Die UBIT Wien arbeitet eng mit Bildungsrichtungen zusammen. Eine davon ist das TGM in Wien. Die COMPUTERWELT hat mit Berufsgruppensprecher IT der Fachgruppe UBIT Wien Michael Schober und Head of Department Gottfried Koppensteiner über die Ausbildungs- und Fachkräftesituation in Wien gesprochen. [...]
Wie stellt sich die Situation mit dem Fachkräftemangel aktuell in Wien dar und wie kann die Kooperation zwischen der UBIT und Bildungseinrichtungen Abhilfe schaffen?
Michael Schober: In der Fachgruppe UBIT haben wir natürlich dieses Thema Fachkräftemangel permanent am Tisch. Der Gottfried Koppensteiner und ich kennen einander, weil ich auch noch mit ein paar anderen Funktionen unterwegs bin. Eine davon ist im Vorstand des Technologenverbandes, das ist der Absolventenverband vom TGM, in dem auch alle Abteilungsvorstände, so auch der Gottfried Koppensteiner, drinnen sitzen. Über diese Schiene kommen wir immer wieder zusammen. Ich hab den Gottfried dabei einmal gefragt: sag mal, wie hoch schaut die Quote aus, von denen, die sich melden, um einen Ausbildungsplatz im TGM zu bekommen, im Verhältnis zu der Anzahl der Ausbildungsplätze, die du anbieten kannst? Und seine Antwort darauf war: »Das Dreifache zirka.«
Also 2 von 3 müssen weggeschickt werden beziehungsweise kriegen keinen Platz.
Gottfried Koppensteiner: Ja. Leider. Genauso ist es. Und momentan ist auch keine Besserung in Sicht.
Wie ist es bei den anderen HTLs in Wien?
Gottfried Koppensteiner: Ähnlich. Gleichzeitig haben wir auf den Unis die Zugangsbeschränkung, also auch im IT-Bereich und wir haben die Industrie, die nach Fachkräften schreit. Wir haben alleine in in Wien 10.000 Fachkräfte zu wenig im IT-Bereich, das ist ein Versäumnis der letzten 15 bis 20 Jahre. Dieses Problem lässt sich auch nicht von heute auf morgen lösen. Selbst wenn man die Räumlichkeiten hätte, könnte man die nötigen Lehrkräfte nicht so schnell aus dem Hut zaubern.
Welche Ausbildungszweige gibt es am TGM?
Gottfried Koppensteiner: Am TGM gibt es sieben verschiedene Ausbildung. Wir haben Maschinenbau, Elektronik und technische Informatik, Biomedizin und Gesundheitstechnik, Kunststofftechnik, Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik und die Informationstechnologie, die ja am ehesten dem Bereich IT zuzuschreiben ist.
Wobei auch in allen anderen Bereichen, nehme ich an, mittlerweile die Verzahnung mit der IT immer stärker zunimmt.
Gottfried Koppensteiner: Ja, grundsätzlich kommt kein Bereich mehr ohne IT aus. Das heißt, ein gewisses IT-Grundverständnis muss man haben. Dabei muss man ganz genau unterscheiden: Was ist die IT-Grundausbildung, die in Zukunft jeder Österreicher oder jeder Europäer oder jeder Mensch auf der Welt, wie weit man den Bogen spannen will, braucht, weil ein gewisses IT-Grundverständnis braucht man einfach immer und überall. In manchen Bereichen mehr, in anderen weniger. Auf der anderen Seite steht der IT-Experte, der die Systeme nicht nur bedienen und anwenden kann, sondern der diese auch entwickelt. Ich würde da eine Grenze ziehen. Und in der IT sind eben die Schülerinnen und Schüler so, dass sie das lernen.
Wir haben zwei Ausbildungsrichtungen bei uns am Standort, das ist die Medientechnik und das ist die Systemtechnik. Also die, die eher grafisch in den Webseitenbereich hineingehen. Film und Foto zählt auch noch dazu. Und auf der anderen Seite die klassischen Systemtechniker, die ganze IT-Infrastrukturen planen.
Wir müssen unweigerlich auch über die Politik sprechen, weil im Endeffekt ist das der einzige Hebel, wo man ansetzen kann.
