»Wir hinken bei Bildung hinterher«

UBIT Niederösterreich gehört mit rund 11.000 Mitgliedern zu den größten Branchenvertretern in Österreich. Die COMPUTERWELT hat mit Obmann Günter Schwarz über die Attraktivität des Standortes und den digitalen Reifegrad der ansässigen Unternehmen gesprochen. [...]

Günter Schwarz ist Obmann der Fachgruppe UBIT der WKNÖ. (c) WKNÖ
Günter Schwarz ist Obmann der Fachgruppe UBIT der WKNÖ. (c) WKNÖ

Wie beurteilen Sie den digitalen Reifegrad der niederösterreichischen Unternehmen?

Analysiert man die Ergebnisse der Studie, die auf Initiative des Fachverbandes UBIT die Digitale Reife von KMU 2017 untersucht hat, dann zeigt sich, dass sich ein Großteil der befragten KMU in Niederösterreich über alle Branchen hinweg im Bereich ‚Digitaler Neuling‘ oder ‚Digital bewusst’ befindet. Sie haben noch einen weiten Weg vor sich, um tatsächlich von der Digitalisierung zu profitieren. Vor allem in den Sparten Gewerbe und Handwerk gibt es Aufholbedarf. Dabei zeigt das Feedback auf Informationsveranstaltungen, dass die Vorstellung, die Führungskräfte von Digitalisierung haben, meist bei Automatisierung und Optimierung bestehender Unternehmensprozesse mit Mitteln der IKT endet. Erfreulich ist, dass langsam die Skepsis und die Sorgen vor den drohenden Umwälzungen dem Gestaltungswillen weichen. Doch bei der Kreation neuer Geschäftsmodelle, wo für unsere lokalen Klein- und Mittelbetriebe (KMU) tatsächlich viel Potential schlummert, ist der Bedarf an externer Expertise und Unterstützung groß. Die Studie zeigt, dass sich knapp die Hälfte der niederösterreichischen KMU verstärkte Beratung bei der Umsetzung der Digitalisierung wünschen. 45 Prozent wollen zudem leistungsstarke Internetverbindungen.

Inwieweit sind Trend-Themen wie IoT oder Künstliche Intelligenz in Niederösterreich angekommen?

Die Projekte, die in den letzten Jahren für den Constantinus Award, Österreichs großem IT– und Beratungspreis, eingereicht wurden, zeigen, dass Niederösterreichs ITUnternehmen an spannenden Projekten, vielfach in Kooperation mit internationalen Partnerunternehmen beteiligt sind. Auch unsere Marktsondierungsreisen, bei denen wir Mitgliedern die Möglichkeit bieten, in straff organisierter Form Einblicke in spannende Märkte weltweit zu erhalten, stoßen vor allem dort auf große Resonanz, wo sich verschiedene ITExperten aus Niederösterreich Kooperationsmöglichkeiten zu internationalen Technologieführern im Bereich Internet der Dinge erwarten. So nutzte so mancher die UBIT-Reise nach Taiwan und Südkorea im Sommer letzten Jahres, um Kontakt zu Herstellern und Anbietern von Modulen im Bereich IoT aufzubauen. Aus Kooperationen niederösterreichischer IT-Spezialisten mit solchen Technologieanbietern und mit Österreichs hochentwickelter Branche der Werkzeug- und Maschinenhersteller entstehen beispielsweise großartige Industrieanwendungen. Auch der Bereich E-Health profitiert in Österreich von IoT.

Welche Wünsche haben Sie an die neu Bundesregierung?

Digitalisierung taugt nicht als Feigenblatt für Reformstau. Es ist nicht genug, mal hier eine Fördermillion einzusetzen oder sich auf Österreichs Führungsrolle im Bereich E-Government auszuruhen. Vielmehr geht es um die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen. Der Breitbandausbau ist ein Anfang, aber bei weitem nicht genug. Digitalisierung betrifft alle Bereiche: den Arbeitsmarkt, wo flexiblere und den neuen Arbeitsverhältnissen angepasste Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Der Bildungsbereich muss rasch reagieren. Vor allem aber macht es wenig Sinn, nur vor bevorstehenden Umwälzungen zu warnen. Statt dessen erwarte ich von der neuen Regierung, dass sie einen Rahmen schafft und Mut macht, damit wir die Chancen, die sich für den Wirtschaftsstandort Österreich ergeben, proaktiv nützen.

