SAP Beratungshaus cbs expandiert

Das Heidelberger SAP-Beratungshaus cbs Corporate Business Solutions hat im Jänner 2020 in Wien eine Niederlassung eröffnet, die von Dalibor Kukic geleitet wird. Der Wiener Informatiker ist seit vielen Jahren mit SAP wie auch mit Industrie-Geschäftsprozessen vertraut, er war zuvor bei einem österreichischen Unternehmen der Stahlindustrie im strategischen IT Management tätig. [...]

Der Heidelberger SAP Partner cbs Corporate Business Solutions hat in Wien im Jänner 2020 eine Niederlassung eröffnet, damit will das Unternehmen jetzt den österreichischen Markt erobern. (c) cbs

Trotz der Corona-Krise war 2020 für cbs ein gutes Jahr: Das geplante Umsatzziel von rund 100 Millionen Euro wurde mit 104 Mio. Euro sogar übertroffen, das ist ein Wachstum von rund 13 Prozent gegenüber 2019. Zugleich stieg die Zahl der Mitarbeiter um 16 Prozent von 600 auf über 700. Die cbs-Gruppe betreibt heute 20 Standorte weltweit, nach Österreich kam mit Finnland Anfang 2021 bereits die neunte ausländische Niederlassung hinzu. Das Unternehmen profitiert von der großen Nachfrage nach S/4HANA Projekten und hat ambitionierte Ziele: Bis zum Jahr 2025 will die cbs-Gruppe personell auf rund 1.000 Berater weltweit expandieren und den Umsatz auf mehr als 200 Millionen Euro verdoppeln. Das größte Thema ist derzeit die S/4HANA Transformation, wie Kukic im Gespräch mit der COMPUTERWELT unterstreicht.

SAP hat im Februar das Programm RISE with SAP gestartet, um die S/4HANA Migration inklusive Cloud-Adoption anzukurbeln. Wie sehen Sie diese Initiative?

Wenn wir eines wissen, dann, dass der Umstieg auf S/4HANA alternativlos ist. Wir beschäftigen uns bei cbs schon länger damit und haben dazu selbst als Motor für den Umstieg und für die effiziente Transformation den „cbs ET Enterprise Transformer“ entwickelt. Wir haben diese Lösung jetzt auch auf RISE with SAP ausgerichtet. RISE with SAP ist wieder ein neuer Vorstoß, um die Kunden in Richtung SAP Cloud zu bewegen. Das neue Programm zielt auch ganz stark in Richtung Kundenbindung, weil damit auch die Anbindung anderer SAP Produkte durch die Cloud-Architektur vereinfacht wird. Der zweite Aspekt ist die Infrastruktur, die ausgelagert werden kann – da wird auch das Argument der Kostensenkung eingebracht. Das kommt aber natürlich darauf an, wie groß das System ist, das in die Cloud ausgelagert werden soll. Hinzu kommt die Frage ist: Für welche Variante entscheidet man sich – sowohl Private als auch Public Cloud haben ihre Restriktionen. Wenn der Kunde eine sehr heterogene, individuelle Systemlandschaft hat, ist es schwierig, sich auf ein standardisiertes Template anzupassen, das die Flexibilität aus Kundensicht eher einschränkt. In der Private Cloud ist die individuelle Ausgestaltung wiederum eine Kostenfrage. Zwei Faktoren sind ausschlaggebend: Wie schnell ist ein Wechsel von On-Premise auf eine Public Cloud Lösung möglich? Die großen SAP Beratungsunternehmen haben sich dazu bekannt, hier als Partner zu agieren. Auch wir unterstützen unsere Kunden in diesem Transformationsprozess. Und zweitens: Wie sieht der ROI aus, wie schnell macht sich die Migration bezahlt und wie gut funktioniert dieses neue „One-Offer, One Contract“ Angebot in der Praxis?

Der Gründungszeitpunkt war sicher nicht ideal. Bereits im März 2020 hatten wir in Österreich den ersten Lockdown und mussten daher strukturell komplett umstellen.“

Dalibor Kukic, Geschäftsführer cbs Österreich

Wollen denn die Unternehmen und Ihre Kunden mit ihrem Core-ERP-System jetzt überhaupt in die Public Cloud?

