Interessensvertretung im Dienste der Zukunft

Mit über 20.000 Mitgliedern gehört UBIT Wien zu den wesentlichen Playern der heimischen digitalen Transformation. Obmann Martin Puaschitz hat für diese Herkulesaufgabe eine klare Vision. [...]

Martin Puaschitz, Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) Wien. (c) Erich Reismann
Martin Puaschitz, Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) Wien. (c) Erich Reismann

Als Obmann der Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) Wien, der größten in Österreich, vertritt Martin Puaschitz die Interessen von mehr als 20.000 Mitgliedern, wobei jährlich etwa 500 Unternehmen hinzukommen.

Ein aktuelles Beispiel, das zeigt, welche Rolle eine Interessensvertretung für den Standort und die lokalen Unternehmen spielt, ist das Thema IoT. „Die größte Herausforderung für heimische IoT-Programmierer ist es, ihre Lösungen im Echtbetrieb in der Stadt zu testen“, sagt Puaschitz im Gespräch mit transform! „Das ist ein Problem, das der Einzelne nicht lösen kann, es braucht die Unterstützung durch eine allgemeine Organisation wie die UBIT. Wir haben einen Verein gefunden, der sich mit LoRaWAN beschäftigt, der Low-Energy-Variante von IoT, und sind eine Kooperation eingegangen, indem wir einen Teil der Anschaffungsfinanzierung übernommen haben. Unsere Bedingung war, dass das Netzwerk kostenfrei ist und unseren Mitgliedern mindestens drei Jahre das Recht gibt, auch wirtschaftliche Applikationen gegen Entgelt über dieses System zu nutzen.“ Mit LoRaWAN steht heimischen Unternehmen eine flächendeckende, stadtweite „IoT-Wolke“ zur Verfügung. Damit ist Wien einer der weltweit ersten Standorte, die diesen Service anbieten.

Dauerbrenner Fachkräftemangel

Ein Thema, das so gut wie alle Mitglieder betrifft, ist – wenig überraschend – das Fehlen von geeigneten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. „Der Branchentrend zeigt es ganz deutlich: Während das nationale Wachstum etwa zwei Prozent beträgt, sind es in der IT sieben bis acht Prozent. Das heißt, die Nachfrage übersteigt das Angebot, was dazu führt, dass Fachkräfte fehlen, um die Aufträge abzuwickeln.“ Puaschitz weist darauf hin, dass Geld allein das Problem nicht lösen könne. „Es braucht ein freundliches Arbeitsumfeld mit hilfsbereiten Kollegen, die Projekte müssen interessant sein und der Job spannend, aber nicht zu stressig – man könnte einfach die Work-Life-Balance-Checkliste abarbeiten. Zudem sollte der Vorgesetzte bereit sein, den Mitarbeiter im Fall des Falles dem Kunden gegenüber zu verteidigen.“ Doch selbst wenn der Arbeitgeber die perfekte Umgebung bieten würde: Der Markt bleibt leergefegt. „Deshalb fokussieren wir auf die Lehrlingsthematik“, sagt Puaschitz.

Dem UBIT Wien-Obmann ist sich bewusst, dass sich das Image der Lehre in den vergangenen 30 Jahre deutlich verschlechtert hat. „Es geht nicht um den Inhalt oder die Ausbildungsqualität, sondern alleine um die Außenwahrnehmung. Darum gibt es so wenige, die eine Lehre beginnen, obwohl sie ein sehr gutes Zukunftsfeld ist.“

Die Maßnahmen, die diesem unerfreulichen Zustand entgegensteuern sollen, sind breit gefächert. „Wir haben unter anderem drei neue Berufsbilder geschaffen, die sehr gut zu den wirtschaftlichen Anforderungen passen: Programmierer, Systemadministrator und Systemtechniker, der insbesondere bei Industrieanlagen den IT-Teil verantwortet. Auf Basis dieser Aufgliederung kann sich der Interessierte sehr genau überlegen, welchen Weg er gehen möchte. Das Hauptelement ist, dass es sich dabei um sehr zukunftssichere und monetär spannende Jobs handelt.“

Die Botschaft ist klar: Die UBIT-IT-Lehre soll bei der Zielgruppe, für die die Schule vielleicht eher eine Belastung ist, als coole Alternative ankommen. Zudem will man speziell Mädchen ansprechen – „Frauen haben derzeit tatsächlich die besseren Chancen in der Technik, weil selten“ –, sowie die Eltern und Großeltern, für die Sicherheit und die Zukunftsperspektive wichtig sind. „Mit abgeschlossener Lehre, einem Interesse fürs Thema und etwas Erfahrung kann man mit einem Einstiegsgehalt von knapp 2.000 Euro brutto rechnen, und das als 18-Jähriger“, bestätigt Puaschitz.