Gottfried Koppensteiner: Ja, ich formuliere es vorsichtig: Das neue Lehrerdienstrecht macht es nicht gerade einfacher, Techniker in Schulen anzustellen. Stellen Sie sich vor, Sie sind gut bezahlter Techniker in der Wirtschaft und überlegen sich, in den Lehrerjob umzusteigen. Zum Einen bekommen Sie schon mal weniger Gehalt, weil besser ist die Situation einfach nicht, und zum Anderen müssen sie noch ein Bachelor-Studium in der Pädagogik nachholen. Und das zusammen ist eine Hürde, die sich viele nicht mehr zutrauen. Da ist etwas, was man vielleicht überlegen müsste, politisch, ich weiß nicht, ob es da Lösungen geben wird. Man hat ja gesagt, es gibt keine Sonderverträge mehr im neuen Lehrerdienstrecht. Also das macht es definitiv nicht leichter. Aber da muss man schauen, dass man sich die jungen Leute, die eine Passion zum Unterrichten haben, gleich direkt von der Uni wegholt, was aber dem Fachkräftemangel in Wien wieder komplett widerspricht.
Dazu kommt noch: Wir brauchen Praktiker. Das ist ja ein massives Dilemma. Ich hab das erlebt als ich eine Zeit lang an der FH Technik in Wien unterrichtet und für acht Lehreinheiten über acht Wochen verteilt verantwortlich war. Die Studierenden waren begeistert, weil ich ihnen Geschichten erzählt habe, die ich gestern beim Kunden erlebt habe, und nicht irgendwas Theoretisches vermittelt habe.
Merken Merken Sie auch eine Genderproblematik? Weil es immer heißt, dass die MINT-Fächer bei Mädchen nicht wirklich gut angenommen werden.
Gottfried Koppensteiner: Ja, es passiert eine gesellschaftliche Prägung ab dem 11., 12. Lebensjahr, da merkt man einen starken Rückgang. Man muss die Mädchen speziell fördern in dem Bereich, das fängt in der Volksschule und teilweise in der Mittelschule an. Man braucht sich nur irgendeine klassische Fernsehsendung anschauen und erkennt gleich das typische Frauen- und Männerbild. Es gibt viele Bestrebungen, wie man spezielle Mädchenförderung in die Technik bringen möchte, und da bräuchte es halt in den Schulen die passende Unterstützung. Da gibt es teilweise einen Engpass. IT oder Technik sollte massiv Einzug in die Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen halten, damit die sich auch für Technik begeistern können.
Auch die Unternehmen sagen: wir könnten so viel mehr Kunden nehmen und Aufträge lukrieren ohne Ende, aber wir haben einfach die Mitarbeiter nicht.
Michael Schober: Das ist eigentlich das größte Problem. Wir lassen sicherlich politisch auch viel Potenzial liegen im Sinne von Menschen, die zu uns kommen, egal mit was für einem Hintergrund, die vielleicht fertige Doktoren in Mathematik oder Ähnliches sind und bei uns dann putzen gehen dürfen oder gar nichts tun dürfen. Ich will das jetzt gar nicht so breit ansetzen, aber da werden teilweise heute Urängste geschürt, die auf politischen Ebenen ausgewalzt, ausgenutzt werden. Das haben wir quer über alle Branchen hinweg. Aber natürlich bei uns noch massiver, weil die IT einfach mittlerweile überall drin ist.
Eine enge Verzahnung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wäre aber unabhängig davon notwendig, oder?
Gottfried Koppensteiner: Ich denke jetzt so in die Richtung von Car Sharing, wo es genau das Gleiche ist: Ich sag, ich muss jetzt den Raum nicht mehr besitzen als Schule, aber es könnte zum Beispiel ein IT-Unternehmen in der Nähe sein mit Schulungsraum, da stehen Rechner drinnen, der Schulungsraum ist 50 Prozent der Woche leer, zum Beispiel. Und dann gibt es Mitarbeiter, die sowieso Schulungen abhalten, die könnten vielleicht einen Tag die Woche auch Schüler unterrichten.
Michael Schober: Betriebe müssen die Bereitschaft zeigen, dass sie Lehrlinge aufnehmen. Und das Zweitwichtigste ist, denjenigen, die in die IT wollen, auch zu sagen, man kann Lehre mit Matura machen, also Lehrling ist nicht nur der klassische Lehrling. Ein Lehrling kann auch durchaus in der IT schon produktive Arbeit leisten, selbst in dem jugendlichen Abschnitt, kann aber auch nach der Matura in eine Lehre gehen, also ich kann mit 60 auch noch mal eine Lehre machen, was für den Lehrherrn den massiven Vorteil hat, er hat keine Beaufsichtigungspflicht mehr und er muss sich um die Berufsschule nicht mehr kümmern. IT-Lehre heißt zwar Lehre, aber ich glaube nicht, dass es dem üblichen Bild einer Lehre in der Form entspricht, gerade wenn man vom Coding redet. Es ist dieser praxisorientierte Ansatz, der uns in Österreich ein bisschen fehlt.
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