„Wir entwickeln uns zum Public Cloud Provider“

Patrick Gelsinger war mehr als 30 Jahre als Techniker und zuletzt als CTO für Intel tätig, bevor er zu EMC und schließlich vor genau einem Jahr zu VMware gewechselt ist. Neben einer neuen Unternehmenskultur muss er sich auch an neuen Mitbewerb gewöhnen. [...]

Seit einem Jahr ist Pat Gelsinger CEO von VMware. Im Interview verrät er, wie er das Unternehmen vom Software-Entwickler zum Service-Provider weiterentwickeln will.

Was hat sich seit Ihrem Amtsantritt bei VMware im September 2012 verändert?
Patrick Gelsinger:
Ich nenne es gerne das nächste Kapitel in der Geschichte von VMware. Lange Zeit hatte sich das Unternehmen ja fast ausschließlich auf das Thema Server-Virtualisierung konzentriert. Jetzt haben wir das Spektrum deutlich verbreitert: Wir wollen das Data Center virtualisieren. Wir wollen IT-Ressourcen sowohl in der Private als auch in der Public Cloud verfügbar machen. Und wir entwickeln uns zum Service Provider. Es geht künftig nicht mehr nur darum, Software zu entwickeln, sondern auch darum, Software bzw. die dazugehörige Infrastruktur zu betreiben. Das ist eine neue Kultur.

In Ihrem Kerngeschäft Server-Virtualisierung hat sich Microsoft mit seinem kostenlosen Hypervisor Hyper-V zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten entwickelt. Wie reagieren Sie darauf?
Wir konkurrieren mit Microsoft in diesem Markt ja schon seit sieben bis acht Jahren. Microsoft hat sein Produkt langsam verbessert, das registrieren wir. Hyper-V ist im Lowend des Marktes mit anfangs sehr überschaubarem Erfolg gestartet. Wir haben auch eine umfassende Virtualisierungslösung für KMU für 84 Dollar; und unseren Hypervisor erhalten unsere Kunden schon lange kostenfrei. Geld kann man mit solchen Produkten nicht verdienen. Wenn es um größere Deals geht, kann ich mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal einen Auftrag an Microsoft verloren haben. Die Kunden haben viel Geld in unsere Produkte investiert und es wäre sehr teuer für sie, noch eine andere Lösung zu implementieren. Und unsere Produkte funktionieren einfach.

VMware-Produkte gelten im Markt auch als teuer und komplex.
Zur Kostenfrage kann ich nur sagen: Es hat in den letzten zehn Jahren keine Technologie im Data Center gegeben, die so effizient und kosteneffektiv war wie VMware. Insofern kann man durchaus argumentieren: Es sind wahrscheinlich unterm Strich sogar die billigsten Produkte, die Unternehmen bis dato installiert haben.

Der blanke Hypervisor entwickelt sich zu einem Commodity-Produkt. VMwares Strategie ist es, ein Ökosystem an Software um sein Kernprodukt herum aufzubauen. Ist dieser Weg erfolgreich?
Die Strategie ist durchaus erfolgreich. Vergangenes Jahr haben wir beispielsweise unsere vCloud Suite auf den Markt gebracht. Diese Produktsammlung übertrifft unsere Wachstumserwartungen. Kunden, die die Suite kaufen, lassen dreimal so viel Umsatz bei uns als wenn Sie nur unser Hypervisor-Produkt gekauft hätten. In einer aktuellen IDC-Erhebung erscheint VMware nicht nur als größter sondern auch als am schnellsten wachsender Anbieter von Management-Software für die Cloud. Auf der Liste stehen eine Menge anderer Unternehmen, darunter Citrix, IBM, BMC, Dell und so weiter.

