Alexander Loisel und die Welt der KI

Die Schwammigkeit des Begriffs der künstlichen Intelligenz führt leicht zu Missverständnissen, Legenden und Verdruss. Daher ist es umso wichtiger, Theoretiker, Praktiker, Strategen wie auch Unternehmer an einem Tisch zu versammeln, um die Sache zu klären. LSZ hat genau das getan. [...]

Alexander Loisel, Geschäftsführer von LSZ Consulting. (c) Wolfgang Franz
Alexander Loisel, Geschäftsführer von LSZ Consulting. (c) Wolfgang Franz

Fragt man heutzutage das durchschnittliche Publikum nach prominenten Ausprägungen der künstlichen Intelligenz, erhält man folgende Antworten: Arnold Schwarzenegger als Terminator (76 Prozent), R2-D2 (65 Prozent), David Hasselhoff und sein Freund K.I.T.T. (59 Prozent), gefolgt von Commander Data (50 Prozent). So lauten die wichtigsten Ergebnisse einer aktuellen Studie des Allensbach-Instituts.

Konsultiert man hingegen Menschen, die sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen, hört man die Beschreibung einer Zukunft, in der Maschinen jede Art von Arbeit übernommen haben und der Mensch vom Mehrwert dieses Systems profitiert, jedoch nicht weiß, was er mit der gewonnenen und endlos scheinenden Freizeit anfangen soll. Mit anderen Worten: Der Begriff KI bedeutet heute alles und nichts. Deshalb ist es unumgänglich, Einigkeit darüber zu erreichen, was unter KI zu verstehen ist, bevor man beginnt, all die grenzenlosen Möglichkeiten und Gefahren zu thematisieren, die bei diesem Thema überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind.

LSZ-Geschäftsführer Alexander Loisel, der österreichische Grandseigneur der kollektiven Erarbeitung von Begrifflichkeiten und Trends im IT-Bereich, hat im Mai an die Ufer des Salzburger Fuschlsees geladen, um sich dem Phänomen der künstlichen Intelligenz anzunähern. Experten verschiedenster Bereiche trafen einander in inspirierender Atmosphäre, darunter Wissenschafter, Unternehmer, Kreative und Security-Spezialisten, Schüler wie auch Menschen, die jahrzehntelange Erfahrung zurückblicken. Es war genau diese Mischung aus unterschiedlichsten Charaktären, die das Event wertvoll machte. „Was hier schön und wichtig ist: die gegenseitige Befruchtung“, bestätigt Helmut Leopold, Head of Center for Digital Safety & Security des Austrian Institutes of Technology (AIT), im Gespräch mit transform! „Einerseits geht es um den Blick in die Zukunft, andererseits um praktisch orientierte Menschen, die das einsetzen müssen.“

Unter dem Namen „Digital Austria / Artificial Intelligence“ wohnten die Teilnehmer im Zeitraum von zwei Tagen zahlreichen spannenden Beiträgen bei, die zeigten, wie vielschichtig und in seiner Gesamtheit schwer greifbar sich das Thema präsentiert. „Der rote Faden der Veranstaltung ist aus meiner Sicht, dass viele Unternehmen erkannt haben, dass sie etwas tun müssen“, sagte Alexander Loisel. „Sie setzen die ersten Schritte relativ zaghaft. Das heißt, dass es heute vor allem um kleine, überschaubare Projekte geht, von denen man nicht sagen kann, ob es AI ist oder Machine Learning beziehungsweise Big Data. Eines ist sicher: Man muss etwas unternehmen, um nicht à la longue zurückzufallen.“

Diese Erkenntnis deckt sich mit aktuellen Studien. Laut Accenture nutzen nur 13 Prozent der heimischen Firmen KI. „Unternehmen und Organisationen in Österreich haben die Bedeutung der künstlichen Intelligenz mehrheitlich erkannt. Zur operativen Anwendung kommt es dennoch oft nicht. Gründe dafür sind das Fehlen von ›Business Cases‹ sowie das mangelnde Knowhow“, so die Studie, wobei Accenture zwischen technischem Knowhow und dem Wissen zur KI-induzierten Transformation von Geschäftsmodellen unterscheidet. „Österreichs Unternehmen müssen in beiden Bereichen die entsprechenden Kompetenzen und Kapazitäten aufbauen oder über externe Dienstleister darauf zugreifen können.“ In einem Szenario bis 2035 hat das Beratungsunternehmen errechnet, dass die Wachstumsrate der österreichischen Wirtschaft durch den Einsatz von KI auf drei Prozent ansteigen könne. „Bliebe es hingegen beim bisherigen technologischen Niveau, würde die Bruttowertschöpfung nur um 1,4 Prozent pro Jahr wachsen. Nicht zuletzt wird die höhere wirtschaftliche Dynamik durch eine stark steigende Arbeitsproduktivität möglich. Das Szenario geht von einer 30 Prozent höheren Produktivität der Beschäftigten in Österreich aus. Die zusätzliche Bruttowertschöpfung daraus beläuft sich auf 122 Milliarden Euro im Jahr 2035.“

