Wien Vorreiter bei Open Government Data

Geht es um das Thema Big Data, so kommt man kaum an Open Government Data vorbei. Seit 2011 publiziert die Stadt Wien kontinuierlich ihre Datenschätze und liefert damit die Basis für innovative Anwendungen. [...]

Wie wandelt sich der Big-Data-Hype weiter? Diese Frage stand im Mittelpunkt der zweiten Big-Data-Tagung von ADV, die am 22. September 2015 in Wien stattgefunden hat. Ziel der Veranstaltung war es, konkrete Anwendungsbeispiele aus verschiedenen Bereichen und die neuesten technologischen Entwicklungen aufzuzeigen. Rund 70 ADV-Mitglieder folgten den Vorträgen von Wissenschaft, Behörden und den mitwirkenden Anbieterunternehmen. Die mitlaufende Twitterwall mit dem Hashtag „#ADVBigData“ hat dabei gezeigt, dass das Thema – auch nach Erreichen der Hypespitze von Gartner – weiterhin genügend Diskussionsstoff bietet. Auch im kommenden Jahr wird ADV dem Thema daher eine eigene Fachtagung widmen, die am 20. September 2016 stattfinden soll.

Um die Erwartungen, die mit Big Data verbunden sind, erfüllen zu können, ist laut den Vortragenden der Big-Data-Tagung weitere Aufbauarbeit zu leisten: Einerseits braucht es moderne Datenmanagementsysteme, andererseits aber auch etablierte Datenaufbereitungsprozesse sowie die Festlegung von Datenformaten und -modellen.

Professor Marcus Hudec von der Universität Wien sprach – angelehnt an das Verlaufsstadium des Gartner Hype Cycles – vom Pfad der Erleuchtung, bei dem es nicht nur um Big Data geht, sondern vor allem auch um die digitale Revolution an sich. Diese digitale Revolution zeichnet sich durch verschiedenste Ausprägungen aus:
– Decision Making: digitale Geschäftsmodelle und -entscheidungen basierend auf Big Data & Advanced Analytics
– Connectivity: die Vernetzung mit Kunden, Lieferanten oder Kollegen
– Innovation von Produkten und Geschäftsmodellen
– Weitgehende Automatisierung von Prozessen

Das größte Datenwachstum stellt man bei den unstrukturierten Daten fest. Gerade deshalb zählen qualitative Aspekte: die Qualität der Daten, der analytischen Prozesse und der erzielten Ergebnisse sowie das Monitoring. Die wichtigste Grundlage ist dabei die Qualität der Daten, um Big-Data-Anwendungen qualitativ entwickeln zu können. Dieses Votum wurde bei er ADV-Tagung oft wiederholt.

AUSSAGEKRÄFTIG

Dass die Zeit reif für Big Data ist, führten auch weitere Referenten an. Die großen Datenmengen fallen heute durch die hohe Nutzung von sozialen Netzwerken und den Einsatz intelligenter Sensoren an. Zudem stehen nun entsprechend leistungsfähige Analysetools bereit. Die „künstliche Intelligenz“ ist soweit fortgeschritten, dass Ergebnisse auch eine relevante Aussagekraft haben. Diese Big-Data-Analysen werden heute vielfach in demselben ERP-System durchgeführt, in dem bestimmte Prozesse als Folge der Analyseergebnisse automatisiert gestartet werden.

Big-Data-Anwendungsfälle, besonders Beispiele aus den Bereich Healthcare oder der städtische Verwaltung, lassen auf eine wachsende Akzeptanz und den fortschreitenden Praxiseinsatz von Big Data schließen. Zum Beispiel nutzen aktuell über 23 Anwendungen die Echtzeitdaten der Wiener Linien.

„Big Data“ definiert jede Industrie anders – und dementsprechend wird das Thema auch von jeder Industrie anders bewertet. Die Definition kreist um die vielzitierten vier Vs: Volume, Velocity, Variety, Veracity. Ausschlaggebend ist also die Menge, Geschwindigkeit, Verschiedenartigkeit und Verlässlichkeit der Daten. Welche Ausprägungen und Auswirkungen diese vier Elemente auf die Entwicklung von Big Data haben, wurde im Rahmen der ADV-Tagung vielfach diskutiert. Doch die technischen Möglichkeiten und Entwicklungspotentiale machen erst dann Sinn, wenn sie mit dem wichtigen fünften V angereichert werden, das für „Value“ bzw. zu deutsch „Wert“ steht. Erst der bewusste, zielführende Einsatz von Big Data schafft die Sinnhaftigkeit.

