„Wir sind das Land der Infrastruktur-Bauer“

Der Verband österreichischer Softwareindustrie (VÖSI) hat sieben Forderungen an die Politik formuliert. Die Software-Branche bekomme im Gegensatz zur Telekom-Branche wenig bis keine politische Aufmerksamkeit, so der alljährliche Vorwurf. [...]

„Das Bewusstsein, die Wertigkeit und Relevanz von Software und IT ist in der österreichischen Politik so gut wie nicht vorhanden“, klagt der Verband Österreichischer Software Industrie VÖSI. Deshalb fordert der Verband von der Politik sieben Punkte für die laufenden Koalitionsverhandlungen ein: Den verstärkten Software-/IT-Einsatz in der öffentlichen Verwaltung, eine qualitativ überdurchschnittliche und intensive Bildung von Fachpersonal, striktere Datenschutz-Richtlinien und deren konsequente Umsetzung, verbesserte Konditionen inklusive der Kapitalisierung von IT-Unternehmensgründungen, die Intensivierung und Professionalisierung des Austausches zwischen Wissenschaft, Forschung und der Software-Branche, einen „Chief Information (Technology) Officer“ als Staatssekretär auf Bundesebene und die Weiterentwicklung der öffentlichen Breitband-Infrastruktur in Richtung offener und sicherer Serviceplattformen zur Bereitstellung von softwarebasierten Diensten. VÖSI-Vizepräsident Klaus Veselko und Generalsekretär Max Höfferer erklären im COMPUTERWELT-Gespräch, warum die politische Vernachlässigung der Branche auch Auswirkungen im War for Talents hat.

Wie sieht es mit dem Fachkräftemangel in der Software-Branche aus?
Klaus Veselko:
Der VÖSI hat das Thema Fachkräftemangel schon vor 15 Jahren, also kurz vor der Jahrtausendwende, adressiert. Es ist immer akuter geworden und seit damals steht das Thema eigentlich mehr oder weniger permanent auf unserer Agenda. In der Wirtschaft hat es Ups und Downs gegeben, und ungefähr so hat sich auch der Fachkräftemangel entwickelt. Wobei man aktuell sagen muss: Auch wenn unsere Wirtschaft nicht boomt, merken wir trotzdem einen dramatischen Mangel an Fachkräften in der Software-Industrie. Das ist etwas, was das Wachstum der Software-Industrie in Österreich definitiv bremst.

Hat das mit der Aus- und Weiterbildungssituation in Österreich zu tun?
Klaus Veselko:
Es gibt mehrere Gründe. Einer ist aber sicher die Ausbildung. Es hat sich einiges getan in den letzten 15 Jahren: die Fachhochschulen sind als neue Schultypen dazugekommen, dafür sind die HTL, die früher eine bedeutende Rolle gespielt haben, vielleicht ein bisschen in den Hintergrund gedrängt worden. Es gibt aber natürlich auch andere Gründe für diesen Fachkräftemangel: Die Wahrnehmung der Technik in Österreich ist auch ein gesellschaftliches Problem – Stichwort Technik ist cool. Das wünschen wir uns aber nur. Das ist nicht in den Köpfen. Das würde natürlich auch sehr helfen. Ich habe es auch selbst in meiner unmittelbaren privaten Umgebung mitbekommen: Es ist nicht mehr der Andrang an den HTL wie er früher mal war. Früher gab es schon bei der Anmeldung einen Aussiebungsprozess. Zu meiner HTL-Zeit gab es rund 300 Anmeldungen für 150 Plätze. Das ist heute nicht mehr der Fall.

Woran liegt das?
Max Höfferer:
Es gibt Millionen Gründe. Es ist aber vor allem auch abhängig von der Krabbelstube. Wenn die Eltern nicht Technik-affin sind, woher sollen es dann die Kinder haben? Und viele Lehrer trichtern den Kindern ein das alles, was mit Technik zu tun habe, mathematisch sei. Das wird zwar besser, aber es ist sicher ein Thema des Alters und der Schule. Das zweite ist: Die Kinder benutzen Technik sehr intuitiv. Wenn es aber darum geht, dahinter zu blicken, beispielsweise wie die Daten von A nach B kommen, dann ist es schon wieder aus. Es gibt zum Thema Technik-Awareness für Jugendliche unzählige Einzelinitiativen, aber keine zentrale Initiative oder kein zentrales Programm von einem Ministerium aus.