KI verbindet Generationen

Die LSZ-Veranstaltung am Fuschlsee hat neben grundsätzlichen Aspekten des KI-Themas die von den Studienautoren geforderten Business Cases gebracht. So hat etwa Marius Wilk, Leiter des Büros des Vorstandes beim Arbeitsmarktservice Österreich, über die „Automatisierte Prognose von Arbeitsmarktchancen – Nutzung von Big Data für die personalisierte Beratung von Arbeitslosen“ referiert und gleichzeitig mit einigen Fake News aufgeräumt, die im Zusammenhang mit KI durch die heimische Medienlandschaft gegeistert sind. Auch waren Startups vertreten wie etwa Michael Atanasov von cogvis software und consulting („fearless – der intelligente Sturzsensor“) oder Marek Danis von QHSE Data Analytics („Saving Lives with Statistics – Digitalisierung in der Arbeitssicherheit“).

Es war zudem schön zu sehen, dass KI ihre Faszination über alle gesellschaftlichen und Altersgrenzen hinweg ausübt. Timo Luick, Schüler der HTL Spengergasse, zeigte in seinem Vortrag „Die Weiterentwicklung von Long short-term memory und deren praktische Anwendung“, dass man nicht früh genug beginnen kann, sich mit ganzer Leidenschaft dem Thema zu widmen. Außerdem machte er klar, dass zu Veranstaltungen, bei der es um die Zukunft geht – und das sind sehr viele IT-Events –, verstärkt Jugendliche gehört werden sollten. Denn es ist auch und vor allem ihre Zukunft.

Es braucht Psychiater für KI

Ein weiterer Aspekt, der ein fixer Bestandteil jeden KI-Events sein sollte, betrifft Fragen der Ethik und die Sicherheit. Denn es ist zumindest im Bereich des Möglichen, dass man eines Tages K.I.T.T. oder dem Terminator begegnet – und das abseits der Leinwand. Der eingangs erwähnte Helmut Leopold von AIT bewegt sich mit seiner weltweit beachteten Forschung in eine Richtung, die dafür sorgen soll, dass diese Begegnungen für den Menschen nicht versehentlich letal ausgehen. Folglich der Titel seines Vortrags: „Künstliche Intelligenz braucht mehr Intelligenz“. „Zu sagen, dass der Mensch die Letztverantwortung hat, ist schön und gut. Aber nach welchen Paramentern soll der Mensch entscheiden?“ Mit „Explanable AI“ verfolgt Leopold einen Ansatz, der komplexe KI-Systeme, die aus eine Vielzahl an Parametern wie Algorithmen, neuronalen Netzwerken und Elementen der Statistik bestehen, „erklärbar“ zu machen. „Das Beispiel des autonomen Fahrens zeigt, dass wir uns nicht komplett auf die KI verlassen dürfen. Es braucht rundherum eine Technik, die beobachtet und der Entscheidungskraft der KI Grenzen setzt. Das heißt: Wir machen aus einem beliebigen Verhalten wieder ein deterministisches, kontrollierbares Verhalten.“ Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet Leopold an Werkzeugen, die zwar nicht sagen, wie KI-Entscheidungsprozesse im Detail ablaufen – dafür sind diese Systeme zu sehr „Blackbox“, dafür aber Verhaltensmuster herausarbeiten können – vergleichbar mit einem Psychiater, der menschliches Verhalten beschreibt.

Positive Resonanz

Die Reaktionen der Teilnehmer der zweitägigen Veranstaltung waren durchwegs positiv. Zwei Beispiele: Alexander Spörker, General Manager von Hitachi Vantara Austria, hob hervor, dass beim Event sehr gut die Grundlagen für jedes KI-Projekt herausgearbeitet worden sind: die Daten und ihre Qualität. Nahed Hatahet, Gründer und Geschäftsführer von HATAHET productivity solutions, der mit dem Vortrag „Artificial Intelligence, nicht ohne uns Menschen“ vertreten war, schätzte vor allem das Design des Events: „Mir hat der elitäre Rahmen gefallen statt der üblichen Massenabfertigung. Es war ein sehr guter Rahmen, um sehr gute Gespräche zu führen.“

Auf die Frage, was die nächste Veranstaltung im Bereich KI bringen würde, antwortete der LSZ-Geschäftsführer: „Ich möchte nächstes Mal einen anderen Begriff nutzen als AI. Der Grund: Es gibt bereits zu viele AI-Veranstaltungen, und der Begriff ist mir zu ungenau.“ Alexander Loisel zeigt, dass innovatives oder disruptives Denken keine Frage des Alters ist.

Der Artikel ist in transform! 02/2019 erschienen.


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