Im Gespräch mit der IT WELT fasst Andreas Pfleger, Industry Lead Industrial Innovation bei Zühlke Österreich, zusammen, was Unternehmen tun müssen, damit sie durch "radikale Innovationen" neue Geschäftsmodelle erschließen und damit echten Mehrwert generieren können. [...]
In der Zühlke-Innovationsstudie „Wie radikale Innovation gelingt“ wird zwischen inkrementeller und radikaler Innovation unterschieden. Was versteht man drunter?
Zu Beginn unserer Studie haben wir bewusst darauf verzichtet, eine feste Definition für radikale Innovation vorzugeben. Stattdessen haben wir den Teilnehmenden offen zugehört, welche Projekte Sie als radikal empfunden haben und wieso. Dafür haben wir über 150 Interviews geführt und auf Basis dieser eine Definition abgeleitet. Inkrementelle Innovationen basieren auf bestehenden Produkten oder Services, die schrittweise verbessert oder weiterentwickelt werden. Sie sind oft auf bestimmte Bereiche oder Funktionen beschränkt und haben begrenzte Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen. Im Gegensatz dazu schaffen radikale Innovationen etwas grundlegend Neues. Sie sind äußerst komplex und erfordern oft den Aufbau einer völlig neuen Organisation für das neue Produkt oder die neue Dienstleistung. Die Radikalität einer Innovation definiert sich durch den Grad, wie stark sich eine Organisation verändern muss, um eine Innovationsinitiative erfolgreich umzusetzen. Je größer die Veränderung bzw. je weiter sie vom Kerngeschäft entfernt ist, desto radikaler wird die Innovation eingestuft. Radikale Innovationen erfordern oft eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen, Organisationsstrukturen und internen Prozessen, um die neuen Ideen erfolgreich umzusetzen. Insgesamt unterscheidet sich radikale Innovation also von inkrementeller Innovation durch den Grad der Veränderung und den Umfang der Auswirkungen auf das Unternehmen.
Ist Innovation eine Frage der Technologie? Oder sind andere Unternehmensbereiche ebenfalls betroffen? Falls ja, welche? Was für eine Unternehmenskultur ist innovationsförderlich?
Technologie spielt eine Rolle bei inkrementellen Innovationen, ist aber kein bestimmender Treiber von radikalen Innovationen. Der Treiber hinter diesen ist immer der Mensch bzw. das Unternehmensumfeld, dass derartige weitreichende Veränderungen ermöglicht. Um sich organisationsübergreifend – sprich radikal – neu aufzustellen, braucht es zumindest eine starke Kraft, die das Innovationsprojekt auch gegen Widerstände vorantreibt. In etablierten Unternehmen ist diese zumeist im Senior Management angesiedelt – und hat im besten Falle Rückenwind durch das Executive Board, denn erfolgreiche radikale Innovation kann nur dort entstehen, wo die Unternehmensspitze das Verständnis und den langfristigen Fokus hat, um großflächigen Wandel zuzulassen und nachhaltig zu fördern.
Daher funktionieren radikale Innovationen in eigentümergeführten Unternehmen besonders gut, in denen es typischerweise klare Entscheidungsstrukturen, wie auch langfristiges Commitment gibt. Auch Firmen, die generell jünger sind und organisatorisch noch nicht die entsprechende Komplexität aufgebaut haben, tun sich mit radikalen Innovationen leichter. Darüber hinaus braucht es auch ein Innovations-Team. Kleine Projektteams eignen sich besonders gut, da sie flexibel und frei agieren können, ohne in eine Behäbigkeit zu geraten, die große Teams oft mit sich bringen.
Was sind Blockaden, radikale Innovationen durchzuführen? Was waren überraschende Ergebnisse der Studie?
Wir haben festgestellt, dass über 80 Prozent der befragten Unternehmen mit ähnlichen Problemen kämpfen. Dabei hat uns in den Gesprächen überrascht, dass Themen wie Methodik, Strategie und Vision, Technologie und auch Trends quasi nie als erfolgshindernd genannt wurden. Eine weitere spannende Erkenntnis: Auf direkte Nachfrage antworteten über 90 Prozent der Teilnehmenden, dass sie nicht glauben, dass der bestehende Vertrieb in der Lage ist, die neue Innovation zu verkaufen. Auch die Entscheidungsträger und -prozesse selbst wurden häufig als Hürde für radikale Vorhaben genannt. Gängige KPIs, falsche Erwartungshaltungen und fehlende Freiräume, um neue Ideen auszutesten, blockieren grundlegende Innovationen, denn die Anwendung bestehender Normen und Regeln der bestehenden Organisation auf etwas völlig Neues, erweist sich häufig als ungeeignet. Beim Versuch, die bestehende Organisation zu verlassen scheitern viele Unternehmen am Neuaufbau einer passenden Organisation für die Skalierung. Außerdem erfordert erfolgreiche radikale Innovation ausreichende Ressourcen, Budget, Personal Zeit und einen Product-Market-Fit. Dafür braucht es die Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen. Silos in Unternehmen sind hinderlich. Auch externe Partnerschaften und Kooperationen spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung radikaler Innovationen. Der Austausch mit externen Expertinnen und Experten ermöglicht eine schnellere und effektivere Einführung neuer Ideen und Technologien und bewahren vor einem Tunnelblick.