OPEN GOVERNMENT DATA

Eine wichtige Rolle im Bereich Big Data spielen nicht zuletzt Open Government Data (OGD), also von der öffentlichen Hand zur freien Verwendung bereitgestellte Daten. Ulrike Huemer, CIO der Stadt Wien, sprach in ihrem Vortrag auf der Big-Data-Tagung von ADV von der Wichtigkeit, die Chancen von Big Data zu nutzen und dabei gleichzeitig die Risiken wahrzunehmen. Die Stadt Wien schafft mit dem Projekt „Open Government Data“ die Plattform für Transparenz, Vernetzung und Kooperation. Die hohe Verfügbarkeit dieser großen Datenmengen ist ein Attraktivitätsfaktor für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Wien.

In der digitalen Agenda der Stadt Wien wird das Schwerpunktthema „real-time open government data“ weiterentwickelt. Die Anwendungsbereiche dieser digitalen Agenda, die durch Bürger mitentwickelt wurde, umfassen Alltagserleichterungen im Bereich Mobilität wie zum Beispiel personalisierte, übergreifende Verkehrsaus­künfte oder auch „City-as-a-Service“-Auskünfte, die auf die individuellen Lebensbereiche zugeschnitten sind.

Die Stadt Wien öffnet seit Mai 2011 kontinuierlich ihre Datenschätze und publiziert sie im „Open Government Data“-Katalog unter www.data.wien.gv.at. Die Ende September abgeschlossene OGD-Phase 20 bringt neue Datensätze mit einem Energiedaten-Schwerpunkt der MA 20, der Magistratsabteilung für Energieplanung.

IKT-Stadträtin Sandra Frauenberger ist überzeugt von dem Erfolgsprojekt Open Data Wien: „Die Offenlegung und Bereitstellung von maschinenlesbaren Daten hat eine immense Innovationskraft. Kreative entwickeln aus den vorhandenen Datensätzen Anwendungen, die für die User einen enormen Mehrwert bieten. Das beweist eindeutig die Erfolgsgeschichte von Open Data Wien, durch die bereits an die 150 Anwendungen entwickelt wurden.“

Am 25. September 2015 wurden nun Energiebilanzen, Daten zur Energieerzeugung und die kartographische Darstellung unterschiedlicher Energiepotentiale in Wien in maschinenlesbarer Form publiziert. Es werden die Potentiale von Sonnenenergie, Windenergie und Geothermie im Wiener Stadtgebiet ausgewiesen. Weiters werden Energieerzeugungsanlagen und innovative Vorzeigeprojekte im Energiebereich, sowie statistische Übersichtsinformationen wie der Gesamtenergieverbrauch und die Anzahl an geförderten Photovoltaik und Solarthermieanlagen erstmals öffentlich zugänglich gemacht.

Ein aktuelles Beispiel für die Bedeutung von Open Government Data stellt die kürzlich durchgeführten Wahlen in Wien dar. Im OGD-Katalog der Stadt Wien werden Daten zu den Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen am 11. Oktober angeboten. Vor der Wahl sind dies die Wahlsprengel, nach der Wahl die Wahlergebnisse. Diese Daten werden nicht zuletzt von Medien für Apps und Visualisierungen genutzt.

DATENQUALITÄT

Mit der zunehmenden Bedeutung von Open Government Data wird auch die Qualität der bereitgestellten Daten immer wichtiger. Um diese zu gewährleisten, haben Forscher das Projekt ADEQUATe ins Leben gerufen, wobei ADEQUATe für „Analytics & Data Enrichment To Improve the Quality of Open Data“ steht. Das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG mit 500.000 Euro finanzierte und gerade erst gestartete Projekt soll Methoden zur Messung, Beobachtung und Verbesserung der Qualität in Open-Data-Portalen entwickeln. Als Koordinator des Projektes tritt die Semantic Web Company auf, als Forschungspartner fungieren die Donau-Uni Krems und die WU Wien. Unterstützt werden sie durch die Betreiber des österreichischen Open Data Portals, zu denen unter anderem Vertreter von heimischen Städten und Ländern sowie das Bundeskanzleramt zählen.

Das Konsortium hat eine Kombination aus daten- und Community-getriebener Vorgehensweise entwickelt – das Rahmenwerk soll laufend die Qualität von offenen Datenportalen erheben und zugleich möglichst automatisiert Algorithmen zur Verbesserung anwenden sowie Erfahrungen aus Online-Aktionen wie Crowdsourcing integrieren. Das Framework soll zusätzlich in die Datenportale data.gv.at und opendataportal.at integriert werden, um auch gleich die praktische Nutzbarkeit zu testen.

Um das Potential zu heben, müssen laut WU Wien zwei Themen vordringlich behandelt werden: Qualitätsprobleme von Daten und Metadaten sowie die fehlende Interoperabilität zwischen verschiedenen Datensätzen. Entscheidend ist, die Datenqualität bereits beim Einstellen von Daten zu berücksichtigen. Bisher wurden Qualitätsfragen bei Open Government Data nicht als vorrangiges Thema behandelt, doch mit der steigenden Bedeutung und Verwendung offener Daten steigt der Stellenwert der Datenqualität sprunghaft an. (oli)


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