Es kommt auf die Branche und das jeweilige Unternehmen an. Wir haben mehrere Kunden, für die wir Business-Prozessanalysen und Machbarkeitsstudien durchführen, um zu ermitteln, ob es überhaupt möglich ist, nahe oder Back-to-Standard zu gehen. Wenn der Kunde seine Prozesse dahingehend anpassen kann, ist eine Public Cloud Variante denkbar, dazu kommt dann noch die Frage, ob Azure, AWS oder SAP selbst zum Einsatz kommt. Unternehmen mit sehr individuellen Prozessen werden wahrscheinlich keine Public Cloud Variante wählen. Andere wiederum, wie etwa der Handel, wo es schon vorgefertigte Best Practices der SAP gibt, werden diese Option evaluieren. Aber es geht erst einmal um die Bereitschaft, die Daten überhaupt in der Cloud zu verarbeiten – das ist auch ein großes Security-Thema. Vor allem in der Konsumgüter- oder in der Pharmabranche geht es um bestimmte Rezepturen – da werden einige Unternehmen sicher On-Premise bleiben.

Passt die neue SAP Strategie jetzt mit Ihrem „Enterprise Transformer“ zusammen?

Ja, denn wir haben schon zuvor Cloud-Projekte gemacht. So wurde beim US-Stahlbau- Unternehmen SPS Companies 2020 ein umfassendes SAP Transition Projekt erfolgreich abgeschlossen – das SAP-System wurde von On-Premise in die Private Cloud gehoben und wird jetzt von SAP gehostet. Bei cbs arbeiten wir aktuell daran, den Enterprise Transformer auch für die SAP Web Anwendung in der Cloud kompatibel zu machen.

Wenn es jetzt um die S/4HANA Migration geht, inwieweit muss man sich denn da die Business-Prozesse ansehen?

Es macht Sinn, sich die Prozesse genau anzusehen. Und wenn der Kunde es wünscht, übernehmen wir die Analyse und Bewertung. Eine große Rolle spielt dabei die Performance: Wir gliedern die End-to-End-Prozesse und bewerten ganz genau, ob und wie rasch relevante Informationen verfügbar sind. Natürlich schaut man auch: Was gibt es an Best Practice Ansätzen, und was bietet die SAP dazu? Und wie agiert der Mitbewerb? Mit dieser Analyse kann man pro Prozess identifizieren, ob und was verbesserungswürdig ist. Es geht dabei auch um eine Kosten-Nutzen-Analyse und die Unterscheidung in Business-kritische, tägliche Prozesse und solche, die nicht so häufig ablaufen. Gewisse für S/4HANA notwendige Prozesse müssen in jedem Fall angelegt werden.

Nun geht S/4HANA schon stark in Richtung Standardisierung, inwieweit ist das bei den Unternehmen möglich?

Wir bieten den Unternehmen dafür einen sogenannten ‚Selective Prototype‘ an. Wir stellen den Kunden dabei ein S/4 System mit Best Practice Standards zur Verfügung. Bei einem deutschen, zuvor sehr skeptischen Unternehmen war das Ergebnis ganz erstaunlich: 80 Prozent der Prozesse konnten weiter genutzt werden. Oft wissen die Kunden auch historisch bedingt gar nicht mehr, wie der SAP Standard aussieht. Nach unseren Erfahrungen können mindestens 40 Prozent der Prozesse in den Unternehmen mit S/4HANA weiter genutzt werden.

Im Zuge von RISE with SAP wurde auch die Übernahme von Signavio von SAP bekannt gegeben. Sie sind allerdings Celonis Partner. Widerspricht das jetzt nicht Ihrer Strategie?

Ich denke, da gibt es unterschiedliche Ausrichtungen. Celonis ist sehr stark in der Process Mining Technologie, vor allem im Bereich KI und Machine Learning. Damit wird künftig auch vermehrt Predictive Analytics möglich sein. Celonis hat zudem vorgefertigte Prozess-Mining-Templates, wie etwa Order-to-Cash- oder Purchase-to-Pay-Prozesse, während Signavio mehr in Richtung Process Modelling und Anbindung der Systemlandschaft ausgerichtet ist. Signavio kooperiert auch schon seit längerem mit SAP. Aber im Process Mining hat Celonis sicher noch die Nase vorn.

Viele Unternehmen sind gerade jetzt dabei, ihre Businessmodelle komplett umzukrempeln, oder überdenken ihr Business neu – wie erleben Sie das bei den Kunden?

