Vom Netzanbieter zum Servicedienstleister

Die Telko-Branche steht wegen neuer Konkurrenz von Unternehmen wie Google oder Apple zunehmend unter Druck. [...]

Die Telekombranche sieht sich zunehmend mit einer Welt konfrontiert, in der Dienstleistungen über IP (Internet Protocol) abgewickelt werden und Nutzer permanent mit dem Internet verbunden sind. Die Verschiebung der Technologie entzieht den Telekommunikationsunternehmen europaweit große Teile ihrer Geschäftsgrundlage, weil vor allem Umsatztreiber wie Sprachtelefonie und SMS zunehmend über IP geführt werden und eben nicht über die kostenpflichtigen Netze der herkömmlichen Telefontechnologien. Damit werden »Over the Top« (OTT)-Services wie Sprach-, Messaging- und TV-Dienste zu einer Bedrohung. Bis 2015 droht dem Telekom- und Pay-TV-Sektor daher europaweit ein Rückgang der Umsätze im Kerngeschäft um bis zu zwei Prozent jährlich. In Österreich könnte dieser Rückgang noch gravierender sein, denn die Umsätze sind etwa im Mobilfunkmarkt zwischen 2010 und 2011 laut Analysten um fast sechs Prozent geschrumpft. Für 2012 wird ein Rückgang von vier Prozent erwartet. »In kaum einer anderen Branche gibt es einen solchen Preisverfall«, sagt Karim Taga, Geschäftsführer von Arthur D. Little (ADL) und Telekomexperte des Beratungsunternehmens, und weiter: »Die Tarife für mobiles Telefonieren werden weiter sinken.«
Ursachen sind das in Europa anhaltend überwiegend schwierige makroökonomische Umfeld, regulatorische Maßnahmen und insbesondere stärkerer Wettbewerb von OTT-Playern wie Google, Apple, Facebook oder Skype. Besonders betroffen davon werden Mobilfunknetzbetreiber sein. Das führt weiter dazu, dass die Preise für das Telefonieren mit dem Smartphone bzw. Handy jedes Jahr durchschnittlich um zehn Prozent sinken. Auch das Wachstum mit SMS-Diensten ist in den vergangenen Quartalen europaweit zurückgegangen. Zu diesem Schluss kommen ADL und Exane BNP Paribas in ihrem Report »Telecom Operators: Let’s Face it«.

UMSÄTZE MIT DATEN WACHSEN

Auf der anderen Seite wächst der Umsatz mit reinen Datendiensten in Österreich derzeit um sechs bis sieben Prozent pro Quartal, wenngleich dieses Wachstum bereits deutlich unter jenem des deutschen Marktes liegt (rund 20 Prozent). Das Dilemma: Dieses Wachstum bei den IP-Datendiensten »kannibalisiert« die Nutzung von SMS, da man seit geraumer Zeit Kurznachrichten unbegrenzt und ohne weitere Kosten über Messenger-Dienste wie z. B. WhatsApp verschicken kann. Mit diesem Wendepunkt zugunsten von Datendiensten sehen sich auch die österreichischen Anbieter konfrontiert. »Die befragten Telekom-Manager gehen aber davon aus, dass durch speziell gebündelte Angebote der Umsatzverlust durch eine sinkende Nutzung von SMS-Diensten teilweise aufgefangen werden kann«, so Taga. Dafür spricht auch die rasant steigende Penetrationsrate bei Smartphone-Tarifen in Österreich, die im 4. Quartal 2011 bereits bei 41 Prozent liegt. Dies ist eine Steigerung von sieben Prozentpunkten gegenüber dem vorangegangenen Quartal.
Festnetzanbieter können sich hingegen, je nach Positionierung, von OTT-TV (Fernsehen über Internet)-Diensten Vorteile verschaffen. Sie werden von einer wachsenden Zahl an TV-Angeboten profitieren, die über das Internet verbreitet werden, da diese Entwicklung eine größere Bandbreite notwendig macht, was wiederum die Nachfrage auf der Konsumentenseite nach Glasfasernetz-Angeboten befeuern dürfte. Da Telekomanbieter trotz Adressierung dieser Wachstumsbereiche weiterhin unter Margendruck stehen werden, müssen sie ihr Geschäftsmodell hinsichtlich Kosten optimieren. Österreichische Marktteilnehmer sehen sich insgesamt gut aufgestellt gegen diese neue Konkurrenz aus der Internetbranche. Dies vor allem durch einen direkteren Zugang zum Kunden und insgesamt höheres entgegengebrachtes Vertrauen in Bezug auf Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre.
Um gegenzuhalten müssen sich die Telekommunikationsunternehmen neue Strategien überlegen und ihre Lage einmal in ihrem angestammten Markt verbessern. Sie können beispielsweise verschiedene Dienste zu Paketen bündeln, die Preise nach Downloadgeschwindigkeiten dif­ferenzieren oder neue Webservices an­bieten,was einige österreichische Unternehmen bereits aktiv betreiben. Weiteres Differenzierungspotenzial bieten Qualität beim Service und lokale Shops.

NEUE MÄRKTE

Nach Ansicht der Studienautoren sind es vor allem neue Märkte, in denen die Unternehmen versuchen können, durch Schnittstellenlösungen mit anderen Branchen zusätzliche Umsätze zu generieren. So benötigt beispielsweise die Energiebranche Dienstleistungen rund um Smart Metering und allgemein beim Handling des Smart Grids. Im neuen, intelligenten Zuhause (Smart Home) warten beispielsweise automatisierte Anwendungen und die persönliche Sicherheit oder Überwachung darauf, von den Telkos »entdeckt« zu werden. Blickt man auf die Automotive-Branche, kommen hier nicht nur die vielen Möglichkeiten der »connected cars« als neues Geschäftsfeld für die Telkos in Frage, sondern auch Dienstleistungen mit Flottenmanagement, bei der Verfolgung von Fracht und Containern sowie anderen logistischen Prozessen. Ähnliche Beispiele für ein realistisches künftiges Engagement der Telkos gibt es für industrielle Prozesse, den Healthcare-Markt, das mobile Bezahlen im Einzelhandel und für mobile Endgeräte. Im österreichischen Markt wird Wachstumspotenzial insbesondere in den Bereichen OTT-Content, Smart Metering/Energy und E-Health gesehen.
In dieser Marktlage müssen Telekomanbieter vor allem ihre Marktpositionierung schärfen: Wollen Sie ein »Mega-Betreiber«, ein »lokaler Spezialist« oder ein »Infrastruktur-Anbieter« sein? Die Player der Branche werden mit ihren Geschäftsmodellen künftig eins dieser drei Konzepte besetzen. »Investitionen in die Infrastruktur werden der Schlüssel zur Differenzierung sein. Um auf diese Weise ihre strategische Position zu erhalten, ist es für Telekommunikationsunternehmen zunehmend wichtiger, die Struktur ihrer operativen Kosten zu optimieren. Wir gehen zudem von einer lokalen Marktkonsolidierung aus«, so Taga. Auch die österreichischen Marktteilnehmer gehen generell von einer weiteren Konsolidierung aus, sehen diese jedoch eingeschränkt durch regulatorische Maßnahmen und die geringe Marktgröße, was sich aktuell am Beispiel der geplanten Übernahme von Orange durch Drei Austria zeigt. (cb/pi) 

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