Susanne Ebm sieht sich als IT-Leiterin am Flughafen Wien als Übersetzerin zwischen Business-Anforderungen und den dafür nötigen Technologien und IT-Services. [...]
Die Niederösterreicherin Susanne Ebm hat an der TU Wien Technische Mathematik studiert. Sie leitet die IT des Flughafen Wien und bietet mit ihrem Team die technische Grundlage, um Sicherheit mit Passagierkomfort zu kombinieren. Dafür wurde sie von Jury des Confare #CIOAWARD als »CIO des Jahres 2023« ausgezeichnet.
Wie beeinflusst Sie die Compliance in Ihren Sicherheitsmaßnahmen, da Sie ja durch die Einhaltung der Compliance weniger flexibel sind?
Weil wir kritische Infrastruktur sind, ist das Thema Compliance ein sehr relevantes Feld für uns. Unser Ansatz in Richtung Information Security Managementsystem ist klar: Es muss ein lebendes System sein, also nur Compliance um der Compliance willen, ist nicht der Weg, den wir verfolgen. Beim Flughafen geht es immer um Zuverlässigkeit, Sicherheit, Verfügbarkeit. Natürlich wollen wir unseren Fluggästen aber ein großartiges Reiseerlebnis ermöglichen. Jedoch das Thema Sicherheit schwingt immer mit. Sicherheit und Compliance haben nicht zuletzt durch NIS2 noch einmal einen deutlichen Boost bekommen. Wir wachsen auch in dem Bereich und suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Cybersecurity und für den Aufbau eines Security Operation Centers. Beim Thema Compliance wählen wir einen risikobasierten Ansatz. Wir stehen mit unseren Kunden im Dialog, um entsprechende Maßnahmen gemeinsam abzustimmen. Das sehe ich als meine Rolle: Einerseits verstehen, was für Regelungen kommen. Grade in der Aviation-Branche gibt es ja aus europäischer Ebene sehr viel Cybersecurity- oder Compliance-Anforderungen. Andererseits darauf achten, was das Business braucht, damit man den Betrieb führen kann.
Wie unterscheidet sich Ihr Job als IT-Leiterin am Flughafen von anderen Branchen?
Zu meinen grundsätzlich Aufgaben gehört natürlich, IT-Services für den Flughafen zur Verfügung zu stellen. Wir haben in der HR oder der Rechtsabteilung ganz klassische IT-Services. Darüberhinaus gibt es natürlich sehr viele spezielle Dinge, die wohl nur auf Flughäfen benötigt werden. Wir haben sehr viele Dispositionssysteme, Ressourcenmanagementsysteme für fixe Ressourcen, wie eben Gate und Flugzeugpositionen, aber auch mobile Ressourcen, wie eben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch Stiegen, Busse etc. Beim Ausdrucken eines Bag-Tags oder beim Baggage-Drop-off wird Ihr Gepäckstück in die Gepäcksförderanlagen eingespeist. Das Hirn der Gepäckförderanlage ist Software. Es ist eine große IT-Lösung, für die wir verantwortlich sind. Bei der Sicherheitskontrolle gibt es gerade spannende Entwicklungen mit KI zum automatisierten Erkennen der »Röntgenbilder«, die das Gepäck durchleuchten. Wir haben im Terminal sehr viel Sensorik verbaut, um rechtzeitig zu erkennen, wo es längere Wartezeiten gibt und wir Sicherheitsstraßen öffnen. Ferner bieten wir IT-Lösungen für die Flughafenfeuerwehr oder -Rettung mit einer Schnittstelle zum Behördenfunk in Niederösterreich. Das Besondere bei uns ist, und das ist auch etwas, was mich sehr motiviert und mir sehr viel Freude bereitet, wir machen hier IT für eine Stadt – von Kommunikationssystemen bis zu operativen Prozessen, da rede ich noch gar nicht von Cargo, unserem Health Center oder von unserem Conference Center, die ebenfalls IT-Lösungen von uns brauchen.
Sie verwenden KI und Analytics: Sind das Eigenentwicklungen oder verwenden Sie Software anderer Firmen?
Wir betreiben seit Anfang des Jahres den Flughafen CO2-neutral. Das ist deswegen möglich, weil wir einerseits die Fernwärme von der OMV haben, auf der anderen Seite haben wir auch die größte PV-Anlage Österreichs und so eine PV-Anlage ist nur effizient, wenn die Panele in Ordnung sind. Da setzen wir Drohnen ein und deren Bilder werden mit KI analysiert bezüglich defekte Panele, Verschmutzungsgrad etc. Das ist zugekauft. Beim Thema Bilderkennung setzen wir derzeit ebenfalls auf zugekaufte Lösungen. Was wir einbringen, ist das spezifische Wissen, was es für den Flughafen braucht, auch im Bereich der Kommunikation mit dem Passagier oder mit der Auswertung von Bewertungsportalen und wie wir damit umgehen. Hier laufen gemeinsam mit Partnern gegenwärtig Pilotprojekte. Es gibt ein Digital and Innovation Board, bei dem gemeinsam mit Kollegen aus anderen Geschäftsbereichen wir als IT im Lead sind. In diesem Board stellen wir Technologien aus unserer Branche vor, und wie andere Flughäfen weltweit sie einsetzen, aber auch Technologien aus anderen Branchen.
