Wie digital ist die Baubranche?

Die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Baubranche betreffen alle Stufen der Wertschöpfungskette. Sie reichen von digitalen Plattformen zur Beschaffung bis zu Baurobotern, die in Rekordzeit Gebäude errichten. Es hapert jedoch an der Umsetzung. [...]

Nur ein Drittel der Zeit wendet ein Bauarbeiter für seine Haupttätigkeit auf. Der Rest: Logisitik und Suchen. (c) pixabay
Nur ein Drittel der Zeit wendet ein Bauarbeiter für seine Haupttätigkeit auf. Der Rest: Logisitik und Suchen. (c) pixabay

Eine große Mehrheit der Akteure der Bauindustrie erkennt, wie allumfassend sich die Digitalisierung auch auf ihre Geschäfte auswirken wird. 93 Prozent der Unternehmen stimmen laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags der Aussage zu, dass die Digitalisierung die Gesamtheit der Prozesse beeinflussen wird. Mit dieser Einschätzung liegt die Baubranche auf einem Niveau mit dem Handel, nur knapp hinter der Industrie und den Dienstleistern.
Das Bewusstsein für die Bedeutung des Megatrends Digitalisierung ist also vorhanden. Jedoch hapert es an der Umsetzung. Dies ist das Ergebnis der Roland Berger-Studie »Digitalisierung der Bauwirtschaft. Der europäische Weg zu Construction 4.0«.

Die zögerliche Umsetzung überrascht vor allem mit Blick auf die Entwicklung der Produktivität der Bauindustrie. In den vergangenen zehn Jahren stieg diese in Nachbarland Deutschland um bescheidene vier Prozent. Zum Vergleich: Die Produktivitätsentwicklung der gesamten deutschen Wirtschaft lag in diesem Zeitraum bei 11 Prozent. Besonders groß ist der Rückstand des Bauwesens auf die Industrie: Die verarbeitenden Gewerbe steigerten die Produktivität in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 34 Prozent, das produzierende Gewerbe um 27 Prozent. In anderen europäischen Ländern verzeichnete die Bauindustrie sogar eine rückläufige Entwicklung. So sank die Produktivität im Bausektor in Italien und Spanien zwischen 2010 und 2015 um fünf Prozent pro Jahr. Die aktuelle Studie »Potenziale der Digitalisierung im Bauwesen« der Technischen Universität Wien bestätigt, dass auch heimische Unternehmen der Baubranche den Digitalisierungstrend bis dato nur ansatzweise verfolgt haben.

Bereichsübergreifende Lösungen

Geht man ins Detail, so ergeben sich je nach Bereich unterschiedliche Ergebnisse. Laut Roland Berger wird das Potenzial der Digitalisierung auf jenen Stufen der Wertschöpfungskette groß gesehen, wo die Vorteile offensichtlich sind: Spitzenwerte gab es daher für den Bereich digitale Daten in der Logistik sowie für die Automation in der Bauausführung. Häufig genannt wurden auch die Potenziale im Bereich Marketing und Vertrieb. In der Abteilung Beschaffung hingegen wurden die Potenziale der Digitalisierung nur wenig benannt. Auch in der Produktion haben die Befragten abseits der Automation den weiteren Aspekten der Digitalisierung kaum Potenzial zugesprochen. Hier fehlt es also noch an dem Bewusstsein, dass alle Hebel der Digitalisierung tatsächlich entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Bedeutung sind.

Tablets am Bau? Fehlanzeige

Entsprechend gering ist der Grad der bereichsübergreifenden Umsetzung in den Unternehmen. So nannten die befragten Firmen keine Abteilung, in der die Digitalisierung bereits weitgehend umgesetzt worden ist. Ein Beispiel für umgesetzte Projekte sind Cloud-Computing-Lösungen für kollaborative Produktionsprozesse. In allen anderen Stufen der Wertschöpfungskette bewerteten die Befragten den Grad der Umsetzung als gering bis sehr gering bzw. nicht vorhanden.

Blickt man auf die digitalen Devices, die von den Akteuren der Bauindustrie als Arbeitshilfen genutzt werden, zeigt sich, dass in den meisten Firmen zwar mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter über einen Zugang zu PC und Internet verfügen. Doch auch der Anteil der Unternehmen, bei denen das lediglich bei 20 bis 40 Prozent der Belegschaft der Fall ist, ist beachtlich hoch. Beim Smartphone ist das Bild noch ambivalenter. Die Roland Berger-Umfrage widerlegt zudem die Annahme, dass das Tablet für die modernen Akteure der Bauindustrie mittlerweile zum Standard-Tool geworden ist: In den meisten der befragten Unternehmen besitzen lediglich höchstens 20 Prozent einen Zugang zum anderswo sehr beliebten Endgerät.

Von digitalen Plattformen bis zu Baurobotern

Die Handlungsempfehlungen der Studie sind demnach vielfältig. Neben BIM, das bereits an anderer Stelle dieser Ausgabe behandelt wird, sind unter anderem digitale Plattformen zur Beschaffung vorteilhaft, da die Materialkosten einen maßgeblichen Teil an den Gesamtkosten in der Baubranche ausmachen. So sorgt die elektronische Beschaffung über Kataloge für eine Einsparung von rund fünf Prozent, bei Online-Auktionen sind es sogar zehn Prozent.

Stichwort Baustellenlogistik: Lediglich rund 30 Prozent seiner Arbeitszeit wendet ein Bauarbeiter tatsächlich für seine Haupttätigkeit auf. Den Rest verbringt er auf Wegen und mit Transportarbeiten, mit Auf- und Umräumarbeiten sowie auf der Suche nach Materialien oder Geräten. Es ist damit nachvollziehbar, dass viele Unternehmen hier Optimierungsbedarf feststellen. Im Sinne der Digitalisierung sind zum Beispiel von einer Supply-Software unterstützte Lieferungen möglich, die genau dann erfolgen, wenn das Material auf dem Bau benötigt wird. Lagerungen und Umräumarbeiten werden dadurch minimiert. Smarte und miteinander vernetzte Baumaschinen ermöglichen zudem eine optimale Auslastung der Maschinen und Baufahrzeuge. Auch sind bereits Apps auf dem Markt, die mit Hilfe von GPS oder anderen Navigationstechniken Maschinen, Produkte oder Material orten. Insbesondere RFID bietet hier weitergehende Möglichkeiten.

Was Bauroboter bereits heute leisten können, zeigt »Hadrian«, eine Entwicklung des australischen Unternehmens Fastbrick Robotics. Häuser, an denen Bauarbeiter mehrere Wochen arbeiten, errichtet der Roboter innerhalb von 48 Stunden. Gefüttert wird er mit 3D-Bauplänen, nach denen er die Steine anpasst, bearbeitet und verbaut. Eine weitere digitale Innovation für die Bauindustrie sind 3D-Drucker. Eine Firma aus China nutzt diese Technik bereits: Das Gerät druckt nach den Vorgaben des 3D-Bauplans Gebäudeteile aus, die aus einer Mischung aus schnell härtendem Zement, Industrieabfällen, Bauschutt und Glas bestehen. Für ein dreistöckiges Haus dauert der Druckvorgang nicht mehr als zwei Tage.


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