Vielfalt ist mehr als nur Herkunft

SAP will weltweit Menschen mit autistischer Störung einstellen, Pilotprojekte laufen in den USA, Kanada und in Deutschland. Bis 2020 sollen ein Prozent der weltweit rund 65.000 Mitarbeiter von SAP Menschen mit autistischer Störung sein. In Österreich unterstützen die ITSV und IBM ähnliche Projekte. [...]

Die Meldung, dass SAP weltweit künftig vermehrt Menschen mit Autismus als Softwaretester, Programmierer und Spezialisten für Datenqualitätssicherung einstellen möchte, hat viel Beachtung gefunden. Bis 2020 sollen ein Prozent der weltweit rund 65.000 Mitarbeiter von SAP Menschen mit autistischer Störung sein. Schätzungen zufolge ist rund ein Prozent der Weltbevölkerung von Autismus betroffen. SAP teilte mit, dass mit dieser gezielten Förderung der einzigartigen Talente von Menschen mit Autismus das Unternehmen diese dabei unterstützen wolle, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen.

Doch wird diese vor allem soziale Erklärung, die eher dem Auftrag der Corporate Social Responsibility des Unternehmens entspricht, nicht der einzige Grund für diesen Schritt sein. Denn gerade IT-Experten sind teuer und schwer am Markt zu finden. Diversity, also die Vielfalt im Unternehmen, ist ohnehin ein guter Ansatz, um dem Problem des Fachkräftemangels entgegenzutreten. „Jeder Mensch hat andere und einzigartige Fähigkeiten. SAP möchte die Talente jedes Mitarbeiters fördern“, so Luisa Delgado, Vorstandsmitglied SAP, Human Resources. „Nur wenn wir Mitarbeiter einstellen, die anders denken, kann SAP den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen.“

Doch ohne spezielle Unterstützung ist es für Unternehmen nur schwer möglich, die Arbeitskraft von Menschen mit autistischer Störung effektiv zu nutzen, sodass auch die Arbeitnehmer sich wohlfühlen. Deshalb arbeitet SAP mit Specialisterne zusammen, einer Initiative für die Besetzung von technologie-orientierten Arbeitsplätzen mit Menschen mit Autismus. Ein Großteil der bei Specialisterne Beschäftigten sind Menschen aus dem Autismus-Spektrum. Sie arbeiten als IT-Consultants in der freien Wirtschaft und sind mit Aufgaben wie IT-Management, Revision und Datenerfassung betraut.

Bevor SAP ihren Plan verkündete nun Menschen mit autistischer Störung aufzunehmen, testete das Unternehmen in Pilotprojekten in Indien und Irland die Zusammenarbeit. Mit lokaler Unterstützung von Specialisterne stellte SAP Labs India sechs Mitarbeiter mit Autismus als Softwaretester ein. Seitdem hat das Team seine Produktivität und seinen Zusammenhalt verbessert. Im Rahmen des Pilotprojekts in Irland wird gerade die Auswahlphase für fünf Positionen abgeschlossen, die noch heuer besetzt werden sollen. Nun führt SAP das Programm weltweit ein. Begonnen wird dieses Jahr in den USA, Kanada und Deutschland.

Auch Vodafone hat es sich schon 2012  zum Ziel gesetzt, Menschen mit Autismus in das Unternehmen zu integrieren. Grundlage hierfür ist eine Kooperation mit der Berliner Firma Auticon, die ebenfalls Mitarbeiter aus dem Autismus-Spektrum als IT-Consultants beschäftigt. So wurde das Unternehmen der erste feste Kooperationspartner von Auticon, die ersten Mitarbeiter mit Autismus wurden bereits eingestellt. Job-Coaches bei Auticon begleiten die Autisten dabei zu den Kundenunternehmen und erklären den Beschäftigten dort, was die neuen Softwaretester brauchen bzw. nicht so gern mögen, beispielsweise Körperkontakt, Unterbrechungen oder wenn Möbel nicht am gewohnten Platz stehen.

