Vom Payment-Experten zum Champion

Concardis steht für Digitalisierung im Payment und bietet Lösungen für das bargeldlose Bezahlen. Die COMPUTERWELT sprach mit CEO Marcus W. Mosen über Strategien und neue Geschäftschancen im E- und M-Commerce dank smarter Bezahllösungen. [...]

Die Lösungen von Concardis reichen von mobilen Bezahlterminals für den Point-of-Sale (POS) über spezielle Branchen-Bezahllösungen (z. B. orderbird für die Gastronomie) bis zu umfassenden Gesamtlösungen für den Handel (Concardis Payengine). Das Unternehmen ist in 118 Ländern aktiv und einer der führenden Full-Service-Payment-Provider in der DACH-Region. Hier ist man Partner für rund 116.000 Kunden mit 470.000 angeschlossenen Terminals. Die rasanten Veränderungen, die derzeit  im Payment stattfinden, hat Payment-Experte Concardis erkannt: Off- und Online-Geschäfte wachsen zusammen, Omnichannel wird langsam Realität und innovative Lösungen mit Mehrwert werden entwickelt. Mit diesen will man sich von Mitbewerbern, wie Ingenico, First Data, Six oder auch Klarna und IBM abheben und „zum Payment-Champion“ aufsteigen“.
Wie sieht das Verhältnis von Concardis zu Banken aus? Brauchen Sie diese noch?
Natürlich sind wir, was den Zahlungsverkehr betrifft, an die Zahlungsverkehrsplattformen der Banken angebunden. Hier kooperieren wir auch mit den Banken. Auch auf der vertrieblichen Seite sehen wir uns als potenziellen Partner von Banken. Concardis ist ja ursprünglich aus der Gesellschaft für Zahlungssysteme (GZS) entstanden. Als vor über dreißig Jahren die Kreditkarte am POS eingeführt wurde, war das ein Infrastrukturauftrag, den man als GZS und später als Concardis inne hatte. Heute ist das ist kein Infrastrukturauftrag mehr, die Kartenakzeptanz ist weit verbreitet. Die Musik spielt jetzt verstärkt beim Thema Innovation: neue Funktionalitäten und Payment-Methoden sind gefragt. Das ist ein Geschäft geworden, das sich sehr schnell wandelt. Das Thema ist so spezialisiert, dass es nicht mehr unbedingt ein Bankgeschäft im traditionellen Sinn ist. Insofern würde ich sagen: Ja, wir brauchen Banken, wir sehen sie als Partner. Es gibt natürlich Wettbewerber, die meinen, sie bräuchten keine Banken mehr, weil sie auch z. B. den Zahlungsverkehr oder die Kontoführung selbst machen. Das ist nicht unsere Strategie.
Sie setzen auf die kommende PSD2-Schnittstelle (Payment Services Directive 2 der EU). Was sind hier Ihre Erwartungen?
PSD2 wird mit Zustimmung der Konsumenten den Zugriff auf ein Bankkonto erlauben. Das eröffnet neue Zahlungsmethoden am POS. Wir können das technisch umsetzen und haben auch den Marktzugang zum Handel. Es wird im Payment nämlich immer viel über Technologie gesprochen, aber die Frage ist doch: wie bekomme ich das Thema in den Markt? Concardis hat heute über 110.000 Händlerbeziehungen und wir sehen uns als ideale Plattform, diese Innovationen in den Markt zu bringen. Hier sehe ich auch unsere künftige Positionierung als Schnittstelle zum Händler, der das Produkt zunächst dem Kunden anbietet und als Dienstleister auch serviciert. Das wird dazu führen, dass auch die Anforderungen an Payment-Dienstleister im Handel zunehmen. Bisher hat der Händler die Tatsache, dass er Karten akzeptieren muss, als notwendiges Übel betrachtet. Er hat sich ein Bankomat-Terminal auf die Theke gestellt und über die Gebühren geklagt. Die Wahrnehmung der etwas innovativeren Händler wird sich ändern, wenn sie von interessanten POS-Lösungen erfahren, wie innovative Kassensysteme mit Cloud-Anbindung.
Ist der Endkunde gewillt und technisch fit, Ihre Dienstleistungen des bargeldlosen Bezahlens anzunehmen?
Österreich und Deutschland sind Länder, die nach wie vor eine hohe Bargeldaffinität haben. Es gibt die politische Diskussion, ob man das Bargeld abschaffen sollte. Ich halte das für eine akademische Diskussion. Das Bargeld wird zurückgehen, aber wenn der Eindruck von Politikern erweckt wird, dass das Bargeld abgeschafft wird, ist das irreführend. Wir haben heute im Handel am POS je nachdem, wo man hinsieht, zwischen 40 und 60 Prozent Bargeldtransaktionen, die sukzessive abnehmen. Wir wissen das, da unser Geschäft jedes Jahr um 5 bis 6 Prozent wächst. Dieses natürliche Wachstum ist auch eine Generationsfrage. Die über 18-Jährigen, aber vielleicht auch der eine oder andere Teenager, haben eine andere Affinität zum Thema bargeldloser Zahlungsverkehr als manche Älteren. Das Thema Mobile Payment wird jedenfalls kommen. Ich glaube, dass wir in den nächsten sechs Monaten Unternehmen sehen werden, wie Apple oder Google, die mit den ersten Banken Kooperationen eingehen, und damit dem Thema Mobile Payment einen weiteren Schwung geben. Das wiederum wird zur Freude der Händler die Transaktion am POS weiter vereinfachen und beschleunigen.
