Wie CIOs sich selbst sabotieren

Der Digitalisierungsschub des vergangenen Jahres führt (wieder einmal) zu einer Veränderung der CIO-Rolle und macht ein gewisses Umdenken nötig. Wir haben im Gespräch mit einigen Experten acht Wege identifiziert, wie CIOs sich in der Post-COVID-Welt selbst sabotieren. [...]

Die größten Fehler von IT-Managern. (c) photoschmidt / stock.adobe.com

Die Pandemie hat die Dynamik innerhalb der Unternehmen verschoben«, meint Paul Heard, CIO beim Softwareanbieter Zuora. »Alle Best Practices, die IT-Entscheidern in puncto Vereinfachung und Kostenreduktion jahrelang eingeimpft wurden, erweisen sich als kontraproduktiv, wenn es darum geht, schnelle Veränderungen umzusetzen.« Der rasante Change und die damit einhergehenden Unsicherheiten können zu folgenschweren Fehlentscheidungen auf Seiten der CIOs führen, sowohl was Führung als auch was Strategie angeht. Dabei sind die Chancen, die sich aufgeschlossenen, vorwärtsgewandten IT-Entscheidern gerade eröffnen, groß. Zumindest, wenn man den Analysten von Deloitte Glauben schenken mag: »Wir befinden uns an einem Wendepunkt«, ist Khalid Kark, Program Research Leader bei Deloitte USA, überzeugt. »Die CIOs sollten sich ihrer neuen Führungsrolle öffnen und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Wer das nicht tut, zementiert seinen Status als funktionelle Führungskraft – aber gewiss nicht als Business Leader.« Wir haben im Gespräch mit einigen Experten acht Wege identifiziert, wie CIOs sich in der Post-COVID-Welt selbst sabotieren.

1. »Unterstützung? Kein Bedarf«

Viele CIOs führen Dutzende oder gar Hunderte von IT-Spezialisten. Dieser »Ressourcenreichtum« verleitet viele Manager dazu zu glauben, sie könnten auf Technologien oder externe Beratungsleistungen getrost verzichten. Es mag zwar sein, dass es jetzt gerade viele wichtigere Dinge gibt, aber angesichts der Geschwindigkeit der Veränderungen ist externe Unterstützung in jedem Fall eine gute Idee. Das meint auch Zuora-CIO Heard: »Sie müssen die Denkprozesse in Ihrem Unternehmen beschleunigen und brauchen einen externen Katalysator, der weiß, wohin sich der Markt beziehungsweise die Branche bewegt.«

2. »Lieber auf Nummer sicher…«

Der Vorstand, das C-Level und die meisten Business-Entscheider verstehen, dass jede Geschäftsentscheidung auch risikobehaftet ist. »Sie erwarten vom CIO keine Lösung, die risikofrei ist«, weiß Deloitte-Mann Kark. Dennoch agierten CIOs oft zögerlich – es sei denn, sie sind sich zu einhundert Prozent sicher, dass eine Lösung funktioniert. Das sei nicht mehr zeitgemäß: »Heutzutage ist es wirklich wichtig, auch innerhalb von Grauzonen agieren zu können. Sie müssen fähig sein, auch in unsicheren Umgebungen zu wachsen«, sagt Kark. Dabei sollten CIOs immer verschiedene Optionen aufzeigen und Empfehlungen aussprechen. Das Business werde sich dann in der Regel für den riskanteren Weg entscheiden, wenn dieser potenziell bessere Ergebnisse verspricht.

3. »Aber die internen Kunden…«

Einige CIOs seien einem gewissen Wording verhaftet, das ihre Wahrnehmung als funktionale Führungskräfte zementieren könne, wie Noah Rosenstein, Principal Analyst bei Gartner, zu bedenken gibt. Zu den »verbotenen« Begriffen gehörten seiner Ansicht nach zum Beispiel »interne Kunden« oder »IT-Strategie«: »Schon IT-Strategie vermittelt, dass es sich um eine Strategie für die IT-Abteilung handelt und nicht um die Technologie-Assets des gesamten Unternehmens. IT-Strategien sollten aus einer Perspektive heraus entwickelt werden, die fokussiert, wie ein bestimmtes Asset auf die Unternehmensziele einzahlen kann«, so Rosenstein. Davon, Fachabteilungen als »interne Kunden« zu bezeichnen, sollten CIOs ebenfalls absehen, das sei vor einigen Jahren betrieben worden, um die IT-Abteilung serviceorientiert erscheinen zu lassen. Heutzutage führe ein solches Wording den eigentlichen Kunden des Unternehmens ad absurdum, verdeutlicht der Gartner-Chefanalyst: »Es vermittelt den Eindruck, innerhalb des Unternehmens stünde nicht derselbe Kunde im Fokus.«

4. »Alles optimal«

Der Remote-Work-Trend hat die unternehmenskulturellen Hürden angehoben. Die Veränderungen der Arbeitskultur einfach zu ignorieren und anzunehmen, das eigene Team ist produktiv und mit Engagement bei der Sache, kann den Erfolg eines CIO untergraben und zu Personalschwund führen – heißt es von Seiten des US-Beratungsunternehmens Korn Ferry.

Der CIO sollte sich als (Mit-)Architekt der Unternehmenskultur verstehen und dafür sorgen, dass die richtigen Strukturen eingezogen werden, um den veränderten Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werden zu können. »In einem Remote-Work-Umfeld ist es besonders schwierig, die Kultur zu definieren und zu etablieren – egal, wie die Vorgaben auf C-Level aussehen«, weiß Craig Stephenson, Managing Director bei Korn Ferry.

