Das Geschäft muss auch dann brummen, wenn der CIO sich entscheidet, das Unternehmen zu verlassen. Daher kümmern sich verantwortungsvolle IT-Leiter rechtzeitig um potenzielle Nachfolger aus dem eigenen Team und führen diese Schritt für Schritt an die neue Rolle heran. [...]
Die Einstellung und Bindung von Talenten ist ein wichtiger Teil der Arbeit eines CIOs. Ebenso essenziell ist die Vorbereitung von potenziellen Nachfolgern bzw. IT-Führungskräften, die über die entsprechenden Technik- und Management-Fähigkeiten verfügen, damit das Unternehmen im Falle eines Ausscheidens des CIOs weiter am Ball bleibt.
„Aus gutem Grund pflegen CIOs ein oder zwei High Potentials, durch die sie ersetzt werden können“, sagt Gartner-Analystin Diane Berry. „Aber selbst die vorbildlich geführten IT-Abteilungen schaffen es nicht, digitale Führungskräfte aus Bereichen heranzuziehen, die zwei oder sogar drei Organisationsebenen darunter liegen.“
Das bestätigt eine Studie: 52 Prozent der von Development Dimensions International, dem Conference Board und EY befragt wurden, gaben an, dass sie nicht über den aktuellen Status ihrer Führungsqualitäten im gesamten Unternehmen informiert seien. „Wo wir Probleme bei der Nachfolgeplanung sehen, ist, dass strategische Aufgaben meist der Führungsschicht vorbehalten bleiben.“
Die Außenperspektive schärfen
Der Pannenhilfe-Dienstleister Agero ist ein Unternehmen, bei dem die Nachfolgeplanung zwei Ebenen umfasst. Der CIO Bernie Gracy erwartet sich von seinen möglichen Nachfolgern, dass sie die Führungsposition in einer Welt beherrschen, in der digitale Tools wie Cloud, Mobilität, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen das Geschäft vorantreiben. Gracy ermöglicht es High Potentials auch, „auf die Geschäftsstrategie Einfluss zu nehmen“, indem er mit wichtigen Führungskräften in der gesamten Branche zusammenarbeitet und eine ganzheitliche Unternehmenssicht erhält. „Sie müssen auch weit unten in der Hierarchie agieren, um zu lernen, wie man mit IT-Kollegen und Kollegen aus den Fachabteilungen zusammenarbeitet, um Probleme zu lösen“, so Gracy.
Ein weiterer wichtiger Schritt bei der Ausbildung von Nachfolgern besteht darin, sie dazu zu ermutigen, mit Kollegen in den Kundenorganisationen zu kooperieren. „Ich möchte, dass sie das Geschäft aus Kundenperspektive kennenlernen.“ In dieser „Stakeholder-zentrierten“ Strategie werden die Mitarbeiter von Agero besser auf die Kundenanforderungen vorbereitet, während die Kunden lernen, mit ihrem Dienstleister zusammenzuarbeiten.
Gracy empfiehlt auch High Potentials, auf Technik-Veranstaltungen zu sprechen. Dies gibt dem potenziellen Nachfolger die Möglichkeit, seine Geschichte und die Geschichte des Unternehmens zu erzählen. „Letztendlich müssen CIOs und CTOs Storyteller sein und die Technologie auf das Geschäft übertragen“, sagt er.
Schließlich ermutigt der CIO seine Mitarbeiter, ihre emotionale Intelligenz zu verfeinern, einschließlich der Fähigkeit, das Publikum zu lesen und in entsprechender Weise zu reagieren. Dies hilft High Potentials, über die introvertierte IT-Sicht hinaus zu geschäfts- und kundenorientierten Perspektiven zu gelangen. Gracy nennt emotionale Intelligenz übrigens einen „kritischen X-Faktor“ für IT-Verantwortliche.
IT-Führungskompetenz testen
Als CIO des Bekleidungshändlers Carhartt sieht es John Hill als seine Pflicht an, Talente vorzubereiten, selbst wenn die Gefahr besteht, dass sie diese Rolle in einem anderen Unternehmen übernehmen könnten. „Meine Aufgabe ist es, jedem zu helfen, der CIO werden möchte“, sagt er.
