Um Infektionsketten nachverfolgbar zu machen, erfassen Tracing Apps persönliche Kontakte. Das Handling der erfassten Daten ist derzeit höchst unterschiedlich und heftig umstritten. Was fehlt, ist ein einheitlicher Standard. Am 4. November wird beim 4. IoT- Fachkongress von Austrian Standards dazu diskutiert. [...]
Die Andeutung einer möglicherweise verpflichtenden Nutzung von „Corona-Apps“ hat die Diskussion über Bürgerrechte und Datenschutz in Österreich weiter angefacht. Tracking und Tracing sind dabei die Schlüsselbegriffe: „Klassische“ Tracking-Apps dienen dazu, den Aufenthaltsort von Personen zu überwachen und aus dem Kontext Daten abzuleiten. Für die Warnung vor einem potenziellen Ansteckungsrisiko ist eine derart weitreichende Überwachung allerdings überschießend. „Um Infektionswege aufzuspüren, ist es wesentlich sinnvoller, sich auf ‚Contact Tracing‘ zu beschränken“, erklärt Andreas Petersson. „Damit lässt sich die Begegnung von zwei Geräten mittels Bluetooth und Ultraschall sehr gut quantifizieren. Es wird dabei nur festgehalten, welche zufällig vergebenen ‚Identitäten‘ einander ‚gesehen‘ haben“, erklärt der Dezentralisierungsexperte und Geschäftsführer von Capacity Blockchain Solutions.
Im Gegensatz zu Tracking-Apps, bei denen die Optimierung von Werbung im Vordergrund steht, dient die Datenerfassung bei Tracing-Anwendungen ausschließlich der Gesundheit der Nutzerinnen und Nutzern. Wie man eine solche Anwendung richtig realisiert, hat Andreas Petersson im Verein Novid 20 gezeigt, wo er an der Entwicklung der gleichnamigen Open-Source-Tracing-App beteiligt war. Anfang 2020 waren zum Thema Contact Tracing allerdings noch keine Standards vorhanden. „Wir haben deshalb die Strategie verfolgt, durch Zusammenarbeit mit der europäischen Corona-App-Initiative PEPP-PT internationale Kompatibilität herzustellen“, erklärt Petersson.
Contact-Tracing-Schnittstelle als erster Schritt
Mit der im April veröffentlichten Contact-Tracing-Schnittstelle von Apple und Google (GACT) lag schließlich ein Quasi-Standard vor, auf den Programmierer aufsetzen konnten. Die Schnittstelle beinhaltet Verbesserungen bei der Privatsphäre und bietet einige essenzielle Vorteile für Entwickler. Allerdings ist sie nur für den Betrieb mit einer einzigen – von Gesundheitsbehörden erstellten – App ausgelegt. Ein praxisnaher, länderübergreifender Datenaustausch zum Schutz und zur Warnung von Reisenden ist damit (derzeit) nicht möglich.
Einheitliche europäische Standards: fehlendes Commitment in Europa
Dass sich die GACT-Schnittstelle dennoch als Quasi-Standard etablieren konnte, liegt hauptsächlich an fehlendem Commitment in Europa. Denn um einen einheitlichen europäischen Standard erarbeiten zu können, wäre ein eindeutiges Bekenntnis der Gesundheitsbehörden notwendig, erklärt Petersson. Darum werde man auch in Zukunft nicht herumkommen, ist er überzeugt, denn „die Privatsphäre hört auch in herausfordernden Zeiten nicht auf zu existieren“. Wie Novid 20, das in Georgien unter dem Namen „Stop Covid“ als Tracing-App eingesetzt wird, diese Herausforderung gemeistert hat, verrät Andreas Petersson beim IoT-Fachkongress am 4. November.
IoT-Fachkongress am 4. November – erstmals virtuell!
Der 4. IoT-Fachkongress – Mit Standards in die Zukunft findet am 4. November 2020 erstmals als Online-Veranstaltung statt. Neben dem Vortrag von Andreas Petersson stehen auch Live-Best-Practices auf dem Programm, unter anderem zu Security by design, Artificial Intelligence, Industrie 4.0, IoT und IIoT, Predictive Maintenance, Open Innovation, Tracking und zahlreichen weiteren Themen.
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