Welche Früchte trägt die Qualitätsakademie Incite und wie wird sie von den Mitgliedern angenommen?

Die Angebote, die wir seitens der Fachgruppe UBIT der WKNÖ in diesem Jahr angestoßen und gemeinsam mit der incite entwickelt und umgesetzt haben, zeigen wie selten zuvor, wie wichtig es für unsere wissensbasierte Branche ist, spezifisches Knowhow über eine eigene Institution anzubieten. Hätten wir darauf gewartet, dass unsere Mitglieder auf dem freien Markt Qualifizierungsmöglichkeiten im Bereich Datenschutz erhalten, wären nicht heute schon mehrere Dutzend Spezialisten am Markt tätig, die Österreichs Betriebe auf dem Weg zur Erfüllung der Anforderungen der EU-DSGVO begleiten. In Zusammenarbeit mit incite stellen wir nicht nur den Wissensvorsprung der Beratungsbranche sicher, sondern sorgen durch Qualifizierungsnachweise und Zertifikate für Transparenz am Markt. Dass wir die Zertifizierungen und die Mitgliedsbetriebe, die diese Zertifizierungen vorweisen können, nun auch im Rahmen unserer marktorientierten Werbekampagne vermarkten, gibt weiteren Auftrieb.

Die UBIT Niederösterreich gehört mit rund 11.000 Mitgliedern zu den größten Branchenvertretern in Österreich. Rechnen Sie heuer mit einem starken Anstieg der Mitgliederzahl bzw. wie ist es generell um die Neugründungen in Niederösterreich bestellt, auch hinsichtlich des wichtigen Themas Förderungen?

Der Trend der letzten Jahre deutet – nach einigen Jahren massiven Anstiegs – eher auf ein moderates Mitgliederwachstum beziehungsweise auf eine Konsolidierung hin. Die Förderungen zielen daher eher darauf ab, Mitgliedsbetriebe beim Wachstum zu unterstützen, was bei wissensbasierten Dienstleistungen immer mit Qualifizierung und neuen Mitarbeitern verbunden ist. Unsere Anstrengungen hinsichtlich der Positionierung der Leistungen unserer Mitglieder am Markt soll vor allem jenen Wachstumschancen eröffnen, die ihr Leistungs– und Kundenportfolio erweitern wollen.

Wie zufrieden sind Sie mit der IT-Ausbildungssituation in Niederösterreich, Stichwort Fachkräftemangel?

Wir hinken im Bildungsbereich noch immer hinterher und die zaghaften Ansätze der Regierung, Digitalisierung an die Schulen zu bringen, sind zu wenig. Aber zumindest im Bereich der IT-Fachkräfte sind wir in Niederösterreich in der privilegierten Situation, mit Krems, Wiener Neustadt und St. Pölten sehr praxisnahe Fachhochschulen und Unis zu beheimaten, die statt Massenausbildung hochspezifische und laufend an die Markterfordernisse angepasste Ausbildungswege bieten. Zudem tragen die Maßnahmen zur Förderung der Lehrlingsausbildung im Bereich IT nun erste Früchte.

Welche initiativen wird es im Jahr 2018 von der UBIT Niederösterreich geben?

Aktuell arbeiten wir daran, im Rahmen einer Informationskampagne das Thema Digitalisierung für Betriebe greifbarer zu machen. Wir setzen dabei auf unsere Werbekampagne auf und konnten weitere Bundesländer für eine Zusammenarbeit gewinnen. Ziel ist es, Unternehmen, die sich unter dem Schlagwort Digitalisierung wenig vorstellen können, ein klares Bild zu geben, wohin die Methoden der Digitalisierung ihren Betrieb führen können und sie zu inspirieren. Wir wollen damit die Lücke zwischen der Initiative KMU-Digital und der teils noch fehlenden Vision der Führungskräfte hinsichtlich des Nutzens digitaler Geschäftsideen schließen.

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