VMware versucht, eine System-­Management-Schicht für Unternehmen bereitzustellen. Damit konkurrieren Sie mit den großen System-Management-Anbietern wie IBM, HP, BMC und CA. Wie differenzieren Sie sich?
Unsere Strategie unterscheidet sich von diesen Anbietern. Wir haben beispielsweise kein CMDB-Tool (Configuration Management Database). Für die klassischen System-Management-Anbieter ist das ein Must-have. Wir konzentrieren uns auf Cloud Operations, Cloud Provisioning, auf Dinge wie Self Service Portale. Hier spielt unser Zukauf von DynamicOps eine wichtige Rolle. DynamicOps managt nicht nur Workloads in der Cloud sondern, auch solche, die in älteren, nicht virtualisierten Infrastrukturen laufen.

Der nächste große Wurf in der Virtualisierungs-Szene scheint das Software Defined Data Center zu werden. Was steckt dahinter und wie können Unternehmen davon profitieren?
Im Grunde geht es um dieselbe Idee wie bei der Server-Virtualisierung. Ziel ist es, eine virtuelle Schicht für alle Rechenzentrumskomponenten, also Server, Storage, Networking, Security und Rechenleistung im Data Center einzuziehen. Warum brauchen Unternehmen so etwas? Aus den gleichen Gründen, die auch für die extrem erfolgreiche Server-Virtualisierung sprechen: Kostenvorteile, einfachere Bereitstellung von IT-Ressourcen und deutlich weniger Verwaltungsaufwand. Wir glauben fest daran, dass dies auch für die anderen Segmente im Rechenzentrum gelten wird. Beispielsweise werden sich künftig Netzwerk-Services ebenso rasch auf Knopfdruck bereitstellen lassen wie heute eine virtuelle Maschine. Dazu integrieren wir unsere eigenen Produkte mit den Netzwerk-Virtualisierungstechniken der zugekauften Firma Nicira. Das Konzept des Software-Defined Data Center führt zur Realisierung von IT as a Service.

Wie realistisch sind solche Visionen für Ihre Kunden heute?
Wir befinden uns in einem frühen Stadium. Aber wir haben erste Kunden, die sowohl VMware- als auch Nicira-Technik nutzen. Zu den großen Nicira-Anwendern gehören beispielsweise Rackspace, eBay oder auch Intel, aber auch Service-Provider wie AT&T.

Eine neue VMware-Initiative trägt den Namen „vCloud Hybrid Service“. Dahinter verbirgt sich ein IaaS-Angebot. VMware betritt damit den Markt für Public Cloud Services und konkurriert direkt mit Cloud-Schwergewichten wie Amazon, Google, Microsoft oder Rackspace. Ist das das Ziel?
Ja. Wir entwickeln uns zum Public Cloud Provider.

Was sagen Ihre Partner dazu?
Zunächst einmal: Stellen Sie sich vor, Sie betreiben eine virtuelle Maschine mit VMware-Software in Ihrem eigenen Data Center. Sie können diese heute ganz einfach auf ein anderes Stück Hardware verschieben. Die virtuelle Maschine (VM) bekommt von dem Umzug nichts mit. Die Software, die in der VM läuft, bleibt dieselbe, gleiches gilt für die Netzwerkkonfiguration und das Management. Mit vCloud Hybrid Service wollen wir diese Fähigkeit auch anbieten, um die VM auf einen Server in einem Public Cloud Data Center zu schieben. Mit anderen Worten: Die VM kann keinen Unterschied erkennen, ob sie in Ihrem eigenen oder einem externen Rechenzentrum einer Public Cloud arbeitet. Denn es spielt de facto keine Rolle mehr. Das ist der Mehrwert, den wir Kunden mit diesem Service anbieten. (idg/wh/aw)

Patrick Gelsinger
Patrick Gelsinger ist seit gut einem Jahr CEO von VMware. Vor seiner Tätigkeit bei VMware war er President und CEO bei EMC. Gelsinger begann seine Karriere bei Intel, wo er als Qualitäts-und Assurance-Techniker an einer Vielzahl von Mikroprozessor-und Chipsatz-Komponenten arbeitete. Später bekleidete er die Positionen des Direktors des Platform Architecture Group und leistete einen wesentlichen Beitrag im i386 und i286 Chip-Design-Team. Im Alter von 32 machte ihn Intel zum jüngsten Vizepräsidenten in der Geschichte des Unternehmens.


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