Auf der anderen Seite gibt es über eine Kooperation mit der Innovationsplattform Plug & Play einen Start-up-Accelerator bei uns im Airport City Space Office Park 4, der auch Ideen einbringt. Aktuell arbeiten wir auch daran wie man mit Hilfe von Sensoren den Passagierprozess noch nahtloser gestalten kann. Es geht darum, die Bordkarte durch biometrische Merkmale zu ersetzen. Wir haben das gemeinsam mit der Star Alliance und mit Miles-and-more an ausgewählten Standorten in Betrieb.
Was sind die großen Meilensteine gewesen, die Sie umgesetzt haben und was ist gerade in der Pipeline?
Ich habe 2009 am Flughafen und da in der Individualsoftwareentwicklung begonnen als Projektleiterin. Eines meiner allerersten Projekte war eine Individualentwicklung. Unser Core System Airport Operational Data Base ist eine Individualentwicklung, damals noch auf Mainframe und Cobol. Meine Aufgabe war, den Mainframe abzulösen und als Programm aufzusetzen. Nach einem Assessment Anfang 2013 stieg ich von der Teamleiterin zur Leiterin auf. Wir waren damals sehr technisch organisiert, und eines der größeren organisatorischen Projekte war, uns kundenorientiert aufzustellen. Hier gibt es jetzt verschiedene Teams für die verschiedenen Bereiche.
Wir haben während der Coronakrise natürlich einen massiven Einschnitt gehabt. Wir waren zwei Jahre in Kurzarbeit – alle, auch die IT. Nichtsdestotrotz haben wir die Zeit genutzt, um unter anderem zwei aus meiner Sicht wirklich sehr relevante Projekte für den Flughafen weiterzutreiben. Das eine war die Ablöse der Sicherheitssysteme. Wir haben nach mehr als zehn Jahren einen Lieferantenwechsel und auch einen Herstellerwechsel vollzogen. Da geht es um Zutritt/Video- und Alarm-Managementsysteme. Da hat es sich natürlich optimal ergeben, dass weniger Passagiere im Terminal waren. Wir haben Schengen, wir haben Staatsgrenzen und damit Spezialfälle, wie Leerraum-Detection, d.h. ein Lift muss leer sein, damit er eben Schengen und Non-Schengen-Übertritte fahren darf. Das Projekt haben wir auch während der Coronakrise vorangetrieben, es war sicher eines der größten Projekte in meiner Karriere am Flughafen sowie zuletzt auch die Ablöse des Gepäcksförderanlageleitrechners. Beim Herz des Leitrechners, also der Software haben wir einen Lieferantenwechsel vorgenommen.
Welche Eigenschaften braucht es hier als technische Leiterin? Und wie bilden Sie sich und Ihr Team weiter?
Ich glaube, meine Aufgabe ist es einerseits, IT-Services zur Verfügung zu stellen. Aber dafür muss ich andererseits die Bedürfnisse und die Herausforderungen unseres Business sehr gut kennen. Da sehe ich ganz stark meine Rolle die Herausforderungen zu verstehen und hier die Übersetzerin zwischen IT und Business zu sein.
Weiterbildung ist ein ganz ein wesentlicher Pfeiler. Ich habe ein großartiges Team und im Bereich IT muss man sich immer weiterbilden. Wir achten darauf, dass jeder die Möglichkeiten hat, Kurse, Workshops, Messen zu besuchen. Es gibt Flughäfen-spezifische Messen. Zudem gibt es mindestens zweimal im Jahr einen offenen Austausch unter den IT-Leitern der deutschsprachigen Flughäfen. Überdies gibt es auch Vernetzungen mit anderen Großunternehmen und deren IT-Leiterinnen und IT-Leitern österreichweit. Hier lernen wir auch von anderen Branchen.
Das Schöne am Flughafen ist, es spielt sich alles mehr oder weniger hier am Standort ab. Das heißt, man kann auch rausgehen, gelbe Jacke anziehen und sich die Prozesse vor Ort anschauen. Man sieht das Ergebnis seiner Arbeit.
Wir achten als Unternehmen darauf, dass wir gut vernetzt sind, denn wir betreiben nur den Flughafen. Die Airlines, Reinigungsfirmen, Catering, Speditionen und natürlich die Austro Control – das sind andere Firmen. Wir schauen, dass diese Unternehmensgrenzen idealerweise für Passagiere nicht sichtbar sind. Datenaustausch mit unseren Partnern ist wichtig.
Stichwort Fachkräftemangel. Haben Sie genug Fachkräfte? Bekommen Sie die Fachkräfte, die Sie brauchen?
