„Wir befinden uns in einer digitalen Revolution“

Die Begriffe Cloud Computing, BYOD oder Social Media bringen nicht nur heimische CIO oder IT-Leiter ins Schwitzen. Den Kopf in den Sand zu stecken und auf ein Ende dieser Trends zu warten, ist laut Daniel Baur von Accenture allerdings keine sinnvolle Option. [...]

IT ist heutzutage aus keiner Branche und keinem Unternehmen wegzudenken. Doch immer neue Produkte oder Entwicklungen wie Cloud, Big Data oder Social Media stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Die COMPUTERWELT hat mit Daniel Baur, Managing Director und Technologieexperte von Accenture Österreich, über notwendige Veränderungen und hilfreiche Strategien gesprochen.

Computerwelt: Wie soll die Rolle des CIO in einem modernen Unternehmen aussehen?
Daniel Baur:
Jedenfalls ganz anders als sie sich heute darstellt. Ich möchte aber etwas ausholen und beim Umfeld der CIO beginnen. Man muss einfach verstehen, dass wir uns momentan in einer Phase der ­digitalen Revolution befinden – mit weitreichenden Auswirkungen auf alle Bereiche in einem Unternehmen. Seit der Aufzeichnung der digitalen Daten bis 2003 wurden fünf Hexabyte gespeichert, der gleiche Umfang wurde 2011 in 48 Stunden erstellt, in 2020 wird es Schätzungen zufolge in zehn Minuten passieren. Heuer sollen etwa 80 Milliarden Apps geladen werden, 2016 werden es schon viermal mehr sein. Dieses Business gab es vor Kurzen noch gar nicht. Jedes vierte Foto, das heute gemacht wird, landet schon auf Facebook. In den USA haben 50 Prozent der Fünfjährigen schon ein Smartphone. Es ist durchaus berechtigt wenn man sagt, dass momentan kein Stein auf dem anderen bleibt, das meine ich mit digitaler Revolution.

Kommt diese Entwicklung von unten also vom Individuum?
Nicht nur, aber sicherlich so stark wie noch nie. Hier sind die Unternehmen ­gefordert, mitzuziehen, genauso aber Behörden und Regulatoren. Es stellt sich natürlich die Frage, was man mit so viel neuer Technologie anstellt. Es ist Fakt, das Dinge wie Cloud, Big Data oder Social Networks Realität sind, und auch nicht wieder verschwinden werden. Diese Themen werden uns sicher in fünf bis zehn Jahren auch noch beschäftigen, aber es ist die Frage, was die Firmen tatsächlich damit tun. Ich gehe davon aus, dass diese Bergriffe eher in den Hintergrund geraten werden und es mehr um die realen Anwendungsbereiche gehen wird und was es den Unternehmen unter dem Strich nutzt. Damit meine ich etwa eine Art Massenpersonalisierung, Unternehmen haben durch diese neuen Produkte ganz neue Möglichkeiten, mit den Kunden zu kommunizieren oder in Interaktion zu treten.

Zurück zum CIO: Was bedeutet das für die Unternehmen?
Unternehmen, oder zumindest jene, die in der oberen Liga mitspielen wollen, müssen sich diesen Themen stellen, und das können sie meines Erachtens in zwei Richtungen tun. Sie können zum einen eine umfassende digitale Strategie entwickeln, und zwar hinsichtlich der Fragen: ‚Was bedeutet das für meine Konsumenten, meine Mitarbeiter, meine Wertschöpfungskette?‘ Die zweite Möglichkeit ist aus meiner Sicht noch wichtiger: Unternehmen müssen sich so aufstellen, dass sie mit diesen kontinuierlichen Veränderungen auch umgehen können. Unternehmen, die die kontinuierliche Transformation beherrschen, sind die Gewinner von heute und morgen. Sie sind in der Lage, schnell, flexibel und agil Strukturen aufzubauen, die einen maximalen Spielraum zur Steuerung des Unternehmens eröffnen.

