Immer mehr Selbstständige der Bundeshauptstadt würden gegen ihren Willen von der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) in ein Dienstverhältnis gedrängt, beklagt die Fachgruppe UBIT. [...]
Rund 55 Prozent der WKO-Mitglieder sind Ein-Personen-Unternehmen, viele davon sind in der IT-Branche tätig. Sie schätzen ihre Freiheit, doch gerade sie würden immer öfter gegen ihren Willen in ein Dienstverhältnis gedrängt, prangert die Fachgruppe UBIT an. Dies hemme die IT-Wirtschaft und die EPU.
„Natürlich gibt es in einigen Branchen tatsächlich Fälle, wo einzelne Personen eigentlich in einem Dienstverhältnis stehen müssten. Gänzlich anders verhält es sich aber in der modernen Arbeitswelt der wissensbasierten Dienstleister. Die Auslegung von Werkverträgen ist in diesem Zusammenhang überholt und muss überarbeitet werden“, erklärt Robert Bodenstein, Obmann der Fachgruppe UBIT Wien. „Wir fordern daher klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die auch auf die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt Rücksicht nehmen. Wer im Bereich der wissensbasierten Dienstleister tätig ist und einen Gewerbeschein hat, soll auch selbst entscheiden können, in welchem Vertragsverhältnis er arbeitet. Das Lösen eines Gewerbescheines setzt eine bewusste Handlung voraus, die den Unternehmer dazu berechtigt, uneingeschränkt unternehmerisch tätig zu sein und auch selbst Dienstnehmer anzustellen. Der Grund, warum der gleiche Unternehmer aber nicht über sich selbst bestimmen darf, ist nicht nachvollziehbar.“
SCHADEN FÜR IT-STANDORT
Die Umwandlung des Dienstverhältnisses ist bis zu fünf Jahre rückwirkend möglich. Die dann von der WGKK eingeforderten Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge summieren sich schnell – zusätzlich zu den Sozialabgaben an die SVA, die bereits von dem Auftragnehmer abgeführt wurden. Das gefährde laut UBIT einerseits das Unternehmen des Auftraggebers, das zusätzliche Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zu bezahlen hat, und verhindere andererseits weitere Aufträge für den freien Dienstleister, was letztlich dem gesamten Wirtschaftsstandort schade.
Kann man sich auf eine Überprüfung durch die WGKK vorbereiten? Nur bedingt: Laut UBIT kommt der „Besuch“ meist überraschend. „Es empfiehlt sich, bei der Prüfung mitzuwirken und Lohnunterlagen, Arbeitszeitaufzeichnungen, Dienstverträge, Reisekostenunterlagen und Auszahlungsbelege geordnet bei der Hand zu haben. Eine ordnungsgemäße und vollständige Buchführung sowie nachvollziehbare Aufzeichnungen schützen vor einer Schätzung der Beitrags- und Besteuerungsgrundlage“, rät die UBIT auf Anfrage der COMPUTERWELT. Zudem sollte man bei der ersten Besprechung nichts überstürzen oder unterschreiben. „So sollten sich Betroffene etwa nicht auf einen Rechtsmittelverzicht einlassen, um lange Verfahren zu vermeiden, da in diesem Fall ein Rechtsmittel dann ausgeschlossen wäre.“ Hat das Unternehmen bei der Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung bzw. Bilanz Unterstützung, so empfiehlt es sich der UBIT zufolge, den Buchhalter, Bilanzbuchhalter bzw. Steuerberater der Prüfung beizuziehen. Außerdem ist die Kontaktaufnahme mit der Wirtschaftskammer sinnvoll, um Rücksprache mit den Rechtsexperten zu halten.
WGKK STREITET AB
Die WGKK bestreitet jedenfalls die Vorwürfe, sie würde Selbstständige in eine „Zwangsanstellung“ drängen. Eine diesbezügliche Anfrage der COMPUTERWELT beantwortete die WGKK mit einem bereits zuvor abgegebenen Statement ihres stellvertretender Generaldirektors, Johann Mersits, gegenüber der APA: „Dem ist nicht so. Wir prüfen die Richtigkeit der Meldung auf Basis der bestehenden Rechtslage. Wir haben kein Problem mit echten Selbstständigen. Es geht um Gerechtigkeit für alle Marktteilnehmer.“
WETTBEWERBSNACHTEIL
Gerechtigkeit, die wünschen sich auch die betroffenen Unternehmen. Eines davon ist das Softwarehaus ANECON, das vor einigen Jahren geprüft wurde. „Ich wünsche mir Chancengleichheit. Die derzeitige Lösung wird gerade bei uns als IT-Dienstleister zu einem echten Wettbewerbsnachteil“, sagt ANECON-CEO Hans Schmit. Er gibt gegenüber der COMPUTERWELT zu bedenken: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regelungen unter anderem in Polen, Weißrussland oder Indien ähnlich sind. Und Firmen aus diesen Ländern treten immer mehr in Konkurrenz zu uns.“
Was man dagegen tun kann? „Vielleicht braucht‘s eine gemeinsame, öffentlich wirksame Aktion von Unternehmen und EPU, die ja selbst sehr stark betroffen sind“, regt Schmit abschließend an. (rnf)
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