Grundsätzlich gibt es den Fachkräftemangel und den spüren wir auch. Gerade im Security-Bereich ist es wirklich sehr schwer, gute Leute zu finden. Da bilden wir auch selbst aus. Diese Karriereentwicklungsmöglichkeit wird gut von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen angenommen. Wir bilden auch Lehrlinge aus. Mir persönlich ist es ein Anliegen, in die Schulen zu gehen, um dort sichtbar zu sein. Wir als Flughafen haben viel zu bieten. Man kann bei uns IT erleben und das versuchen wir zu vermitteln.
Wie stark hat sich Corona auf den Flughafen ausgewirkt und wie sehr hat das Ihre Abteilung verändert?
COVID19 war die größte Krise des Unternehmens in unserer Geschichte. Wir hatten vor der Krise 2019 über 31,7 Millionen Passagiere und während der Pandemie unter acht Millionen Passagiere. Heute haben wir an starken Tagen wieder über 100.000 Passagiere –in der Krise waren es vielleicht 100. Man hätte tatsächlich jeden einzelnen Fluggast persönlich begrüßen können. Die Parkplätze waren leer und im Terminal kaum Menschen anzutreffen. Über 20.000 Menschen arbeiten hier am Standort, es ist ja wie eine Stadt – ungefähr so groß wie Krems oder Leoben. Es war ein ganz massiver Einschnitt. Wir haben überlegt, welche strategischen Projekte wir weiter vorantreiben wollen, wie den bereits erwähnten Ausbau der Sicherheitssysteme, aber auch der PV-Anlagen und der Umbau des Terminal 2 mit einem neuen Layout der Sicherheitsstraße. Dieses ist jetzt nicht mehr gerade, sondern trichterförmig. Das hat den Vorteil, dass Passagiere langsamere Fluggäste überholen können. Damit haben wir uns intensiv in der Krise damit auseinandergesetzt. Wir machen Passagierflussmessungen mit diversen Sensoren und haben die Zeit genutzt, um uns mit diesen gesammelten Daten auseinanderzusetzen. Jetzt haben wir eine Effizienzsteigerung von 50 Prozent beim gleich Personaleinsatz. Das sind Hebel, die man durch die Digitalisierung hat.
Was hat sich durch die Coronakrise bei Ihrem Personal geändert?
Wir hatten bereits vorher Homeoffice in der IT. Im März 2020 haben wir Homeoffice für das gesamte Unternehmen ausgerollt, sprich wir haben alle mit Laptops ausgestattet. Wir hatten bereits die Infrastruktur, weil wir in der IT das schon genutzt haben. Home Office ist uns überall dort, wo es möglich ist, geblieben.
Das Gelände des Flughafens ist sehr groß und allein der Wegfall der Wegzeiten von Meetings erspart viel Zeit. Wir machen durchaus noch Vieles in Präsenz, wie Workshops, wo es um Diskussion und Austausch geht. Aber für kurze Abstimmungen nutzen wir Videokonferenzen. Wir merken das auch am reduzierten Verkehr.
Sie sind seit diesem Jahr CO2-neutral. Welche Pläne haben Sie hier? Gibt es auch Kooperationen mit den Fluglinien?
Im operativen Betrieb unterstützen wir die Airlines wo wir können, mit unseren Prozessen, klimafreundlicher zu werden. Wir selbst als IT leisten einen wesentlichen Beitrag, z.B. beim Rechenzentrumsbetrieb. Mittels einer modernen Kühlanlage kühlen wir nicht mehr den gesamten Raum, sondern nur mehr die Racks. Ein starker Hebel ist die Ressourcenoptimierung. Wir optimieren Wegzeiten, wissen, wo unser Equipment ist, damit es eben nicht von einem Ende zum anderen Flughafen gefahren werden muss. Auch bei Ausschreibungen setzen wir auf nachhaltige Lösungen und geringen Energieverbrauch. Wir verwerten unsere Endgeräte gemeinsam mit externen Partnern. Der wesentlichste Treiber für CO2-neutrales Fliegen werden aber nachhaltige Flugzeugtreibstoffe sein. Daran arbeitet die gesamte Branche.
Braucht es Role Models, um mehr Frauen in die IT zu bringen?
Man weiß aus Studien, dass Frauen auf andere Ausschreibungen reagieren als Männer. Deswegen achten wir darauf, wie die Ausschreibungen formuliert sind. Wir achten weiters darauf, dass wenn sich Frauen mit der richtigen Ausbildung bewerben, sie auf jeden Fall zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden. Wir sehen schon, dass es hilft, wenn bereits Frauen in der IT eines Unternehmens sind, weitere Frauen zu gewinnen. Das Female IT Mentoring ist mir ganz wichtig, wo ich in andere Firmen gehe, um Fragen über Frauen, IT und Technik zu beantworten, z.B.: Wie geht man als Frau mit einem dreijährigen Kind mit der Karriere um? Ich versuche da offen zu sein, und schildere, wie es mir damit geht.
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