Liegen die Probleme nur daran, dass die Branche in der Politik nicht wahrgenommen wird?
Klaus Veselko:
Auch. Der Max Höfferer hat sich in den letzten Tagen beispielsweise schlau gemacht, was denn in den Parteiprogrammen zum Thema Software und IT steht. Es ist erschreckend.
Max Höfferer: Das Wort Software kommt bei den Grünen vor, aber eher in Zusammenhang mit Open Source. Bei der FPÖ kommt das Wort einmal im Zusammenhang mit heimischen Betrieben als Produzenten von Nischenprodukten vor. Im Parteiprogramm der Neos gibt es überhaupt keine Fundstelle. ÖVP und SPÖ tendieren generell dazu – und haben auch die entsprechende Lobby – IT mehr als IKT zu sehen. Da wird politisch urgiert, da gibt es eine Breitbandmilliarde und so weiter. Sie legen also in irgendwelche Rübenacker Leitungen, wobei mittlerweile alles mobil geht.
Klaus Veselko: Es muss die Frage gestellt werden: Brauchen wir noch Kabeln in der Erde? Wo muss man wirklich noch eine Milliarde investieren? Wir sind das Land der Infrastruktur-Bauer. Genau das ist es auch, wogegen wir ein bisschen wettern. Vor allem wenn man daran denkt, was in diesem großen Umfeld Telekom und Politik in den letzten Monaten aufgedeckt wurde. Seit dem ersten Masterplan – und der ist zehn Jahre alt – wird nur Telekommunikation behandelt. Und das hilft einer Software-Industrie herzlich wenig.
Max Höfferer: Egal wie breit das Breitband ist, ich brauche Software, um Daten zu transferieren. That’s it.

Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung?
Max Höfferer:
Aufmerksamkeit. Die Software-Branche braucht keine Förderungen, Unterstützungen oder ähnliches. Wir wollen einfach zeigen, dass ohne Software schlicht und ergreifend nichts mehr geht. Schauen Sie sich das Equipment in Österreichs Pflichtschulen an. Das ist doch peinlich, das ist erschreckend! An den Hochschulen ist die Situation schon viel besser. Man sollte beginnen, die Schulen auszubauen.
Klaus Veselko: Das ist ein wichtiger Punkt: Wir sind nicht diejenigen, die sagen: wir brauchen unbedingt Milliarden an Förderungen für die Branche. Was wir wollen, ist, dass gewisse Hemmschuhe aus dem Weg geräumt werden. Eine Investition in unsere Branche wäre es zum Beispiel, in die entsprechenden Ausbildungsmaßnahmen zu investieren, nicht in die Branche oder die Unternehmen selbst. Ich muss Kinder schon im frühen Alter mit der Technik vertraut machen. Wenn man eine Schullaufbahn bis 18 Jahre verfolgt, hat man bis dahin eigentlich nichts über Technik gehört. Eine Investition in die Ausbildungsstätten, um Kinder spielerisch an das Thema heranzuführen, könnte ein Umdenken in der ganzen Gesellschaft herbeiführen.

Nochmal zum Thema Fachkräftemangel: Welche Skills fehlen Ihnen konkret am Markt?
Klaus Veselko:
Das ist schwierig zu sagen. Das ist von Unternehmen zu Unternehmen ein bisschen verschieden. Ich weiß aber von vielen Unternehmen, dass sie extreme Schwierigkeiten haben, Java-Entwickler zu finden.

Wie ist die Qualität von Bewerbern?
Klaus Veselko:
Es gibt viele Bewerber, die sich dramatisch selbst überschätzen. Es wird sehr oft nicht das geboten, was gefordert wird. Das Interessante dabei ist, dass das die Statistiken verfälscht. Es werden Jobangebote und Jobsuchende gegenübergestellt, die sich nicht matchen. In der Statistik gibt es keinen Mangel, er ist aber auf jeden Fall vorhanden.

Das Gespräch führte Michaela Holy.


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