzusetzen«. Natürlich seien Förderungsprinzipien ein sensibles Thema. »Doch wir haben in Phasen geringer Investitionen bereits gesehen, wie wichtig es ist, Anreize zu schaffen. Wenn Unternehmen vor allem auf Effizienz, Produktivität und Kostensenkung setzen, braucht es gezielte Impulse, um neue Projekte zu ermöglichen. Das halte ich für unerlässlich, da Digitalisierung und Innovation in einem engen Zusammenhang stehen: Die eine treibt die andere voran. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir diese Entwicklungen künftig am besten unterstützen können – etwa im Rahmen des nächsten Regierungsprogramms. Dabei ist es essenziell, Digitalisierung, einschließlich künstlicher Intelligenz, nicht nur aus regulatorischer Perspektive zu betrachten, sondern auch gezielt zu fördern.«
Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion sind NIS2 und das heimische Husarenstück, die Frist für die nationale Umsetzung verstreichen zu lassen. »Es ist entscheidend, dass Unternehmen nicht darauf warten, dass NIS2 in Kraft tritt«, sagt Markus Vesely. »Es gibt keine Entschuldigung dafür, Sicherheitsmaßnahmen zu verschieben oder als optional zu betrachten, denn Cybersicherheit ist ohne Zweifel das größte Risiko der nächsten Jahre – wenn nicht sogar Jahrzehnte. Wer das noch nicht erkannt hat, steht vor ernsthaften Herausforderungen. Es ist eine der zentralen Aufgaben eines Unternehmens, insbesondere auf der Ebene des Managements, dieses Risiko aktiv zu adressieren. Wir von A-Trust appellieren daher an Unternehmen, ihre Prozesse jetzt bereits konform mit den aktuellen Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen zu gestalten. Viele dieser Anforderungen bestehen bereits seit Jahren, werden jedoch nun klarer formuliert und durch gesetzliche Rahmenbedingungen verstärkt.«
Aussichten 2025
Markus Vesely geht davon aus, dass Unternehmen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage verstärkt auf Kostensenkungsmaßnahmen setzen müssen. »Dabei sehen wir es als unsere Aufgabe, verstärkt zu kommunizieren und zu beraten, wie digitale Workflows, insbesondere in Bereichen wie der digitalen Unterschrift und den Know-Your-Customer-Prozessen, helfen können, Kosten zu sparen. Ein konkretes Beispiel ist die ID Austria, die es Unternehmen ermöglicht, durch die digitale Identifikation Einsparungen zu erzielen. Zudem unterstützen wir Unternehmen bei der Einhaltung von Sicherheitsstandards wie der NIS2-Richtlinie, um ihre Compliance in den Bereichen Datensicherheit und Cybersecurity zu verbessern. Unsere Signaturlösungen tragen dazu bei, diese Anforderungen zu erfüllen und Unternehmen zu entlasten. Diese Themen werden auch 2025 und in den Jahren danach eine zentrale Rolle spielen.«
Digital Realty will weiterhin konsequent auf seine ESG-Ziele setzen und daran arbeiten, den »bestehenden Standort noch energieeffizienter und nachhaltiger zu gestalten«, so Managing Director Martin Madlo. »Ein herausragendes Projekt, das wir vor einigen Monaten gestartet haben, ist die Kooperation mit der Wien Energie und dem Krankenanstaltenverbund. Im Rahmen dieser Partnerschaft liefern wir Abwärme aus unserem Rechenzentrum an die Klinik Nord, um dort 70 Prozent des Wärmebedarfs zu decken. Darüber hinaus haben wir eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von über einem Megawatt-Peak installiert.«
Für Robert Kaup von Tietoevry Austria »steht ganz klar das Thema künstliche Intelligenz im Vordergrund. Das wird auch in Zukunft unser zentraler Fokus bleiben. Natürlich wird dieses Ziel durch verschiedene andere Bereiche unterstützt, wie etwa Softwareentwicklung, Datenmanagement und Lösungen wie SAP oder Android. Dennoch bleibt künstliche Intelligenz unser Flaggschiff, an dem wir auch weiterhin intensiv arbeiten werden, um auf diese Weise neue Möglichkeiten in verschiedensten Bereichen zu erschließen.«
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