Mit digitalen Services hilft Zühlke Industrieunternehmen bei der digitalen Transformation. Wie schafft man eine erfolgreiche Digital Servitization Transformation? Was ist dabei zu beachten? Gibt es Best Practices?
Erfolgreiche digitale Services sind in Industrieunternehmen radikale Vorhaben. Sie erfordern eine neue strategische Ausrichtung und Kundenorientierung sowie oft eine Anpassung des Geschäftsmodells. Eine solche Transformation erfordert ein Umdenken von einer reinen Produktorientierung hin zu einem ganzheitlichen Serviceansatz. Das Unternehmen muss die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden verstehen und die digitalen Services entsprechend gestalten, um Kunden echten Mehrwert zu bieten.
Zühlke hilft Unternehmen dabei, diese Herausforderungen zu bewältigen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Gemeinsam mit der STIHL Gruppehaben wir ein intelligentes, Cloud-basiertes Flottenmanagement-Portal entwickelt. Bisher konzentrierte sich das Hauptgeschäft von STIHL auf den Geräte-Vertrieb. Mit dem neuen digitalen Service erhalten STIHL-Kunden nun eine umfassende Übersicht über ihren Gerätepark, können Arbeitsabläufe optimal planen, Reparaturen in Auftrag geben und sogar Maschinen anderer Hersteller integrieren. Die STIHL Gruppe erschließt dadurch einen neuen, direkten digitalen Kanal zu ihren Kunden und kann so die Kundenbindung stärken.
Die digitalen Services die Zühlke gemeinsam mit ihren Kund:innen entwickelt greifen oft in bestehende Geschäftsmodelle ein und innovieren diese. Wie kann ein gut eingeführtes Unternehmen mit solchen Disruptionen umgehen? Soll es (zumindest teilweise) wie ein Start-up agieren?
Erfolgreiche radikale Innovation, wie zum Beispiel die Einführung digitaler Services, bedingt eine Innovationskultur, neue Denkweisen, neue Strukturen, passionierte Treiberinnen oder Treiber und insbesondere auch Agilität, Flexibilität und Geschwindigkeit. All das sind Attribute, mit denen man auch Start-ups beschreiben würde. Deshalb kann man durchaus sagen: Möchten Unternehmen erfolgreiche radikale Initiativen realisieren, müssen sie wie ein Start-up denken und handeln – mit allen Konsequenzen. Neue, radikale Initiativen müssen von der bestehenden Organisation entkoppelt werden, beispielsweise durch die Bildung eines internen Ventures. Sie müssen ihre eigenen Strukturen und ihren eigenen Weg schaffen, um sich erfolgreich am Markt zu etablieren. Wichtig dabei ist, sich immer klarzumachen: Radikale Innovation braucht Zeit. Entsprechende Initiativen benötigen oft 10 Jahre lang Investment, bevor sie Gewinne erzielen. Das zeigen sowohl unsere Studien-Interviews als auch unsere Kunden-Projekte.
Was empfehlen Sie Unternehmen, um radikal innovativ und erfolgreich zu sein? Wie hilft Zühlke dabei?
Auch, wenn es schön wäre, das an dieser Stelle zu nennen, das universelle Erfolgsrezept für erfolgreiche, radikale Innovation gibt es leider nicht. Aber, Studien-Interviews und Kundenprojekte zeigen drei wesentliche Erfolgsbausteine: Es braucht das nötige Verständnis und den langfristigen Fokus, um radikale Innovationen zuzulassen und nachhaltig zu fördern. Es bedarf eines C-Level-Mitglieds mit der nötigen Erfahrung und Qualifikation, um das Vorhaben über den gesamten Zeitraum hinweg umzusetzen. Und es braucht passionierte Treibende und ein Team mit der Kraft, der Motivation und dem Durchhaltewillen, die Vision Stück für Stück umzusetzen. Eine Erfolgsgarantie ist dies nicht. Der Erfolg radikaler Innovation ist nicht planbar – das zeigt unsere Studie und unsere Projekterfahrung. Radikale Innovationen ist eine hochkomplexe, in höchstem Maße individuelle Herausforderung. Bestimmte Frameworks und Lösungsansätze können jedoch helfen, den Prozess effizienter zu gestalten, wenn Sie in ihrem Kontext richtig verstanden und eingesetzt werden. Zühlke unterstützt Unternehmen mit eigens entwickelten und praxiserprobten Frameworks und Lösungsansätzen bei der Ideenfindung, Identifizierung neuer Geschäftsmöglichkeiten, Umsetzung maßgeschneiderter innovativer Lösungen und Einführung neuer Technologien. Unser Ziel ist es, mit unseren Kunden auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und starke Partnerschaften aufzubauen. Wir helfen Unternehmen dabei, radikal innovativ erfolgreich zu sein, wichtige Wettbewerbsvorteile zu sichern und echten Mehrwert zu generieren.
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