Laut aktueller Studie finden Robotic-Process-Automation-Lösungen immer mehr Unterstützung – überraschenderweise nicht so sehr in den Fachabteilungen. Dabei sind die Anwendungsmöglichkeiten nahezu grenzenlos. [...]
Derzeit messen rund 30 Prozent der Unternehmen RPA eine große bis sehr große Bedeutung bei. Doch dieser Wert wird nach Einschätzung der befragten Entscheider bis 2025 auf knapp 50 Prozent ansteigen, so die Ergebnisse der Studie »Robotic Process Automation 2020« von IDG Research Services und Blue Prism. An der Umfrage haben sich insgesamt 345 (IT-)Entscheider aus Unternehmen der DACH-Region beteiligt.
Die Zahlen zeigen, dass Unternehmen offensichtlich die Bedeutung von Prozessautomatisierung mittels RPA erkannt haben. Nicht nur große Firmen (54 Prozent), sondern auch kleine (45 Prozent) und mittelständische Unternehmen (49 Prozent) erwarten, dass sich Robotic Process Automation bis 2025 zu einer wichtigen Technologie entwickelt.
Aufklärungsbedarf besteht laut Studie in den Fachabteilungen: Derzeit spielt nur für 19 Prozent der Fachbereichsleiter RPA eine wichtige Rolle, 2025 sollen es 37 Prozent sein. Dagegen hat RPA für 60 Prozent der Manager und 56 Prozent der IT-Fachleute in fünf Jahren eine hohe Bedeutung. Es gilt somit, die Fachbereiche besser in die Diskussion über RPA einzubinden, etwa in Form von abteilungsübergreifenden Arbeitsgruppen, so die Empfehlung der Studienautoren.
Interessant sei zudem, dass Geschäftsführer und Manager mittelfristig (2025) in stärkerem Maß vom Wert von RPA überzeugt sind als die IT-Fachleute. Das sei positiv, weil entsprechende Projekte somit mit der Unterstützung durch die Unternehmensleitung rechnen können – eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung von RPA.
Integration & Implementierung
Die Anbindung von RPA-Lösungen an vorhandene IT-Infrastrukturen und Cloud-Dienste hat für Unternehmen die höchste Priorität (31 Prozent). Es folgen mit jeweils 29 Prozent der Nennungen Kriterien wie Security und der Aufwand für Implementierung. Letzteres spielt vor allem für 38 Prozent der kleineren Firmen eine sehr wichtige Rolle. Besonders größere Unternehmen legen Wert auf die Integrationsfähigkeit von RPA-Lösungen in ihre Infrastruktur (33 Prozent). Kleinere Firmen (bis 499 Mitarbeiter) stellen den Implementierungsaufwand (38 Prozent) und die Bedienerfreundlichkeit (35 Prozent) in den Vordergrund. Bemerkenswert sei es, so die Studie, dass Aspekte wie die Implementierung und Usability für mittelständische Firmen deutlich weniger Gewicht haben als für kleinere und Großunternehmen. Entweder unterschätzen Mittelständler diese Faktoren oder sie vertrauen darauf, dass IT-Dienstleister und die Anbieter von Robotic-Process-Automation-Softwarelösungen für diese Problematik parat haben und Hilfestellung geben. Für Mittelständler spielen vor allem Security-Aspekte und eine integrierte IT-Prozessautomation eine wichtige Rolle bei der Wahl einer RPA-Lösung. Diese Aspekte haben bei kleineren Unternehmen eher einen geringeren Stellenwert.
Eine untergeordnete Rolle spielt noch, ob eine RPA-Lösung mit KI-Funktionen aufwarten kann (14 Prozent). Mittelfristig ist jedoch davon auszugehen, dass intelligente Bots an Boden gewinnen. Es ist jedoch nachvollziehbar, dass Anwender zunächst Erfahrungen mit Standard-RPA-Ansätzen sammeln wollen.
Unternehmenskultur
Mit einer Note von 3,2 auf einer Skala von eins (sehr wichtig) bis sieben (irrelevant) stuften die Befragten die Unternehmenskultur als wichtigsten Faktor ein, der über den Erfolg von RPA-Projekten entscheidet. Auf den letzten Plätzen landeten die IT-Organisation (Wert von 4,5) und die Rolle der RPA-Plattform (4,6).