Die Kunden haben die Vorstellung: Wenn wir jetzt auf S/4HANA wechseln, ist das schon genug an Innovation und es funktioniert alles wieder besser. Dann gibt es Fiori Apps und man kann auf die Daten schneller zugreifen. Das ist ein Trugschluss. Wenn man Innovation  im Unternehmen einführen will, muss man auch die Gegebenheiten berücksichtigen. Viele Kunden vernachlässigen, wer die Fiori Apps betreibt, die auf Web-Technologie basieren. Hier braucht es weitere Qualifikationen der Mitarbeiter, zusätzliche Infrastruktur und vielleicht zusätzliche Partner, um die Innovation so zu betreiben, wie man sich das vorgestellt hat. Wer Fiori Apps nutzen will, sollte das bedenken. Wir machen daher mit den Kunden in der Strategie-Beratung spezielle „Awareness“-Workshops für zwei bis drei Tage, wo wir darauf und auf das Thema Machine Learning eingehen: Auch da schauen wir uns gemeinsam mit den Kunden sehr genau die Voraussetzungen und Möglichkeiten an.

Wie lange dauert jetzt ein Migrationsprojekt zu S/4HANA aus Ihrer Erfahrung?

Es macht einen Riesen-Unterschied, welche Methodik zum Einsatz kommt. Ist es ein Greenfield-Approach, das heißt eine komplette Neuimplementierung, viele individualisierte Prozesse und neues Prozess-Design, kann man mit einer Laufzeit von mindestens 24 bis 30 Monaten rechnen. Bei einer Brownfield Conversion, einer schrittweisen Migration der bestehenden SAP-Systeme auf S/4HANA, können die Projekte in einer Zeit von sechs bis neun Monaten durchgeführt sein, sofern die technischen Gegebenheiten vorhanden sind. Mit dem Selective Data Transition Ansatz bringt cbs das Beste aus beiden Welten zusammen. Damit kann man ein Migrationsprojekt in 18 Monaten durchführen, vom Kick-off bis zum Go Live.

Wie sieht die Bilanz nach knapp einem Jahr in Österreich aus?

Der Gründungszeitpunkt war sicher nicht ideal. Bereits im März 2020 hatten wir in Österreich den ersten Lockdown und mussten daher strukturell komplett umstellen. Viele Berater arbeiten ja sehr eng mit den Kunden zusammen, normalerweise auch vor Ort. Für uns als neugegründete Niederlassung war die Startup-Phase natürlich schwer – persönliche Kundengespräche und Veranstaltungen sind wichtig, waren aber einfach nicht möglich. Projektseitig haben die Kunden vieles verschoben, vor allem in Industrien, die besonders vom Lockdown getroffen waren. Dafür haben Lebensmittel- und Pharmabranche die Produktion von drei auf fünf Schichten hochgefahren. Es war ein von der Krise geprägtes Jahr, mit Vor- und Nachteilen, das hat uns in der Projekt- und Kunden-Akquise schon getroffen. Wir können dennoch auf ein erfolgreiches Jahr 2020 zurückblicken, wir haben unsere Ziele übertroffen und sind jetzt ein schlagkräftiges Team von elf Personen. Geholfen hat uns, dass es schon vor der Gründung unserer Niederlassung einige Kunden in Österreich gab. Neu hinzugekommen ist jetzt die Greiner AG, globaler Player in der Kunststoff- und Schaumstoff-Industrie aus Oberösterreich, für die wir ein Strategieprojekt in Richtung S/4HANA Migration gemacht haben. Die Herausforderung bei Greiner liegt in vier unterschiedlichen operativen Sparten und einer sehr heterogenen Systemlandschaft. Wir sind auf Unternehmen der produzierenden Industrie fokussiert, können für den SAP Core natürlich aber auch andere Industrien bedienen.

Wie sehen Ihre Ziele für 2021 jetzt aus?

2021 ist es unsere oberste Priorität, cbs in Österreich als End-to-End-Lösungsberater bekannter zu machen. Bis 2025 wollen wir auf 40 Berater in Österreich wachsen. Das nächste Nahziel ist ein Leuchtturmprojekt mit einem großen österreichischen Kunden, ähnlich wie in Deutschland das große S/4HANA Migrations-Projekt für Viessmann, das in 18 Monaten über die Bühne gegangen ist und bis dato als das größte S/4HANA Umstellungsprojekt in der produzierenden Industrie gilt.


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