Hill unterstützt Talente, indem er etwa sicherstellt, dass sie sich mit anderen Führungskräften als ihm selbst auseinandersetzen. Dies sei entscheidend, um potenziellen CIOs dabei zu helfen, die Funktionsweise von Carhartt zu verstehen. Hill ermutigt auch High Potentials, direkt mit dem CFO und dem COO in funktionsübergreifenden Projekten zusammenzuarbeiten, die nicht notwendigerweise auf Technologie basieren. „So können sie sehen, wie andere Führungskräfte auf C-Level ihre Arbeit verrichten“, sagt er. „Nach meiner Erfahrung ist dies der beste Weg, um die IT-Führungsrolle zu entwickeln.“
Hill setzt sich zweimal im Jahr mit seinen Kollegen zusammen, um zu besprechen, wie sie eine Strategie und eine Vision für ihre Abteilungen entwickeln können. Die High Potentials erhalten auch eine 360-Grad-Bewertung, in der Kollegen, Untergebene und andere Führungskräfte Feedback geben, was ihnen hilft zu verstehen, wie ihr Führungsstil wahrgenommen wird. Die wichtigste Frage dabei lautet: „Sind sie tolle Teamkollegen?“ „Die meisten verbringen viel Zeit mit sich selbst, aber ich möchte wissen, wie diese Personen von den Menschen im Umfeld wahrgenommen werden.“
Die Talente aus der Schule von John Hill verfügen über eine hohe Integrität, eine solide Ethik und Leidenschaft für ihre Arbeit sowie die Fähigkeit zum „Multithread“. Auf strategischer Ebene müssen seine CIO-Anwärter neben dem geschäftlichen und finanziellen Knowhow, die den Schlüssel zum Sitz am Executive Table bilden, eine strategische Vision mitbringen.
Viele dieser Merkmale können so lange trainiert werden, wie es die Lernbereitschaft der Kandidaten erlaubt. Laut Hill besteht der Unterschied zwischen einem guten und einem hervorragenden IT-Leiter darin, den laufenden Status von Dutzenden von Initiativen zu verfolgen und deren Auswirkungen jederzeit zu verstehen. „Dort sieht man, ob jemand dieses Talent hat. Es ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal“, sagt Hill abschließend.
Tipps zur Nachfolgeplanung
Für CIOs, die sich mit der Frage der Nachfolgeplanung im digitalen Zeitalter auseinandersetzen, bietet Gartner-Analystin Diane Berry folgende Ratschläge: CIOs sollten sich mit den Personalverantwortlichen zusammenschließen, um Talente zu fördern – einschließlich Führungskräftetrainings.
CIOs sollten folgenden Fragen beantworten: Welche Führungs-, Geschäfts- und technischen Fähigkeiten sind für das Talentportfolio erforderlich, um strategische Ziele zu erreichen? Wie können sie kritische Rollen erkennen, die jetzt und in der Zukunft benötigt werden, um das digitale Geschäft auszubauen und zu erhalten?
CIOs sollten zudem Führungsfähigkeiten und digitale Kompetenzen definieren, die zur Unterstützung strategischer Ziele erforderlich sind. „Es braucht außerdem Methoden, um das Potenzial von möglichen Nachfolgern und ihre Bereitschaft bewerten zu können. Dabei ist es wichtig, auch jenseits der Organisationsgrenzen der IT-Abteilung zu suchen, um Talente mit hohem Potenzial zu identifizieren“, sagt Berry.
Übrigens: CIOs sollten die Kennzahlen zur Beurteilung der Nachwuchstalente alle 12 bis 18 Monate überarbeiten, um neue Chancen zu erkennen und dort aktiv zu werden, wo Adaptionen notwendig sind. So wie sich das Geschäft laufend ändert, so ändern sich auch die Herausforderungen eines CIO.
*Clint Boulton ist Redakteur von CIO.com.
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