Der Mehrzahl der Befragten ist offensichtlich bewusst, dass eine offene Unternehmenskultur die Basis für den erfolgreichen Einsatz von Robotic Process Automation ist. Das gilt im übrigen für Unternehmen jeder Größe. Ein Widerspruch ist es vor diesem Hintergrund, dass die Rolle der Mitarbeiter nur auf Rang vier der wichtigsten Erfolgsfaktoren landet (Note 3,7). Denn ebenso wie bei Process Mining können sich Beschäftigte bei der Umsetzung von RPA zu einem Problem entwickeln, wenn ihre Belange nicht ernst genommen werden. Nachvollziehbar ist dagegen die wichtige Rolle der Geschäftsführung im Rahmen von Robotic Process Automation (3,6): Nur wenn diese hinter solchen Projekten steht, können Fachbereichsleiter und CIOs ihre Mitarbeiter für solche Vorhaben gewinnen.
Überraschend ist, so die Studie, dass der Einsatz einer etablierten, sicheren RPA-Plattform unter den Erfolgsfaktoren auf dem letzten Platz landet. Ein möglicher Grund: Es fehlt an Wissen über die RPA-Lösungen, die auf dem Markt zur Verfügung stehen. Auch der IT-Organisation (Wert: 4,5) messen die Befragten eine geringe Bedeutung beim. Das heißt, Firmen stufen »weiche Faktoren« wie die Unternehmenskultur sowie die Rolle von Führungskräften und Mitarbeitern höher ein als technologische Erwägungen. Noch vor wenigen Jahren wäre das Resultat vermutlich umgekehrt ausgefallen, sind die Studienautoren überzeugt.
RPA als Jobkiller?
Die Information Services Group (ISG) hat sich bereits 2017 in der Studie »Robotic Process Automation« der Frage gewidmet, ob die Einführung von RPA mit Jobverlust verbunden ist. »In fast jedem Szenario, das wir analysiert haben, stand der Produktivitätsgewinn durch die Automatisierung von Aufgaben im Vordergrund – Jobverluste hingegen nicht«, sagt Marcus Bott, Partner der ISG und Leiter des Automationsgeschäfts in DACH sowie des Gesamtgeschäfts der ISG in Schweiz und Österreich. »Menschen arbeiten Seite an Seite mit Software-Robotern – egal, ob virtuelle Sachbearbeiter oder Ingenieure – um eine größere Zahl von Kundenanrufen zu beantworten, mehr Anfragen in der Kundenbetreuung zu lösen und mehr Rechnungen zu bearbeiten. Diese verbesserte Produktivität führt zu einem schnelleren Betrieb, besserer Skalierbarkeit und Compliance sowie vermeidet Kosten schon vorbeugend. Das trifft sowohl für Unternehmen als auch für Service-Anbieter zu.«
Die ISG-Studie berichtet, dass Unternehmen durch die Anwendung von RPA ihre Geschäftsprozesse fünf bis zehn Mal schneller als zuvor durchführen können und dabei durchschnittlich 37 Prozent weniger Ressourcen benötigen. Die so erzielten Produktivitätsgewinne führen der Studie zufolge nicht zu Jobverlusten, sondern versetzen die Unternehmen in die Lage, ihre Mitarbeiter anderweitig einzusetzen: für höherwertigere Aufgaben und größere Arbeitsvolumen.
Die ISG-Daten zeigen außerdem, dass die durchschnittliche Verringerung des »Full-time equivalent« (FTE) bei 43 Prozent in Bestellprozessen (Rechnungslegung, Zahlungszuordnung, Gutschriften, Geldeinzug, Preisermittlung) und bei 32 Prozent in Personalprozessen (Lohn und andere Bezüge, Recruiting- und Talentmanagement, Systeme des Lieferantenmanagements) liegt.
Wie groß das Feld der Anwendungsmöglichkeiten von RPA ist, zeigt unter anderem AIMulitple, das vor kurzem Dutzende RPA-Use Cases (»61 RPA Usecases/Applications/Examples: The Ultimate Guide«) zusammengetragen hat.