Bezahllösungen von Google, Apple, Amazon oder Alipay kommen alle nicht aus Europa. Wie sehen Sie diesen globalisierten Wettbewerb und was wird und kann Europa beitragen?
Natürlich gibt es das eine oder andere Projekt, das aus nationalen Strukturen heraus entsteht sowie Versuche z. B. von Banken eigene Lösungen zu entwickeln. Hier in Österreich gibt es „Blue Code“, in Deutschland haben wir „paydirekt“. Offen gesagt glaube ich nicht, dass es Europa gelingen wird, sich Apple Pay oder Android Pay zu verschließen. Wir benutzen die iPads und iPhones von Apple, warum sollten wir nicht auch, wenn meine Bank mir das anbietet, die Karte in einem Apple Wallet benutzen. Für Dienstleister wie uns, die aus einer nationalen Struktur entstammen, ist die Herausforderung, diese Produkte auch dem Händler anbieten zu können. Zudem sind Android Pay oder Apple Pay keine Produkte, die uns als Dienstleister im Händlergeschäft heraushalten. Wenn ich heute eine MasterCard-Kreditkarte habe, mit der ich via Apple Pay auf dem Wallet meines iPhones bezahle, dann ist das eine ganz normale Kreditkartentransaktion. Wir wickeln das genauso ab wie bei einer physischen Karte, nur muss die POS-Lösung natürlich NFC-Funktionalität haben.
Ich glaube, dass der Handel auch Dienstleister benötigt, die lokal vor Ort sind, die Service bieten, die Rat geben. Das war jetzt nicht unbedingt die Kernkompetenz der etablierten Player. Man hat sich mehr als Abwickler gesehen. Viele Unternehmen, die eine ähnliche Historie haben wie wir, sind inzwischen in industrielle Strukturen übergeführt worden – entweder sind sie von einem anderen Player gekauft worden oder man hat sich mit Investitionen vergrößert – und sind in der Wertschöpfungskette so aufgestellt, dass man eine entsprechende Relevanz und Größe hat, um als Stand-alone-Unternehmen marktorientiert mit industriellen Strukturen nicht nur überleben, sondern sich auch selbst weiter entwickeln zu können.
Hier findet eine Veränderung statt. Wir erleben ja aktuell in der Payment-Branche permanent durch Merger und Akquisitionen verursachte Veränderungen von Assets. Im deutschsprachigen Raum sind wir ja selbst ein prominentes Beispiel und haben durch den Verkauf an Advent International und Bain Capital jetzt nicht nur finanzstarke Gesellschafter, sondern auch Gesellschafter mit industrieller Erfahrung. Advent und Bain haben ja schon mehrere Payment-Unternehmen so transformiert, dass diese sich danach eigenständig im Markt positionieren konnten. Das ist auch bei uns die Zielsetzung. Die Strategie ist Payment-Champion in der DACH-Region zu sein, der dann auch nationale Payment-Themen in den Markt einbringt.
Wie sieht hier Ihr Zeitplan aus?
Die wesentlichen Investitionsthemen werden wir innerhalb der nächsten zwei Jahre angehen. Advent und Bain haben uns im Januar gekauft, im Juli fand das Closing statt, das durch die BaFin (die deutsche Bankenaufsichtsbehörde) genehmigt werden musste. Als erste größere Maßnahme im April wurde die Rechnungskaufsplattform Ratepay von der Otto Gruppe übernommen. Wir haben ein dezidiertes Investitionsprogramm in eigene Plattformen und wollen autark werden, um letztlich auch die Plattform selber zu managen und in der Lage zu sein, die gewünschten Funktionalitäten umzusetzen. 
Wie sieht die Entwicklung in Deutschland und Österreich aus?
Gut. Die Wettbewerbsintensität ist in Deutschland größer als in Österreich. Wir sind seit 2007 in Österreich tätig und wollen uns hier stärker engagieren und Produkte, die wir im deutschen Markt vermarktet haben, auch stärker im österreichischen Markt vertreiben. Dazu gehört Ratepay, dass wir in unsere neue PSP-Plattform integriert haben und so auch stärker dem kleinen oder mittlerem Online-Händler anbieten können. Ich glaube, dass wir auch internationale Payment-Methoden verstärkt in Österreich sehen, also Alipay, aber auch Apple Pay oder Android Pay. Zudem wird das Thema Omnichannel für den kleinen und mittleren E-Commerce-Händler in Österreich immer wichtiger. Wie erwähnt werden wir in den Bereich Smart-POS-Terminals auch als Dienstleister hineingehen.
Was erwartet uns künftig in Sachen bargeldlose Bezahllösungen? Spielt Künstliche Intelligenz eine Rolle?
Im B2B-Bereich, also im Händlergeschäft, beschäftigt uns KI nicht sehr. Das ist eher eine Sache des B2C-Segements, wo es bereits Lösungen gibt. Derzeit geht es bei uns jedoch um Grundlegendes: Wir haben in den letzten zwei Jahren eine eigene PSP-Plattform (Payment Service Provider) aufgebaut, also eine E-Payment-Lösung für den Online-Handel. Wir beherrschen jetzt mit der 100-Prozent-Übernahme der Cardtech den klassischen POS-Netzbetrieb und bringen gerade auch auf der Back-Office-Processing-Seite eine eigene Plattform in die Gruppe ein. Damit haben wir die drei für das Händlergeschäft benötigten Kernmodule, mit denen wir das Thema Omnichannel darstellen können.

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