Virtual Desktop Infrastructure kommt teuer

Auf den ersten Blick lockt Desktop-Virtualisierung mit weniger Managementaufwand, mehr Sicherheit und geringeren Kosten. Doch vor allem enorme Storage-Anforderungen führen dazu, dass virtuelle Clients bis zu 1,7 mal soviel kosten wie klassische Desktops. [...]

Laut Gartner-Zahlen werden nicht einmal zwei Prozent der weltweit installierten 15 Millionen Unternehmens-Desktops derzeit im Rahmen einer VDI-Implementierung (Virtual Desktop Infrastructure) komplett vom Server geladen. Den unbestreitbaren Vorteilen – einheitliche und einfachere Verwaltung aller einbezogenen Desktops, höhere Sicherheit und weniger Energieverbrauch der Clients – stehen eine Reihe spezifischer, aber gewichtiger Hemmschuhe gegenüber.
Wolfgang Schwab von der Experton Group verweist zunächst auf technisch unreife erste Produktgenerationen: »Die Tests mit den VDI-Produkten der ersten Generation vor drei bis vier Jahren verliefen allesamt unerfreulich.« Dass im Ernstfall das Rechenzentrum steht, weil VDI versagt, sei ein Risiko, das niemand eingehen wolle. Als besonders tückisch erweisen sich in der Praxis hohe Boot-Lasten, wenn viele Mitarbeiter gleichzeitig ihre Rechner starten. Kritisch sind auch gleichzeitige Updates auf vielen Clients und ähnliche synchrone Aktivitäten. Sie können die Rechenlast schnell nach oben und die Leistung der VDI nach unten drücken.

ES GIBT GÜNSTIGERE ALTERNATIVEN ALS VDI

Hinzu kommt, dass es unkompliziertere und vor allem billigere Möglichkeiten gibt, die Applikationen auf den Rechnern der Anwender zu kontrollieren. In einer Studie der Experton-Group zum Thema Client Computing zeigt sich, dass 80 Prozent der Anwender heute bereits Server Based Computing einsetzen, also eine Virtualisierungsform, bei der sich mehrere Anwender eine Applikationsinstanz auf dem Server teilen. Das bringt Sicherheit, verringert den Managementaufwand und sorgt für geringere Lizenzkosten, als sie bei VDI anfallen, wo häufig jede virtuelle Maschine eine gültige Lizenz der dort installierten Softwareprodukte braucht. Zudem können die Anwender im Prinzip auf alle zum Anwendungsangebot gehörigen Programme zugreifen, sobald sie eine Berechtigung haben. Bei einer VDI müsste eine neue Applikation erst zu der entsprechenden virtuellen Maschine gepackt werden, bis ein Anwender, der sie bisher nicht gebraucht hat, darauf zugreifen kann.
Ein weiteres Problem der VDI ist der Speicherbedarf im Rechenzentrum: »Man braucht für VDI effizienteren SAN-Storage, und der ist teuer«, sagt IDC-Analyst Varun Srikumar. Gerade das Argument, die Kosten von VDI sind geringer, stimme daher meistens nicht. Das bestätigt auch Gartner-Analyst Chris Wolf: »Bis zu 60 Prozent des VDI-Budgets geht für Storage drauf, denn bei VDI müssen pro Anwender, von denen jeder ja eine eigene virtuelle Maschine nutzt, oft 15 bis 20 GB Daten – diese aus Sicherheitsgründen auch noch dupliziert – im Rechenzentrum vorgehalten werden.« Das sind bei hundert Anwendern schon 20 TB. Die Kosten pro virtuellem Desktop liegen den Analysten zufolge dementsprechend bei der gleichen bis hin zur 1,7-fachen Summe der Kosten für einen klassischen Desktop.
Häufig wird auch der Trend, eigene Geräte mit ins Unternehmen zu bringen (BYOD), als Argument für VDI ins Feld geführt. Doch BYOD ist nicht so einfach wie manche Hersteller gerne behaupten. Einer von vielen Gründen für die gebremste BYOD-Begeisterung: Die Lieblingsplattform der BYOD-Verfechter, das iPad, verliert in Kombination mit Windows-Plattformen viel von ihrem Charme: »Die Wisch-und-weg-Bedienung funktioniert nicht, statt dessen müssen sich Anwender wie schon immer mit den Office-gängigen Bedienungshilfsmitteln herumschlagen«, erklärt Schwab. »Windows-Anwendungen werden wir mindestens noch zehn Jahre haben, und da die unpraktisch zu migrieren sind, wird der dominierende mobile Client weiterhin ein Windows-PC sein.«
Am komplexen Markt kann der schleppende Einsatz von Desktop-Virtualisierung jedoch nicht liegen; die Zahl der Anbieter ist überschaubar: Mit rund 90 Prozent Marktanteil dominieren Citrix und Vmware, dazu kommen Player wie Microsoft, Quest, Red Hat oder Parallels, wobei Microsoft eng mit Citrix zusammenarbeitet und Teile von VDI-Implementierungen dort bezieht. Die einschlägigen Produkte heißen Vmware View, Citrix Xen Desktop, Vworkspace und Red Hat Enterprise Virtualization for Desktops.

NEUE ANSÄTZE

Um diese Produkte herum bauen die Hersteller ergänzende Lösungen auf, die helfen sollen, VDI handhabbarer zu machen. Ein Beispiel dafür sind Versuche, mehr Speichervolumen vom Server in einen vor Ort befindlichen Cache oder anderweitigen Speicher zu verlagern, wie es Citrix Intellicache und Vmware View Accelerator tun. Das senkt die überbordenden Speicherkosten. Ein weiterer Ansatz besteht darin, die Thin Clients billiger zu machen. »Bis Ende des laufenden Jahres wird es viele Alternativen für unter 150 Dollar geben, was dann die Preise für die Gesamtlösung drückt«, sagt Gartner-Analyst Wolf.
Am höchsten ist der Nutzen von VDI nach Meinung aller Fachleute in Einsatzumgebungen, wo die Endanwender an den Thin Clients nur auf eine oder zumindest eine überschaubare Anzahl von Applikationen zugreifen müssen, und dies möglichst auch nicht mit einer unüberschaubaren Vielfalt von Endgeräten. Denn dann hält sich der Aufwand für die Implementierung in Grenzen und die VDI-Implementierung erhöht die Effizienz des Managements tatsächlich sehr, da sich die User-VM nur geringfügig voneinander unterscheiden. Umfelder dagegen, in denen jeder einen anderen Programmbedarf hat und in denen die unterschiedlichsten Endgeräte vorgehalten werden oder riesige Datenmengen hin- und her zu transportieren sind, wie etwa beim CAD-Design, sind für VDI-Konzepte eine harte Nuss. (idg/oli)

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