HEIMISCHE PARTNERSCHAFTEN
In Österreich kooperiert Specialisterne im IT-Bereich indes mit dem IT-Dienstleister der österreichischen Sozialversicherung (ITSV) und IBM. Laut Informationen von Specialisterne hat der erste Mitarbeiter bereits seine Arbeit aufgenommen und ist in ein Datenmigrationsprojekt bei der ITSV als Programmierer integriert. Auch bei IBM Österreich ist man gemeinsam mit den Experten von Specialisterne gerade dabei, einen geeigneten Kandidaten zu finden. Ganz dem Ziel der Specialisterne entsprechend, gehe es um den gleichwertigen Einsatz dieses Kandidaten in der Softwareentwicklung zur Unterstützung eines aus Wien heraus gesteuerten globalen Teams. Java, Rational Tools und Testautomatisierung sind die Themen, mit denen sich der neue Kollege beschäftigen soll. Das Team erhoffe sich einen wertvollen Beitrag zur Qualitätssicherung, so IBM auf Anfrage der COMPUTERWELT. Gespräche laufen zurzeit auch mit A1 und der Erste Bank, die Wiener Städtische hat Praktika vergeben. Weitere Unternehmen haben Interesse bekundet, „vor allem nach dem SAP-Hype haben sich viele Unternehmen, und auch Menschen mit Autismus, bei uns gemeldet“, sagt Elisabeth Krön von Specialisterne Österreich.

Neben Specialisterne ist in diesem Bereich in Österreich Workaut zu nennen. Als auf Autismus spezialisiertes, österreichisches Sozialunternehmen beschäftigt Workaut Menschen mit Autismus in unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Zudem stellt das Unternehmen Fachkräfte zur Unterstützung von Autisten in Kindergarten, Schule und Arbeitswelt zur Verfügung.  (mi)
ASK THE EXPERTS
Wir haben zu diesem Thema die Computerwelt-Expertin Isabella Weindl, Geschäftsführerin von I.C.H befragt. Hier ihre Antwort:

„Als Fachfrau in HR-Fragen kann ich diese speziellen Anforderungen nur aus einer möglichen Sicht beantworten, bisher ist mir kein großes Unternehmen bekannt, das sich mit dieser Aufgabenstellung befasst. Ich nehme an, dass SAP sich der Verantwortung bewusst ist, die ein international agierendes Unternehmen hat. Mit gutem Beispiel Diversity leben!
In der Organisation werden diese Mitarbeiter anders eingebettet sein, als Menschen, die gerne und ohne Scheu mit anderen Menschen soziale Kontakte knüpfen. Dazu braucht es sicher eigene Räume und Rückzugsmöglichkeiten. Darüber hinaus wird jedenfalls in der ersten Zeit (hier ist in langfristigen Dimensionen zu denken) eine Betreuungsperson notwendig sein. Besonders auch um die anderen  Mitarbeiter im Umgang mit den Kollegen mit autistischer Störung zu schulen. Jedenfalls ist dieses Projekt langfristig zu planen und bereits vor der Aufnahme von den neuen Kollegen entsprechende Seminare abzuhalten.
Besonders die Führungsstrukturen müssen angepasst werden. Erfahrungsgemäß verfügen nicht alle Führungskräfte über das entsprechende Know-how im Umgang mit Menschen mit autistischen Störungen. Und neben der entsprechenden Schulung stellt sich auch die Frage, ob nicht für diesen Fall eine weitere Stelle geschaffen wird, die als Bindeglied fungiert. Die Vorteile Menschen mit autistischen Störungen als Mitarbeiter zu haben sind die hohen kognitiven Leistungen. SAP hat wahrscheinlich erkannt, dass für das Programmieren und andere IT-Bereiche diese Menschen hohen Nutzen bringen und dass ihre Leistungen das Kosten/Nutzen-Verhältnis bei weitem überwiegen. Probleme kann es in der Anfangsphase geben, da Menschen mit autistischen Störungen lange brauchen um sich im sozialem Umfeld zu integrieren.“

Haben Sie Fragen an unsere Experten oder wollen selbst CW-Experte werden? Alle Informationen dazu finden Sie auf http://www.itwelt.at/ask-the-experts/


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