Wie sollte das im Unternehmen konkret aussehen?
Zuallererst müssen Geschäftsführer, aber auch CIO akzeptieren, das ständige Veränderung der neue Normalzustand ist. Jeder, der hofft, dass das an ihm oder ihr vorbeigeht, ist nicht gut beraten. Es wird dazu führen, dass Business und IT noch näher zusammenrücken werden. Der CIO hatte immer die Rolle des Verwalters inne, das hat sich drastisch verändert. Jede sinnvolle Verwendung der vorhin angesprochenen Technologien und Lösungen benötigt einen intensiven Dialog zwischen Geschäftsführung und IT. Der CIO muss daher auch aufgewertet werden und im Vorstand gleichberechtigt mit allen anderen C-Members (CEO, CFO, etc.; Anm.) behandelt werden und entscheidendes Mitspracherecht bekommen. Ich glaube aber auch, dass alles gefördert werden muss, was die bereichsübergreifende Kollaboration und Kommunikation betrifft. Wenn es darum geht, wie neue Technologien in den Geschäftsalltag integriert werden sollen, braucht es Menschen, die die Branche und das Umfeld sehr gut kennen und Schulter an Schulter an der Verwendung der neuen Lösungen für das Business arbeiten. Dafür müssen die Unternehmen auch sehr viel agiler werden. Viele der momentan großen Trends oder namhaften Unternehmen haben als sehr kleine Projekte begonnen, da braucht es einfach Agilität, um die Innovation zu fördern.

Braucht es eine neue Generation an Geschäftsführern oder CIO, um diesen Weg zu beschreiten?
Das wäre eine Möglichkeit, aber ich denke nicht, dass es notwendig ist oder so schnell gehen wird. Das Profil der handelnden Personen und Teams muss sich verändern. Auch die gestandenen Manager, die viele Jahre in der Branche sind, müssen sich da verändern und tun das zum Teil auch schon. Es ist vielleicht nicht in ihrer DNA, aber sie ändern ihre Einstellung und lassen neue Themen zu oder setzen sich mit den CIO zusammen und diskutieren mit ihnen. Da gibt es gegenwärtig ein sehr starkes Momentum. Die Entwicklung könnte natürlich schneller gehen, aber viele Strukturen sind jahre-, oder jahrzehntelang gewachsen und müssen erst aufgebrochen werden.

Jungen Mitarbeitern ist heutzutage ein Smartphone wichtiger als ein Dienstwagen. Müssen Unternehmen, auch aufgrund des Fachkräftemangels, für Mitarbeiter attraktiver werden?
Das denke ich auf jeden Fall! Der CIO selbst muss sicherstellen, dass er oder sie richtig positioniert ist und um sich herum ein Team aufbauen, das mit all diesen Dingen umgehen kann. Das wird der CIO allein nicht mehr bewältigen können, egal ob alte oder neue Generation. Daher geht es auch immer mehr um die Führungsstärke des CIO.

Hängt das auch stark von der Größe eines Unternehmens ab?
In unserer aktuellen Studie Technology Vision 2013 haben wir sieben IT-Trends identifiziert, die Unternehmen jeglicher Größe nutzen sollten. Wir denken, dass in Zukunft nur jene Unternehmen erfolgreich sein werden, die digital denken und auf zukunftsträchtige Technologien setzen, um neue Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder zu erschließen. Das trifft auf Kleinere wie auch auf Größere zu.

Das Gespräch führte Alex Wolschann.

Daniel Baur:
Der gebürtige Schweizer Daniel Baur startete seine Karriere 1997 bei Accenture in Zürich, wechselte 2005 nach Wien und wurde 2007 Managing Director. Aktuell verantwortet er den gesamten Bereich Technology bei Accenture Österreich. In den vergangenen Jahren war Daniel Baur für zahlreiche große Beratungs- und Implementierungsprojekte bei großen Finanzdienstleistungsunternehmen verantwortlich. Seine Expertise liegt auf umfassenden Transformationsprozessen, Post-Merger-Integrationen und der Implementierung von Kernbankensystemen.


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