Einer Umfrage von 451 Research zufolge ist die Produktivität zwar auch in Remote-Work-Umgebungen auf einem hohen Niveau – anders sieht es jedoch beim Engagement aus. Nur 11 Prozent der befragten Angestellten fühlen sich tatsächlich produktiver und sind mit vollem Einsatz bei der Sache. Diese Gruppe weist allerdings besondere Merkmale auf: Meist handelt es sich um erfahrene oder generell eher technikaffine Mitarbeiter.

Für CIOs sei es besonders wichtig, permanent mit ihrem Team in Kontakt zu stehen und sowohl neue Herausforderungen als auch Lernmöglichkeiten aufzuzeigen, meint Stephenson. »Befähigen Sie Ihre Mitarbeiter dazu, eigene Entscheidungen treffen und sich selbst zu verwirklichen«, empfehlen die Korn-Ferry-Berater.

5. »Der Krümel kommt zum Kuchen«

Nicht wenige IT-Manager lassen Geschäftsprobleme oder prozessuale Herausforderung erst einmal auf sich zukommen – solange, bis diese dann akut werden. »Das verfestigt die Wahrnehmung des CIO als Befehlsempfänger«, merkt Deloitte-Berater Kark an. Viele CIOs agierten reaktiv, statt proaktiv – das werde einer Rolle als Change Maker jedoch nicht gerecht.

»Hier ist Agilität gefragt – und zwar nicht nur, wenn es um Technologie geht, sondern vor allem dann, wenn neue Geschäftsmöglichkeiten erschlossen werden sollen. Dazu müssen sich CIOs verstärkt in den Innovationsprozess einschalten. Nur auf diese Weise kann es gelingen, neue Technologien zu treiben, das Business zu befähigen und Wachstumsmöglichkeiten zu erkennen«, so Kark.

6. »Skills vor Strategie«

Wie die CIO-Studie »2021 State of the CIO« aufzeigt, wollen 69 Prozent der befragten IT-Entscheider in diesem Jahr die Skillsets reevaluieren. Und das aus gutem Grund: Der Druck auf die CIOs wächst, sich strategisch zu positionieren. Um die daraus abgeleitete Vision zu realisieren, sind die richtigen Skillsets unerlässlich – speziell in Pandemie-Zeiten.

Laut einer weltweiten Studie von Deloitte gehen 68 Prozent aller befragten CIOs davon aus, dass die Fähigkeiten von rund einem Drittel ihrer derzeitigen Mitarbeiter in den nächsten drei Jahren überflüssig werden. Der Chief Information Officer sollte also nicht nur nach akutem Bedarf einstellen, sondern zukunftsgerichtet agieren und dabei im Idealfall neue Stärken entdecken, die momentan noch gar nicht auf der Landkarte stehen.

Zuora-CIO Heard erzählt von einem kürzlich geführten Job-Interview mit einem Kandidaten, der direkt an ihn berichten sollte: »Er erinnerte mich an mich selbst, hatte dieselben Skills und Qualifikationen – daraus wäre kein gutes Team erwachsen. Es hätte nur Stärken dupliziert und genau die sind die Schwachstellen innerhalb eines Teams.

7. »Mein Silo, meine Welt«

Stärker denn je sind CIOs gefordert, wenn es darum geht zum Business-Entscheider zu werden. Der funktionelle Leader ist out, wie auch eine aktuelle Befragung unter 100 CEOs und 400 IT-Entscheidern von Deloitte und WSJ Intelligence zeigt: Die Chief Executive Officers trauen den Chief Information Officers die Rolle als strategischer Business-Partner nicht nur zu, sondern fordern diese auch ein.

Es kommt einem Signal an die CIOs gleich: Das Silo muss weichen – geschlossene Einheiten können keinen Mehrwert fürs Business schaffen. Der Chief Information Officer nimmt eine kritische Rolle dabei ein, Business-Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Oder wie die Macher der Studie es formulieren: »Wenn sie nicht aus dem Quark kommen, werden andere CxOs diese Rolle gerne übernehmen.«

8. »Kommunikationsfehler«

CIOs haben immer noch mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie schlechte Kommunikationsfähigkeiten haben und die Sprache der Fachabteilungen nicht beherrschen. Viele können dieses Klischee durch überzeugende und wortstarke Auftritte im Vorstand oder auch in der Öffentlichkeit entkräften. Trotzdem gibt es einige Fehler, die speziell CIOs immer wieder passieren: Technischen Jargon im Gespräch mit Nichttechnikern zu benutzen, ist sicherlich der häufigste Kommunikationsfehler von CIOs. Man sollte sich immer in den Wissensstand seines Gegenübers hineinversetzen und versuchen, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Es kommt zudem immer wieder vor, dass CIOs zu wenig fragen. Dabei gibt es drei Gründe, weshalb sie ohne Scheu Fragen stellen sollten: Sie erhalten neue Einblicke, beziehen ihre Zuhörer mit ein und bauen Beziehungen zu Kollegen auf.

Des Weiteren tendieren CIOs oft dazu, wenn sie Budget für neue Technologien benötigen, Ideen mit Übertreibung zu verkaufen: »Unser Unternehmen braucht diese neuen Server zum Überleben«, heißt es dann beispielsweise. Anstatt auf eine Lösung zu pochen, sollte man in einem Meeting lieber mehrere Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen präsentieren. Wichtig ist es auch, den jeweiligen Nutzen fürs Business hervorzuheben. CIOs kann in Meetings zudem der Fehler passieren, dass sie sich in ihrer Argumentation für eine Investition maßgeblich auf Fakten stützen. Sie vergessen dabei, wie wichtig es ist, Zuhörer auch emotional einzubeziehen. Hier empfehlen Experten, mit einer Geschichte die Vorstellungskraft der Zuhörer anzusprechen.

*Stacy Collett ist Autorin für die US-Publikationen Computerworld, CSO und Network World.


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