„Wir können von Europa lernen“

Huawei will nicht nur im globalen Consumer-Markt ganz vorne mitmischen, sondern forciert auch seinen Enterprise-Bereich. Mit einer massiven Strategie für Forschung und Entwicklung will man dabei näher an die Kunden heran als andere Hersteller. [...]

Der chinesische Telekommunikationsspezialist Huawei mischt seit einigen Jahren den weltweiten Telekommunikationsmarkt auf und kann nach wie vor starke Wachstumsraten vorweisen. 2012 erwirtschaftete das Unternehmen einen weltweiten Umsatz von 35,4 Milliarden Dollar (rund 25,6 Mrd. Euro). Ursprünglich als Lieferant für Netzwerkinfrastruktur bekannt, dringt der Konzern mit eigenen Smartphones und Tablets auch immer mehr in das Consumer-Segment vor. Auch der Bereich Enterprise Solutions konnte sich mittlerweile im Markt festsetzen. In den nächsten fünf Jahren soll die Enterprise Business Group von fünf auf 15 Prozent des Gesamtumsatzes wachsen. Die COMPUTERWELT traf den Chief Technology Officer der Sparte Enterprise Solutions von Huawei, Wing Kin Leung, auf einem seiner kurzen Zwischenstops in Wien zum Interview.

Computerwelt: Wie ist Huawei im Bereich Enterprise Solutions weltweit aufgstellt?
Wing Kin Leung:
Was den Umsatz betrifft ist immer noch China in diesem Segment der größte Markt, auf dem wir tätig sind. Aber für Huawei insgesamt ist die EMEA-Region bereits einer der größten Märkte überhaupt. Letztes Jahr konnten wir ­bereits 35 Prozent des Gesamtumsatzes in dieser Region erwirtschaften. Das ist ein Meilenstein der Unternehmensgeschichte der letzten zehn Jahre. Im Enterprise-Segment sind wir hier aber noch immer ein relativ kleines Unternehmen. Aber das Wachstum ist sehr vielversprechend. Im ersten Halbjahr 2013 konnten wir eine Umsatzsteigerung von hundert Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen und wir sehen keinen Grund, warum sich das schnell ändern sollte.

Warum kann Huawei im Enterprise-Markt so schnell wachsen?
Wir verfolgen in diesem Segment einen anderen Weg als im Carrier-Business. Das liegt daran, dass sich Huawei in den letzten zehn Jahren stark verändert hat. Wir sind jetzt ein kompletteres, reiferes Unternehmen. Wir fokussieren uns nicht nur auf die Umsatzzahlen, sondern auch auf den Wert der Infrastruktur. Und wir bieten das komplette Portfolio im Bereich Infrastruktur für den Businesskunden an. Der Bereich Enterprise Solutions ist in drei Business Units aufgeteilt. Enterprise Networking, also alles, was mit Connectivity zu tun hat,  traditionelle Infrastruktur mit Themen wie Server, Storage oder Rechenzentren und Unified Communications und Collaboration (UCC), die alles im Bereich Kommunikation, Videokonferenzen, Videoüberwachung und Konvergenz umfasst. Also wir bieten die drei Ebenen Technologie, Übertragung und Kommunikation an. Davon ist der Bereich Networking mit weltweit 30 Prozent des Enterprise-Umsatzes der größte, vor dem IT-Bereich und UCC.

Welche Bedeutung hat der Bereich Enterprise Solutions?
Huawei war immer ein Unternehmen mit dem Hauptfokus auf den Carrier-Markt und in diesem Markt sind wir schon seit längerer Zeit eines der beiden Topunternehmen (neben Ericsson, Anm.). Vor zweieinhalb Jahren wurden die globalen Ziele neu definiert und auch andere Bereiche des Unternehmens gestärkt.

