„War for Talents“ ändert Arbeitsmarkt

Als CEO bei karriere.at widmet sich Georg Konjovic seinem Herzensthema Recruiting. Im Gespräch mit der COMPUTERWELT beschreibt er wie der Fachkräftemangel und die Coronakrise den Arbeitsmarkt verändern und was das für Arbeitgeber- und -nehmer bedeutet. [...]

Seit April 2020 verstärkt der IT-Experte Georg Konjovic die Geschäftsführung des größten österreichischen Online-Stellenmarktes karriere.at. (c) karriere.at
Seit April 2020 verstärkt der IT-Experte Georg Konjovic die Geschäftsführung des größten österreichischen Online-Stellenmarktes karriere.at. (c) karriere.at

Stichwort Fachkräftemangel : Wie steht die IT im Branchenvergleich da?

Das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) hat für 2020 erhoben, in welchen Bereichen zum Zeitpunkt der Befragung am stärksten nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesucht wurde. Befragt nach den konkreten Berufen mit den größten Rekrutierungsschwierigkeiten rangierten Köche und Köchinnen, Mitarbeiter aus Handel und Verkauf sowie IT-Fachkräfte auf den ersten drei Plätzen. Das zeigt schon plakativ, dass es in Österreich immer schwieriger wird, geeignete IT-Fachkräfte zu finden.

Wie viele österreichische Unternehmen suchen derzeit Fachkräfte?

Momentan gibt es auf karriere.at knapp 5.700 aktive Inserate aus der IT-Branche – davon ist der Großteil in Wien und in Großunternehmen ausgeschrieben. 2021 steht generell im Zeichen von Technik, IT und Verkauf. Das verspricht gleichzeitig einen weiteren Aufschwung für Jobs in der IT-Branche. Der 2020 begonnene Digitalisierungsschub in Österreichs Unternehmen wird sich also auch 2021 fortsetzen. Das betrifft in erster Linie den weiteren Ausbau der ortsunabhängigen Arbeit – hier wird wiederum Unterstützung durch IT-Fachleute notwendig sein. Neben den längst überfälligen Digitalisierungsmaßnahmen sehen wir, dass viele Unternehmen bei der Bewältigung der Krise auf Innovation setzen. Online-Shops und -Beratung sowie neue Produktpaletten bewirken eine relativ große Nachfrage nach IT- und Technikjobs einerseits, aber auch nach Kundenbetreuung andererseits.

Welche Positionen werden derzeit in der IT am stärksten gesucht, welche weniger?

Die Suche nach begehrten IT-Fachkräften hat sich seit dem Ausbruch der Pandemie zunehmend verschärft. Eine karriere.at-Analyse von rund 64.000 Datensätzen aus dem IT-Bereich hat gezeigt, dass DevOps-Stellen 2020 überdurchschnittlich begehrt waren. Auch nach Data Engineers und Data Scientists wurde häufiger gesucht. Neben diesen zwei IT-Berufsfeldern verzeichneten wir letztes Jahr eine verstärkte Suche nach Hardware-Entwicklern sowie Software-Architekten. Hingegen registrierten wir weniger Nachfrage nach IT-Support-Jobs als im Vorjahr.

Was sind typische, durch die Digitalisierung entstandene neue Berufe, die jetzt vermehrt nachgefragt werden?

Es sind weniger neue Berufe, sondern eher neue Umstände. IT-Experten und -Expertinnen sind heutzutage begehrter denn je. Home Office, Online-Besprechungen, virtuelle Konferenzen – die Corona-Krise hat sogar die traditionellsten Unternehmen dazu gezwungen, verstärkt auf die Digitalisierung zu setzen: Sei es ein einfaches Zoom-Meeting, der Zugang vom Home Office zu sensiblen Firmendaten oder die Entwicklung einer klugen Online-Verkaufsstrategie. In Zeiten von Corona ist es kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen aus den verschiedensten Branchen eigene IT-Fachkräfte benötigen, damit kommen sie zunehmend in Konkurrenz zu den klassischen IT-Unternehmen.