Der UBIT Wien-Obmann weist auch darauf hin, wie einfach es ist, sich zusätzliche Kompetenzen anzueignen. „Das gesamte Wissen, das wir für IT-Technik brauchen, hat die Branche ins Internet gestellt. Gemeinsam mit dem Faktor Fachkräftemangel ist es daher relativ einfach, im Unternehmen aufzusteigen ohne an eine gläserne Decke zu stoßen.“

Recht auf Selbstbestimmung

Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich ist das Thema Selbstständigkeit. Gerade im IT- und Beratungssektor werden immer wieder Selbstständige gegen ihren Willen in ein Dienstverhältnis gedrängt. Das ist bis zu fünf Jahre rückwirkend möglich und kann für die Betroffenen zu erheblichen Problemen führen. Ein Grund für diese Zwangsanstellungen: Selbstständige werden seitens der GKK und den Finanzämtern offiziell als Angestellte betrachtet, weil der Dienstleister Betriebsmittel des Auftraggebers für seine Arbeit verwendet. „Wir haben deshalb mit dem überfraktionellen Positionspapier ›Abgrenzung selbstständige versus unselbstständige Erwerbstätigkeit‹ Ziele definiert und Forderungen formuliert, die mehr Sicherheit für selbstständige Dienstleister schaffen werden. Die Fachgruppe UBIT Wien verlangt klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die auch auf die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt Rücksicht nehmen. Freie Dienstnehmer stehen zu ihrer frei gewählten Selbstständigkeit und wünschen sich keine Bevormundung von staatlicher Seite.“ Übrigens: Auf Facebook läuft unter „Recht auf Selbstbestimmung“ dazu eine Social Media-Kampagne.

Neuauflage von KMU DIGITAL

Bekanntlich sind fast 100 Prozent aller Betriebe in Österreich Klein- oder Mittelbetriebe. Sie sichern sieben von zehn Arbeitsplätzen und bilden damit das Rückgrat der heimischen Wirtschaft. Bis vor Kurzem konnten diese über die Aktion KMU DIGITAL Förderungen beziehen, um ihre IT-Infrastruktur prüfen und sich von IT-Dienstleistern und -Dienstleisterinnen beraten zu lassen. Dies war eine wichtige Initialzündung, die KMUs fit für die Zukunft machen sollten. Eine Neuauflage dieser Aktion war kurz vor dem Beschluss. Doch nach der Bildung der neuen Regierung ist dieses Vorhaben ungewiss. „Wenn das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eine dermaßen wichtige Förderung nicht fortführt, kann das den Mittelstand in eine bedrohliche Lage bringen. Wir fordern daher, dass dieses Programm neu aufgelegt wird, denn es ist wesentlich, dass die österreichischen Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben“, sagt Puaschitz.

Zu den Leitmotiven in seiner Tätigkeit als UBIT Wien-Obmann, die er seit 2015 ausführt, gehört Transparenz. Diese reicht von der Event-Organisation, der Online-Veröffentlichung der Budget-Zahlen, der demokratischen Definition, welche Themen angegangen werden sollen, bis hin zum Engagement bei globalen Standards. „Drei Kollegen und Kolleginnen der Wiener Fachgruppe haben maßgeblich an der internationalen Richtlinie 20700 für Unternehmensberater mitgearbeitet, die den Versuch wagt, Leistungen, die unterschiedlich wahrgenommen werden, auf eine gemeinsame Basis zu stellen.“ Unterm Strich geht es Martin Puaschitz darum, die Möglichkeiten, Herausforderungen und Risken, die mit der digitalen Transformation verbunden sind, auf allen Ebenen und in alle Richtungen bewusst zu machen – und das ist fürwahr eine Herkulesausgabe.

Mehr Informationen finden Sie unter www.ubit.at/wien. Der Artikel ist in transform! 02/2019 erschienen.


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