Der „innovation.network.talk“, ein Female-Only-Format, das Ende Juni 2020 in der Wiener Hofburg bereits zum Dritten Male veranstaltet wurde, stand ganz im Zeichen der Auswirkungen der Corona-Krise auf die Innovationstätigkeit, Arbeitsorganisation und die Wirtschaft generell. [...]
„Wir möchten Awareness schaffen, wie viele hochrangige weibliche Expertinnen es in Österreich gibt. Mit dem Beginn der innovation.talks vor drei Jahren ist ein beachtliches Netzwerk an Top-Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gewachsen“, berichtete Mit-Initiatorin Bettina Resl, Unternehmenssprecherin bei Sanofi Österreich. Der Talk in der Hofburg, der per LIVE-Stream übetragen wurde, wurde von hochrangigen Sprecherinnen getragen: Neben den zwei Ministerinnen Leonore Gewessler (Umwelt, Innovation, Technologie) und Margarete Schramböck (Wirtschaft, Digitalisierung) waren auch die Rektorin der TU Wien, Sabine Seidler, IBM-Österreich-Chefin Patricia Neumann und die ehemalige Frauenministerin Maria Rauch-Kallat als Sprecherinnen vor Ort.
Maria Rauch-Kallat, jetzt Präsidentin des Club alpha, monierte, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen viel zu langsam vorangehe, obwohl diverse Studien belegen, dass gemischte Teams weitaus erfolgreicher agieren als homogene. „Deshalb bin ich eine Verfechterin der Quote“, so Rauch-Kallat. Auch im Privatbereich sei man noch weit von einer Gleichstellung entfernt. „Familienarbeit, Haushalt und Kinder liegen noch immer zu 80 Prozent in den Händen der Frauen“, berichtete Rauch-Kallat. Covid-19 hätte einen Rückfall in alte Rollenmuster begünstigt.
Gastgeberin des Events, Doris Schmidauer, freute sich, die Hofburg für den
„innovation.network.talk“ zu öffnen: „Veranstaltungen wie die innovation.talks sind extrem wichtig, weil hier so unglaublich viel Potenzial und Vielfalt sichtbar wird“, sagte sie. Zur Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt meinte Überraschungsgast Alexander Van der Bellen: „Allein schon aus ökonomischer Sicht ist das schlichtweg dumm, weil man ohne Grund auf die Nutzung von Talent verzichtet“.
Innovationsschub durch Covid-19
Sabine Seidler, Rektorin der TU Wien, beleuchtete in ihrer Keynote den durch Covid-19 ausgelösten Innovationsschub und hob dabei die Bedeutung von Technologie für die österreichische Wirtschaft hervor: „Der Technologiebereich beschäftigt in Österreich doppelt so viele Menschen wie der Tourismus, die Wertschöpfung ist im Vergleich sieben Mal höher.“
Durch Covid-19 sei aus digitaler Transformation digitale Realität geworden. „Wir haben gelernt, mit Tools umzugehen, deren Namen wir vor Monaten noch nicht kannten. Prozesse wurden auf Knopfdruck umgestellt. Wir haben die Grenzen unserer Infrastruktur kennengelernt“, so Seidler. Besondere Beachtung schenkte Seidler Big Data: „Digitale
Innovation lebt von Daten. Die Macht der Daten wurde durch deren plakative Anwendung in den Ausbreitungssimulationen der Bevölkerung vor Augen geführt.“ Seidler sprach auch die soziale Innovation an: „Soziale Innovation steht am Rande der Diskussion, sie ist für die Gesellschaft jedoch essenziell. Auch hier kann Technologie einen Nutzen bringen.“ Abschließend appellierte sie an die nationale und internationale Vernetzung, um Innovation in Krisenzeiten voranzutreiben.
Vorsorge schafft Sicherheit in Krisen
Für Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, demonstrierte Covid-19 eine große Bereitschaft zur gesellschaftlichen Innovation und zur Implementierung von außergewöhnlichen Maßnahmen. Die Bundesministerin stellte daher die Frage, ob Innovation Krise braucht. „Ich würde das verneinen. Aber wir haben gesehen, dass Vorsorge Sicherheit schafft für eine potenzielle Krise. Deshalb müssen wir Österreich und auch Europa krisenfester und resilienter machen. Das gelingt uns mit Innovation – sowohl bei Gesundheitskrisen als auch beim Klimaschutz“, so Gewessler. Als wesentlichen Erfolgsfaktor für die Bewältigung von Krisen hält sie die
Zusammenarbeit – von Menschen, Regierung und Wirtschaft.
Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, zieht aus der Corona-Krise mehrere Lehren für den Standort: „Wir haben in vielen Bereichen eine zu große Abhängigkeit von Lieferanten aus dem EU-Ausland entstehen lassen, beispielsweise
bei der Medikamentenproduktion. Es braucht nun eine Renaissance der Produktion in Europa.“ Sie forderte, die Errungenschaften der Krise wie Homeoffice oder Telemedizin mitzunehmen und in Zukunft weiter voranzutreiben. Bei der Wiederbelebung der Wirtschaft betonte sie, dass es wichtig sei, individuelle Maßnahmen zu setzen und diese zu adaptieren,
um auf unterschiedliche Bedürfnisse einzugehen.
Zurückhaltung bei Investitionen ist Teufelskreis
Ulrike Famira-Mühlberger, stellvertretende Leiterin des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), gab einen Ausblick auf die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19: „Im jüngsten Wifo-Konjunkturtest zeigen sich massive Probleme für die Investitionstätigkeiten. Das ist ein Teufelskreis, weil Investitionstätigkeiten Innovationen vorantreiben, die Produktivität verbessern und schlussendlich einen signifikanten Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben. Viele, vor allem größere Unternehmen, haben Investitionsprojekte aufgeschoben oder ganz gestrichen“, schilderte die Ökonomin. Die Digitalisierung, insbesondere in der Arbeitswelt, hält Famira-Mühlberger für einen Schlüsselfaktor bei der Bewältigung der Krise. Unternehmen, die aktiv in Forschung und Entwicklung (F&E) investieren, kämen grundsätzlich leichter durch Krisen. Da unternehmerische Forschung und Entwicklung prozyklisch sind, erwartet sich die stellvertretende Leiterin des Wifo aktuell einen starken Rückgang bei Produktinnovationen. „Das birgt die Gefahr, dass Innovation als langfristiger Wachstumstreiber nachhaltig geschwächt wird.“ Famira-Mühlberger forderte deshalb Impulse für F&E, umfassende zukünftige Investitionsprogramme und noch intensivere Digitalisierungsmaßnahmen.
50 Prozent Frauen in der Führungsebene
Auch ein Mann kam beim Event zu Wort. Sanofi Österreich Geschäftsführer Wolfgang Kaps betonte, auf das weibliche Innovationspotenzial nicht verzichten zu wollen. Bei Sanofi Österreich ist übrigens die Hälfte aller Führungspositionen weiblich besetzt. „Wir wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein, weshalb wir entsprechende Rahmenbedingungen schaffen müssen“, stellte Kaps fest. Im Februar 2020 wurden bei Sanofi Österreich deshalb in einem Bottom-up-Prozess zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten eingeführt. „Die Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, die Quote für die Führungsebene und die Wertschätzung sind die drei Schlüsselfaktoren für den Unternehmenserfolg von Sanofi“, ergänzte Sanofi-Sprecherin Bettina Resl.
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