»Nachhaltigkeit ist weit mehr als CO2-Einsparung und Energie-Effizienz«, meint Sonja Prodinger, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der WienIT. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Andreas Zotz erklärt sie im Gespräch mit IT WELT.at, welche ESG-Strategie ihr Unternehmen fährt und welche konkreten Schritte bereits gesetzt wurden. [...]
WienIT ist mit 650 Mitarbeiter:innen der zentrale IT- und Business-Partner der Wiener Stadtwerke Gruppe. Wie gehen Sie an das Thema Nachhaltigkeit in der IT heran?
Sonja Prodinger: Gleich vorweg nachhaltiges Wirtschaften bedeutet für uns mehr als das Einsparen von Emissionen und eine höhere Effizienz beim Energie-Einsatz. Deshalb haben wir in einem ersten Schritt neun Themenfelder identifiziert, in denen wir einen wesentlichen Impact in puncto Nachhaltigkeit leisten können. Diese umfassen u.a. natürlich das Thema Energie & Emissionen, aber auch den Einsatz von Ressourcen & Kreislaufwirtschaft, die Lieferkette und die Mitarbeiter:innen-Zufriedenheit sowie das Thema Diversität & Chancengleichheit. Unsere Mitarbeiter:innen kommen aus 25 verschiedenen Nationen, mehr als ein Drittel sind Frauen, im Top-Management haben wir einen Frauenanteil von fast 50 %. Dazu kommen zahlreiche Quereinsteiger:innen mit einem äußerst breit gefächerten beruflichen Background. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass das Thema Diversität bei uns eine besonders wichtige Rolle spielt.
Andreas Zotz: Basierend auf den identifizierten Handlungsfeldern haben wir 19 Ziele definiert, die anhand eines konkreten Planes in die Realität umgesetzt werden. Mittlerweile haben wir auf Basis dieses Planes mehr als 70 größere und kleinere Maßnahmen umgesetzt bzw. in Umsetzung.
Können Sie uns ein paar konkrete Maßnahmen nennen?
Andreas Zotz: Fangen wir bei etwas sehr Naheliegendem an. 2023 wurde unser Rechenzentrum mit einer PV-Anlage ausgestattet. Gemeinsam mit der Wien Energie wurden an Dach & Fassade 147 PV-Module angebracht. Seither erzeugen wir damit einen Teil des Strombedarfes für Betrieb und Kühlung der IT-Infrastruktur selbst. Der größere Teil muss zwar weiterhin zugekauft werden, aber auch hier haben wir durch die Umstellung unseres Stromtarifes einen großen Hebel umgelegt. Vorher hatten wir einen konventionellen Energiemix mit einem erneuerbaren Anteil von 67 %, jetzt beziehen wir 100 % emissionsfreien Strom aus österreichischer Wasserkraft. Das kostet zwar etwas mehr, aber für die Reduktion unserer CO2-Emissionen war das ein Riesenschritt.
Gibt es in hinsichtlich Energieeinsparungen weitere Überlegungen oder Projekte?
Andreas Zotz: Ja, aktuell läuft ein spannendes Forschungsprojekt mit der TU Wien, bei dem es darum geht, durch Datenanalyse eine Optimierung des Energieverbrauchs abzuleiten. Wir monitoren schon heute den Energieverbrauch, zum Beispiel für die Kühlung in unseren beiden Rechenzentren. Gleichzeitig monitoren wir auch, welche IT-Jobs wann auf welchen Servern laufen und wie viel Energie diese brauchen. Die Daten aus diesen unterschiedlichen Monitoring-Systemen wollen wir zusammenführen, um weitere Einsparungspotenziale zu identifizieren. 78% unseres Stromverbrauches lassen sich dem Bereich Kühlung und Betrieb der IT-Infrastruktur zuordnen. Wenn wir durch das Projekt herausfinden, wo möglicherweise Energie ineffizient eingesetzt wird, haben wir einen guten Hebel. Die relevanten Daten sind ja da, wir müssen nur mehr Wissen über Energietreiber & Wechselwirkungen zwischen dem Betrieb der IT-Komponenten und der Rechenzentrums-Infrastruktur generieren.
Wie könnte eine solche Einsparung aussehen?
Andreas Zotz: Vereinfacht dargestellt geht es darum, die IT-Lasten in den Systemen gleichmäßig zu verteilen, damit nicht alle Jobs gleichzeitig laufen und dadurch hohe Spitzen beim Energieverbrauch und Kühlbedarf entstehen. Die TU Wien hat in ihren Laborforschungen herausgefunden, dass durch ein datengetriebenes Job-Management deutliche Energieeinsparungen zu erreichen sind. Wir verproben das nun erstmals gemeinsam in einer „echten“ Umgebung.
Gibt es auch Beispiele von Maßnahmen in anderen Bereichen?
Sonja Prodinger: Ja, zum Beispiel bei der Wiederverwendung unserer Hardware. Hier setzen wir ganz stark auf Kreislaufwirtschaft. Seit 2022 haben wir mit einem Refurbish-Unternehmen einen konzernweiten Rahmenvertrag zur Wiederverwendung von ausgemusterten Firmenlaptops, PCs, Smartphones, Monitoren und weiterer Hardware. Werden Geräte bei uns oder einem anderen Unternehmen der Stadtwerke-Gruppe ausgesondert, so kümmert sich der Partner um die Abholung. Noch gebrauchsfähige Teile der IT-Hardware werden über einen Webshop zum Verkauf angeboten. 2023 wurden 1.300 gebrauchte Geräte und Monitore an den Partner übergeben. 50 % davon wurden als Refurbished-Ware wiederverkauft. Der Rest wurde im Sinne der Kreislaufwirtschaft fachgerecht entsorgt und stofflich wiederverwertet. Was die Lieferanten betrifft, haben wir gerade einen ESG-Kriterienkatalog erarbeitet, der künftig eingesetzt wird, um die Einhaltung von bestimmten ESG-Kriterien auch bei den Lieferanten einzufordern.
ESG umfasst auch den Bereich Social Responsibility, also soziale Verantwortung. Welche Maßnahmen setzt die WienIT in diesem Zusammenhang?
Sonja Prodinger: Das Thema Diversity und Chancengleichheit habe ich schon angeschnitten. Eine immens wichtige Rolle spielt auch das Thema Inklusion. Dabei geht es u.a. um die Barrierefreiheit in der IT. Um die Umsetzung dieser Barrierefreiheit voranzutreiben und alle Teams im Unternehmen zu sensibilisieren, gibt es eine eigene Beauftragte im Unternehmen, die sich dem Thema widmet. Eine ihrer zentralen Aussagen zeigt am besten, wie wir in diesem Punkt ticken. Sie meint: „Das Thema Barrierefreiheit muss in allen Service-Teams von Anfang mitgedacht werden.“ Wir versuchen, das in allen Bereichen umzusetzen. Das betrifft nicht nur die Umsetzung von barrierefreien Seiten, sondern auch die Contentpflege, bei der eine einfache Sprache wichtig ist. Unsere Single-Sign-On Lösung log.wien, die alle Kundenkonten der Wiener Stadtwerke-Gruppe vereint, wurde 2023 mit dem WACA-Zertifikat für Barrierefreiheit im Web in der Stufe Silber ausgezeichnet. Laut WACA-Statement wurde log.wien nicht nur sehr gut barrierefrei umgesetzt, sondern erleichtert auch den Zugang zu den Services der öffentlichen Verkehrsmittel, der Energieanbieter und Friedhöfe in Wien, da sie mit nur einem Login nutzbar sind.
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