Kunden-Onboarding
Die meisten B2C-Unternehmen verfügen über einen Kunden-Onboarding-Prozess, der für die Kundenbindung und Kaufentscheidung entscheidend ist. Mit OCR und kognitiver Automatisierung können die meisten Onboarding-Aktionen für Kunden auch in Unternehmen, die auf Legacy-Systeme angewiesen sind, rasch abgeschlossen werden, wodurch das Kundenerlebnis erheblich verbessert wird. So konnte der Anbieter WorkFusion in einer großen Bank den Kunden-Onboarding-Prozess mit Hilfe von Straight Through Processing (STP) von 20 Tagen auf 5 Minuten verkürzen.
Kundenbeziehungsmanagement
Ein Kundenbetreuer muss die Absicht des Kunden verstehen, die erforderlichen Aktionen ausführen, indem er zwischen verschiedenen Systemen und Anwendungen wechselt, und den Kunden informieren. Dies hat mehrere Nachteile: Der Kunde muss warten, während der Mitarbeiter mit Daten beschäftigt ist. Dies reduziert die Kundenzufriedenheit und erhöht die Anrufdauer.
Eine einfache, in wenigen Stunden programmierbare RPA-Lösung ist ein Bot, der immer dann gestartet wird, wenn mehrere Daten systemübergreifend synchronisiert werden müssen. Für allgemeine Abfragen kann ein Dashboard erstellt werden. Der Kundenbetreuer füllt die erforderlichen Daten aus, um die Probleme zu beheben. Bots wiederum verwenden diese Daten in mehreren Systemen, um die Transaktion abzuschließen. Solche Dashboards erfordern mehr Aufwand, können jedoch für die meisten gängigen Aktionen innerhalb von Wochen erstellt werden.
Einstellung & Personalabbau
Die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern bedeutet eine erhebliche Belastung für die Personalabteilung und andere Supportfunktionen wie IT, Sicherheit und Facility Management. Während es kostspielig ist, eine Lösung zu erstellen, die alle diese Funktionen umfasst und die erforderlichen Aufgaben für neue oder ausscheidende Mitarbeiter erledigt, können RPA-Bots relativ schnell und effektiv bereitgestellt werden. Die Automatisierung eines Teils des Prozesses und die Messung seines Fortschritts im RPA-Bot-Management-Modul bringt Geschwindigkeit und Transparenz in den gesamten Prozess. Eine aktuelle Fallstudie zeigt, wie die Onboarding-Zeit mit einer skalierbaren Lösung von 30 Minuten auf drei Minuten reduziert wurde.
Schadenbearbeitung
Das Schadensmanagement ist das Herzstück jeder Versicherungsgesellschaft. Da Kunden in einer für sie schwierigen Zeit Ansprüche geltend machen, sind Kundenerfahrung und Geschwindigkeit bei der Bearbeitung von Ansprüchen von entscheidender Bedeutung. Es gibt zahlreiche Faktoren, die Probleme bei der Schadenbearbeitung verursachen wie zum Beispiel manuelle bzw. inkonsistente Bearbeitung, unterschiedliche Formate der Eingabedaten oder sich ändernde Vorgaben: Keine Versicherungsgesellschaft kann sich leisten, Änderungen der Vorschriften nicht rechtzeitig zu berücksichtigen. Dies erfordert eine ständige Schulung des Personals und eine Aktualisierung des Prozesses.
RPA-Bots können mit all diesen Problemen umgehen.
Im Wesentlichen nehmen sie unstrukturierte Daten in Formularen auf, extrahieren strukturierte Daten und verarbeiten Ansprüche basierend auf vordefinierten Regeln. Dieser Ansatz behandelt alle wichtigen Probleme bei der manuellen Bearbeitung von Ansprüchen. Die Vorteile: Die Anspruchsüberprüfung kann mit Regeln automatisiert werden, Bots sind in der Lage, mit verschiedenen Datenformaten umgehen, um relevante Daten zu extrahieren, und Vorgaben können im Zuge von regulatorischen Modifikationen geändert werden, ohne dass Schulungen erforderlich sind, wodurch die Einhaltung sofort sichergestellt wird.
Die wenigen Beispiele zeigen, dass RPA eine Schlüsselrolle in der allgemeinen digigtalen Transformation einnimmt.
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