Laut unserer Analyse belegen unter den in Stelleninseraten meistgesuchten IT-Skills 2020 die Kenntnisse in Analyse, Datenbanken, Java, Scrum sowie Projektmanagement die ersten fünf Plätze. Im Vergleich zu 2019 gab es weniger Nachfrage nach SAP-Kenntnissen. Zu den Top 10 gesuchten IT-Skills 2020 gehörte auch die IT-Security. Für immer mehr österreichische Unternehmen, besonders Hidden Champions, spielt außerdem die Datensicherheit eine essenzielle Rolle.

Welche Rolle spielt der Firmenstandort in Sachen Fachkräftemangel?

Vor der Corona-Pandemie war die Standortfrage mit Sicherheit noch relevanter. Mittlerweile sollte Unternehmen, die um Fachkräfte buhlen, allerdings klar sein, dass Home Office bzw. das Arbeiten von einem anderen Ort als dem Firmengebäude auch nach Corona eine Option bleiben muss – allein um wettbewerbsfähig zu sein. Laut einer Umfrage von karriere.at im Dezember 2020 befürworten 94 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Konzept Home Office und wollen auch nach der Krise daran festhalten. Überraschend ist aber auch, dass sich sogar 88 Prozent der Arbeitgeber dieses Konzept zumindest zum Teil auch nach der Beendigung der Pandemie für ihr Unternehmen vorstellen können.

Üblicherweise werden IT-Fachleute mit Berufserfahrung nachgefragt. Können Studienabsolventen die Lücke ausfüllen?

Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Auf der Suche nach den besten IT-Fachkräften wollen Unternehmen nämlich in erster Linie erfahrene IT-Fachleute beschäftigen – das zeigt unsere umfassende Datenanalyse. Sowohl 2020 als auch jetzt wird bei 85 Prozent aller ausgeschriebenen Stellen im IT-Bereich Berufserfahrung gefordert. Bei lediglich acht Prozent der Fälle suchen Firmen nach Einsteiger bzw. Absolventen. Das heißt aber keinesfalls, dass man als Studienabgänger in dieser Branche keinen Job findet – im Gegenteil: Viele Unternehmen befinden sich in einem „War for Talents“ um diese heißbegehrten Fachkräfte und wollen Sie so bald wie möglich ansprechen und auch einstellen.

Welche Auswirkungen hat der Talentemangel auf den Markt?

Der schon erwähnte „War for Talents“ hat den Arbeitsmarkt gehörig umgekrempelt und eine Veränderung der Machtverhältnisse nach sich gezogen: Aus dem Arbeitgebermarkt wurde ein Bewerbermarkt. Da die Nachfrage an Fachkräften extrem hoch ist, haben topausgebildete Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die Möglichkeit, aus einer Vielzahl an um sie werbenden Unternehmen das attraktivste auszuwählen. Diese Wahlmöglichkeit geht mit einem gewissen Grad an Gestaltungsoptionen einher. Unternehmen sind zu großen Zugeständnissen hinsichtlich Gehaltes und flexibler Arbeitsmodelle bereit, wenn sie im Gegenzug mit einer Zusage vonseiten einer Fachkraft rechnen können. Verständlicherweise können nicht alle Arbeitgeber hohen Ansprüchen und Forderungen gerecht werden und schneiden im Wettbewerb um die besten Talente daher schlechter ab.

Welche Auswirkungen hat Corona auf die Verfügbarkeit von Fachkräften?

