Plattform der Innovationen

Oliver Gaugg hatte das Glück, rund drei Wochen auf einem Flugzeugträger zu verbringen. Dabei ging es ihm nicht um die militärische Bedeutung der größten schwimmenden Plattform der Welt, sondern wie diese organisiert ist – gerade [...]

Oliver Gauch, CIO der Pappas Holding GMBH (c) Alexander Bixner

Oliver Gaugg hatte das Glück, rund drei Wochen auf einem Flugzeugträger zu verbringen. Dabei ging es ihm nicht um die militärische Bedeutung der größten schwimmenden Plattform der Welt, sondern wie diese organisiert ist – gerade in Zeiten der sogenannten Plattform-Ökonomien ein spannendes Thema. »Man glaubt, dass das System ausschließlich streng hierarchisch geführt wird. Es gibt aber viele Ableitungen, was Team- und Projektarbeit betrifft. So schlüpfen die Mitglieder der Besatzung je nach Anforderung in unterschiedliche Rollen.« Oliver Gaugg, CIO der Pappas Holding GmbH, nennt das Beispiel, bei dem das zwei Hektar große Deck regelmäßig nach Fremdkörpern abgesucht wird: »Hier helfen alle Schulter an Schulter mit – unabhängig von der Funktion, für die sie engagiert worden sind. Genau darum geht es mir: um das Mindset, das Bereitsein, Agieren, Reagieren, Offensein und den Zusammenhalt.«

Gauggs Engagement bei Pappas, dem traditionsreichen Automobilhandelsunternehmen mit mehr als 50 Standorten in Österreich und Ungarn und der Zentrale in Salzburg, hat mit einem Praktikum während des Wirtschaftsstudiums begonnen. Hier hat er auch seine Diplomarbeit zum Thema »Zeitmanagement als strategischer Erfolgsfaktor für ein Unternehmen« verfasst. »Das war dann auch gleich mein Einstieg in die IT. Mir war damals schon bewusst, dass strategische Unternehmensführung sehr eng mit der IT zusammenhängt. Ich habe erkannt, dass die IT ein Gestaltungsmotor und Hebel für das Unternehmen sein kann. Da ich sowohl die wirtschaftlichen, als auch die technischen Belange immer im Fokus hatte, war das ein Vorteil.«

Im Dezember 2019 übernahm Oliver Gaugg die Verantwortung über die gesamte IT des Pappas-Konzerns. »Damals wurde mir von der Eigentümerin die Aufgabe anvertraut, die IT für unsere drei Länder neu auszurichten. Meine Idee und Strategie war es, die IT als Service-Provider zu positionieren und so ein neues Standbein und Geschäftsmodell für den Konzern zu schaffen – weg von einer klassischen Abteilung hin zum soliden Profit-Center für das Unternehmen.«

Pappas als ERP-Anbieter 

Der Hintergrund für die Schaffung eines Profit-Centers ist, dass die IT-Welt immer komplexer wird und die Anforderungen besonders an kleinere Unternehmen im Automotive-Bereich schnell steigen. »Die Standards sind mittlerweile so hoch, dass eine Automobilmarke, als Beispiel, jährliche Penetrationstests verlangt. Ein kleiner Händler tut sich da schwer, IT-mäßig fit zu bleiben.« 

Eine der Stärken von Pappas ist, dass das Unternehmen bereits lange am Markt aktiv ist, und angesichts fehlender Lösungen gezwungen war, schon früh eigene Lösungen, etwa im ERP-Bereich, zu entwickeln und sich damit eine hohe Lösungskompetenz anzueignen, die dem Unternehmen heute auch wirtschaftlich  zugute kommt. »Andere Firmen am Markt haben begonnen, sich für unsere IT-Services und -Lösungen zu interessieren. Ich habe diesen Trend erkannt, unsere Organisation schrittweise darauf ausgerichtet und die Dienstleistungen in ein Geschäftsmodell verwandelt. So konnten wir uns am heimischen Automotive-Markt mittels hochintegrativer und modularer IT-Services einen Namen als ERP-Hersteller machen. Neben den Standardfeatures bieten wir eng aufeinander abgestimmte Praxislösungen für Vertrieb, CRM, Kundendienst, Teilelogistik, Finanz und Controlling bis hin zu Personalmanagement.«  Weitere Lösungen bzw. Services sind die Fahrzeugauslieferung via Tablet, ein Dashboard für den Werkstatttermin- und -kapazitätsplaner im Kundendienst und eine Gebrauchtwagen-App.