Wann glauben sie wird Huawei Ericsson überholen können?
Das kommt darauf an, von welcher Perspektive man es betrachtet. Beim Gesamtumsatz werden wir dieses Jahr die Nummer eins sein. Wir sind vielseitiger als Ericsson – ich war lange bei Ericsson und kenne das Unternehmen. Wir haben drei Businessbereiche, Ericsson fokussiert sich nur auf den Carrier-Markt und in manchen Bereichen, wie zum Beispiel im Wireless-Bereich, sind sie größer als Huawei. Sie sind ein traditioneller Wireless-Hersteller für 2G, 3G und 4G-Technologien. Aber im Bereich 4G sind auch wir stark.

Wie adressiert Huawei den Markt in Europa?
Das hängt von der Lösung und dem technologischen Fortschritt in den jeweiligen Ländern ab. Unterschiedliche Länder ­haben unterschiedliche Prioritäten. Der italienische Markt ist anders als der in Großbritannien. Für uns ist beispielsweise China ein einziger Markt und Europa setzt sich aus verschiedenen Märkten zusammen. Aber wir können beobachten, dass die einzelnen Länder voneinander lernen und die Märkte ausgeglichener werden. Da wir das komplette Portfolio anbieten, können wir uns aber auf den verschiedenen Märkten positionieren. Ein Unterschied zu anderen Märkten ist auch, dass Kunden in Europa großen Wert auf hohe Qualität ­legen. Vor allem im Regierungs- und Bankenbereich gibt es hohe Anforderungen. Aber daraus können wir viel lernen und wir sind sehr optimistisch. Wenn Kunden zufrieden sind, dann kann man Erfolge wiederholen. Wir lernen viel von den Kunden und können Feedback an unsere F&E-Abteilungen geben.

Welchen Status hat F&E bei Huawei?
Ich glaube, dass einer der Hauptgründe, dass sich Kunden für uns entscheiden ist, dass wir eine starke F&E-Strategie haben. Wir beschäftigen insgesamt 150.000 Mitarbeiter und 70.000 davon sind im F&E-Bereich tätig. Die Strategie von Huawei ist es, dass immer rund 40 bis 50 Prozent der Mitarbeiter in diesem Bereich tätig sind und wir investieren über 13 Prozent des Gesamtumsatzes in F&E. Das ist auch der Grund, warum wir so schnell am Markt reüssieren konnten. Wir können innovativer sein und uns schneller auf die Kundenanforderungen einstellen. Auf Kundenfeedback legen wir einen sehr hohen Wert und wir adaptieren unsere Lösungen auch danach. Weltweit betreiben wir 16 F&E-Zentren und haben 28 „Joint Innovation Centers“ mit führenden Providern.

Huawei ist weltweit tätig, doch gerade der US-amerikanische Markt ist schwierig. Das Unternehmen wird dort immer wieder der Spionage bezichtigt.
Der US-amerikanische Markt ist sehr speziell für Huawei. Der Bericht des US-Kongresses hat uns einige Schwierigkeiten gebracht. Aber der Markt ist nach wie vor sehr wichtig für uns, wir werden nicht aufgeben. Aber man muss zwischen Entwicklung und Business trennen. In der Vergangenheit haben wir uns dort sehr im Banken- und Regierungsbereich engagiert. Nun haben wir unsere Strategie geändert. Wir haben in den Vereinigten Staaten auch ein F&E-Zentrum und setzen den Fokus jetzt verstärkt auf den Bildungsbereich und den Handel, also Bereiche, wo die Regierung weniger Einfluss hat. Aber die Hauptmärkte sind China und Europa.

Das Gespräch führte Christof Baumgartner.

Wing Kin Leung:
Wing Kin Leung ist seit September 2011 bei Huawei und verfügt über 27 Jahre Erfahrung in den Bereichen Internet, Telekommunikation und Computer Technologies. Vor seinem Eintritt bei Huawei arbeitete er als Chief Technology Officer von Cisco China, wo er für System Engineering Management and Product Management mit über einer Milliarde Dollar Jahresumsatz verantwortlich war. Zuvor hatte Wing Kin Leung Führungspositionen bei den internationalen Unternehmen Ericsson, 3Com, Digital Equipment Corporation und Philip Data Systems inne.


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