Die Coronakrise hinterlässt tiefe Spuren auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Sie bietet unserer Meinung jedoch für viele IT-Berufe gute Karrierechancen. Wir sehen, dass seit dem Ausbruch der Pandemie IT-Fachleute bei der Jobsuche besonders umtriebig waren – obwohl die Zahl der Stelleninserate auch in diesem Bereich zurückgegangen ist. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich die IT-Branche bereits kurz nach dem ersten Lockdown im Frühling 2020 schneller erholt hat als die meisten anderen Branchen. IT-Jobs haben während der Coronakrise sogar an Attraktivität gewonnen. IT-Fachkräfte scheuen vor der Pandemie kaum zurück und sind für neue berufliche Herausforderungen offen. Dabei kommt ihnen natürlich zugute, dass diese Branche generell sehr digitalaffin ist und viele Beschäftigte in diesem Bereich auch sehr gut aus dem Home Office arbeiten können. „Nearshoring“ – also die Verlagerung betrieblicher Aktivitäten ins nahegelegene Ausland – ist in vielen Berufen der IT-Branche nach wie vor gut möglich, selbst in Coronazeiten.

Bedingt durch die Coronakrise gibt es sehr viele Arbeitslose. Wie geht das zusammen: zu wenig Fachkräfte und gleichzeitig sehr viele Arbeitslose?

Aufgrund von Corona sind die Arbeitslosenzahlen leider tatsächlich historisch hoch. Dennoch scheinen jene Unternehmen, die auch in der Krisenzeit auf der Suche nach Mitarbeiter sind, nicht fündig zu werden. Ein Fachkräftemangel entwickelt sich aus dem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bezüglich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Im Fall der IT-Branche herrscht ein sogenannter Qualifikations-„Mismatch“: Da Berufe im IT-Bereich quasi immer eine fundierte Ausbildung erfordern, bringt ein Großteil der Bewerber, der auf Jobsuche ist, nicht die für die Stelle notwendigen Qualifikationen mit.

Was macht karriere.at anders oder besser als vergleichbare Plattformen. Wie hilft man Bewerbern und Unternehmen zusammenzufinden?

karriere.at ist ein Karriere- und Jobportal mit Schwerpunkt auf Fach- und Führungskräfte. Als Österreichs größtes und bekanntestes Jobportal mit bis zu 4,9 Mio. Besuchen monatlich begleitet uns die IT-Branche dabei schon lange als Steckenpferd, da viele österreichische Unternehmen nach genau diesen Spezialisten suchen und bei uns meist auch fündig werden. Zudem sind auch wir selbst als Digitalunternehmen immer auf der Suche nach Developern und IT-Experten bzw. Expertinnen.

Wie sieht die Zukunft in Bezug auf den Fachkräftemangel aus? Was können, was müssen die HR-Abteilungen machen?

Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, passende Fachkräfte für ihre IT-Projekte zu finden. Eine gezielte Investition in den IT-Nachwuchs kann dem wachsenden IT-Fachkräftemangel entgegenwirken. Neben einem attraktiven Gehalt ist es gerade für jüngere IT-Fachleute wichtig, genug Wertschätzung, Flexibilität und Unterstützung im Unternehmen zu bekommen. Hier müssen sich Unternehmen entsprechend öffnen und den Fachkräften genug Raum für ihre berufliche, aber auch persönliche Entfaltung bieten.
Man muss übrigens auch nicht unbedingt ein Studium absolviert haben, um in diesem Bereich tätig zu werden – bei karriere.at haben wir eine Vielzahl an Mitarbeitern, die im Dev- und IT-Bereich arbeiten – mehr als 50 von knapp 200 Mitarbeitern. Da gibt es durchaus einige, die z. B. eine Lehre gemacht oder sich autodidaktisch weitergebildet haben – dafür sollten HR-Abteilungen heute ebenso offen sein.

Zudem ist es ein wichtiger Punkt, Frauen für solche vermeintlichen Männerdomänen wie den IT-Bereich zu begeistern und entsprechend auszubilden. Das beginnt in der Schule und zieht sich bis in die Unternehmen. Gleichbehandlung ist hier ein großes Thema – für karriere.at und ganz generell. Aufgabe der Bildungsinstitutionen sollte sein, die Grundlage für solche Karrieren zu legen – egal ob Mann oder Frau – und Unternehmen können nur davon profitieren, eine Geschlechterbalance in bisher einseitig besetzten Bereichen herzustellen. Diese Prinzipien sollten schließlich auch in HR-Abteilungen gelebt werden.


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