»IT-Orbit«

Die Herausforderungen, die mit dem Profit-Center verbunden sind, aber auch künftige Aufgaben, haben bei Pappas direkten Einfluss darauf, wie der CIO die IT-Mannschaft – 33 Mitarbeiter in drei Teams – organisiert. Statt der klassischen Pyramidenform, in der laut Gaugg »das Silodenken nahezu vorprogrammiert ist«, nutzt er die Kreisform, den sogenannten IT-Orbit. »Jeder im Team hat auf Basis des Haupt-IT-Orbits seinen persönlichen Orbit. In diesem sind seine Fähigkeiten, Aufgaben, Projekte, Verantwortungen, Teambasis und Rollen abgebildet. Der Orbit ist somit sowohl Stellenbeschreibung, als auch Zielvorgabe in einem.«

Jeder Mitarbeiter ist ein CDO

Dieses System spiegelt auch Gauggs Sicht von einem modernen Führungsstil wider. »Ich halte nichts von streng hierarchischen Organisationen. Mir geht es um flexibles Arbeiten, die lernende Organisation, Wissenstransfer und Vertrauen in die Mitarbeiter. Die vielschichtigen Beziehungen drückt ein Kreis viel besser aus als ein traditionelles Organigramm. Bei einem Kreis, wo alle miteinander verbunden sind und einander auf gleicher Augenhöhe treffen, gibt es niemanden – mich eingeschlossen –, der über allen anderen steht und vermeintlich besser weiß, wie alles funktioniert.«

Mit dieser Art der Organisation hat Oliver Gaugg die drei Bereiche der IT-Abteilung – Entwicklung, Infrastruktur und Service Desk – stärker zusammengeschweißt und damit die Voraussetzung für die eingangs beschriebenen Rollenwechsel geschaffen. Ein Service-Desk-Mitarbeiter kann beispielsweise je nach Anforderung und Knowhow auch mitentwickeln oder Teil des Infrastruktur werden, was das Wissen von den jeweils anderen Bereichen deutlich erweitert.

Unter diesen Voraussetzungen kann der CIO das Thema Digitalisierung sehr breit aufstellen. Dazu gehört, dass es nicht nur einen CDO gibt. »Das Verständnis für die Rolle und die damit verbundenen Aufgaben ist bei meinem gesamten Team verinnerlicht. Das Thema ist so integral verankert, dass jeder Mitarbeiter im Herzen sein eigener CDO ist.«

Tradition und innovation unter einem dach vereint

Oliver Gaugg nutzt das Bild des Flugzeugträgers nicht nur als Quelle für die Zusammenarbeit und eine moderne Organisation. Es dient auch als Narrativ für unterschiedlichste Themen, die er in der IT-Abteilung, mit den Fachabteilungen oder mit der Geschäftsführung bespricht. Dabei trachtet er danach, die Mitteln des Storytellings sehr gezielt und nicht inflationär zu verwenden. 

Geht es etwa um eine Investition im Security-Bereich, so lässt sich dies sehr gut mit dem mehrschichtigen Verteidigungssystem der schwimmenden Plattformen illustrieren. »Meine Erfahrungen am Flugzeugträger sind ein einfaches und nützliches Transportmittel von Visionen. Lieber eine gute Anekdote zum Thema Sicherheit erzählen als 20 langweilige Powerpoint-Grafiken präsentieren. Lieber ein starkes gemeinsames Bild schaffen, das sich jeder Mitarbeiter auch leicht für das eigene Arbeitsumfeld einprägen kann. Eine gute Flugzeugträger-Geschichte bleibt länger in Erinnerung, wirkt nach – vielleicht sogar mit einem Lerneffekt – und erzeugt obendrein noch einen Multiplikator-Effekt, wenn sie weitererzählt wird.«

Auch der strategische Einsatz von Flugzeugträgern dient als lehrreiche Metapher: Alleine die Präsenz kann vieles bewirken. »Das gilt auch für die IT. Früher war sie eher in einer dienenden Funktion, jetzt hat sich eine sehr starke begleitende, beratende Rolle. Das geht nur, wenn man kommunikativ präsent ist.« 

Sinnbild für die IT

Last but not least ist ein Flugzeugträger Sinnbild für die IT-Systeme selbst. Die schwimmende Plattform wird für eine Laufzeit von 40 und mehr Jahren gebaut. Dabei entwickelt sie sich ständig weiter, um den sich ständig wandelnden Herausforderungen gerecht zu werden. Damit vereint sie Tradition und Innovation mit dem Ergebnis eines stabilen und gleichzeitig höchst adaptionsfähigen Systems. »Wir leben in Zeiten exponentiell zunehmender digitaler Innovationen und Disruptionen. Es lässt sich nur schwer abschätzen, was in den nächsten Jahren an Services benötigt wird. Um rasch agieren und reagieren zu können, braucht es  fokussierte IT-Organisationen als stabile und modulare Plattformen. Für die IT und für Flugzeugträger gilt daher, sich nicht abzuschotten, sondern mit Wachsamkeit unterwegs zu sein – über Fachbereichsgrenzen hinweg da zu sein, zu unterstützen und zu beraten«, sagt der Pappas-CIO Oliver Gaugg abschließend.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*